Ahzumjot gehört auf dem splash! zum Inventar. Vor zehn Jahren hat er seine erste Show dort gespielt, heute hat er seinen Slot sicher. Wenn er die Bühnen auf Ferropolis betritt, entsteht ein besonderer Raum, den er sich mit seinem Publikum teilt. Die Energie auf und vor der Bühne verändert sich, wird zu kollektiver Ekstase. Wir treffen Alan am splash!-Freitag, einen Tag nach seinem Auftritt und sprechen mit ihm über seine Live-Shows, seine Rolle(n) in der Szene, Apsilon und die neue Deutschrap-Generation.
Du hast dein erstes splash! vor zehn Jahren gespielt, es ist also ein bisschen Jubiläum. Ist es dieses Jahr etwas Besonderes für dich?
In dem Jubiläumskontext? Ne. Das ist ja nur etwas, was ich selber weiß, das weiß ja das Publikum nicht. Die meisten, die dort stehen, waren nicht bei meinem ersten splash! Auftritt da. Viele davon haben ihr erstes splash! überhaupt jemals besucht. Deswegen nein, es war eher etwas Besonderes, nach dieser Zeit jetzt mal wieder hier zu spielen.
Wie erinnerst du dich denn an das splash! vor zehn Jahren? Wie war das für dich?
Geil! Es war ultra krass. Wir hatten auch extremes Glück. Wir haben damals vor Cro gespielt. Das war noch diese Zeit, da war Carlo noch nicht der eindeutige Superstar, aber der hatte „Easy“ draußen und es war klar, er wird jetzt einer. Er wurde dann auf später geschoben und war Headliner. Das war noch der Warm-Up-Tag und es war nur die Nebenbühne geöffnet. Es war viel zu voll, keiner ist mehr reingekommen und dann standen wir da vor 10.000 Leuten, an meinem Geburtstag tatsächlich. Das war natürlich krass, das erste Mal Festival und das erste Mal, so etwas zu sehen, so viele Menschen. Das ist schon eine crazy Erinnerung.
Auf Instagram hast du geschrieben, dass da dein Höhenflug anfing. Trübt das die Erinnerung?
Nein. Das ist etwas, das zu mir und meiner History gehört. Ich kann auch nur so darüber sprechen, weil ich diese Phase ja überwunden habe. Das gehört zu meiner Persona und ist ein wichtiger Bestandteil.
Löst so ein splash! Auftritt dann für die Zeit auf der Bühne noch diesen Egotrip aus?
Naja, in dem Moment, in dem ich auf der Bühne bin, bin ich ein Superstar. Das ist aber auch einfach mein Job, das zu sein. Ich stehe gerade hier oben, ich will euch entertainen und ihr habt nicht für Alan gezahlt, sondern für Ahzumjot. Sobald ich auf der Bühne stehe, ist der Superstarmodus einfach an. Das ist auch das, was ich am geilsten finde, wenn ich andere Acts sehe. Dass sie auf die Bühne gehen und sagen: „So, das ist mein Spotlight and I own that shit.“
Das ist dann wahrscheinlich auch das, was deine Shows ausmacht.
Wahrscheinlich. Gestern habe ich zum Beispiel wenige Ansagen gemacht und sehr durchgezockt. Ich bin auch kein Fan von Ansagen, wenn sie nicht wirklich Bestandteil der Show sind. Wenn es nur ein Danke ist, finde ich das oft deplatziert. Ich hasse das, wenn Acts sich zu oft bedanken. Dann habe ich das Gefühl, der macht das, weil er mir was schuldig ist. Aber ich als Zuschauer will einfach full on Superstar auf der Bühne sehen.
„Ich bin auf jeden Fall das Middle Child. (…) Ich glaube, ich war’s eigentlich schon immer.“
Es ist ganz witzig, dass du dich vorhin schon als Boomer-Rapper bezeichnet hast.
(lacht)
Darüber wollte ich nämlich mit dir sprechen. Das splash! ist wie ein Klassentreffen, bei dem alle Generationen an Rapper:innen zusammenkommen. Meistens sind die ziemlich genau voneinander getrennt. Du hast dich in den 10 Jahren zwar extrem verändert und entwickelt, bist aber als Rapper kaum gealtert. Du findest bei den OGs, aber auch in der New Wave statt. Wo siehst du dich? Wo fühlst du dich wohl?
Ich kenne natürlich meine Position. Ich weiß, dass ich nicht mehr zu den Younguns gehöre und will das auch gar nicht. Ich bringe etwas ganz anderes in das Game mit rein als die Younguns, aber ich bringe auch etwas anderes als die Älteren. Ich bin jetzt 33 geworden, ist alt, aber ich finde es tatsächlich cool, mit Rapper:innen zu arbeiten, die auch jünger sind, weil die mich inspirieren. Mit der Lockerheit, mit der Herangehensweise an das ganze Ding, mit so einer Unbefangenheit. Ich merke, wenn ich mit Älteren zusammenarbeite, dass sie ganz oft sagen „Das kann ich nicht machen, weil ich dafür nicht bekannt bin“. Aber ich finde eigentlich die Acts am spannendsten, die etwas droppen, was mich überrascht. Klar arbeite ich auch gerne mit Leuten, die länger im Game sind, weil ich da auf einem anderen Level etwas lernen kann. Ich hatte letztens ein längeres Gespräch mit Max Herre darüber, wo ich mich einordnen würde. Ich bin auf jeden Fall das Middle Child. Ich glaube das hat nicht einmal etwas mit meinem Alter zu tun, sondern ich glaube, das ist mein Mindstate. Ich glaube, ich war’s eigentlich schon immer.
Eine Erklärung ist auch deine Position als Konnektor in der Szene. Als Produzent arbeitest du mit vielen Acts zusammen, die noch sehr neu sind oder in anderen Nischen stattfinden und schaffst da neue Verbindungen. Siehst du dich in dieser Rolle?
Voll, 100 pro. Ich finde, die Kultur kann nur so wirklich florieren und geschehen, wenn keine Grenzen geschaffen werden zwischen Oldheads und Younguns. Ich glaube, nur deswegen kann ich nach so vielen Jahren und ja auch immer noch keinem Durchbruch überhaupt noch da sein. Ich hatte ja noch keinen Hit oder so, aber ich bin noch da, weil ich sowohl von den Younguns, als auch von den Älteren akzeptiert werde. Ich kann an einem Tag mit einem Max Herre vier Stunden chillen und am nächsten Tag mit BHZ ins Studio gehen. Das ist das, was mich ausmacht, aber auch, wie es mir am meisten Spaß macht.
Im letzten Jahr hast du noch eine weitere Rolle eingenommen. Du hast Apsilon ein Stück weit entdeckt.
(hadert)
Würdest du nicht so sagen?
Ich will mir das nicht auf die Kappe schreiben, weil es früher oder später eh dazu gekommen wäre, dass er auf einem höheren Level wahrgenommen wird. Weil es sein Talent ist, das ihn ausmacht und nicht, dass ich ihm Props gegeben habe. Ein Stück weit war ich der erste größere Künstler, der mit ihm gearbeitet hat. Er hat mir Sachen geschickt, da gab es noch nichts von ihm außer eines Instagram-Accounts mit einem Freestyle. Aber entdeckt…
Er hat dann aber auf einem extrem hohen Niveau angefangen. Kein Newcomer, der das erste Mal einen Song rausbringt, bringt einen Song wie „Sport“ raus und da hattest du ja schon Einfluss drauf.
Ich hab den produziert, ja.
Wie bist du in seinen Künstleraufbau involviert? Was bist du gerade für ihn?
Es kommt so viel von ihm. Er ist ein unfassbar schlauer Typ. Das bin nicht ich, er arbeitet ja auch mit so vielen unterschiedlichen Leuten zusammen. Ich bin da nicht in jeden Song involviert, aber wir reden sehr viel miteinander. Er selbst hat es gesagt, ich zitiere ihn da nur, dass es ein bisschen eine Mentoren-Rolle ist. Auch das würde ich nicht sagen, weil das ist voll whack und cheesy, übertreib mal nicht, Bro. Ich kenne auch einfach meine Rolle. Ich bin selbst kein Künstler, der einen Durchbruch hatte, also wo soll ich es mir rausnehmen, plötzlich zu sagen, ich bin dein Türöffner? Aber klar weiß ich, was ihm die Gespräche auch bedeuten und gleichzeitig bedeuten sie mir ja auch total viel. Weil ich in ihm auch Sachen sehe, die ich an mir habe und hatte und ich profitiere genauso an diesen Gesprächen und diesem Austausch. Dieses junge, frische, infantile teilweise und vor allem sehr dankbare hält mein Mindset auch auf dem Boden am Ende des Tages.
Im letzten Interview hast du von der Zukunftsperspektive Executive Producer gesprochen. Da bist du ja aber auch Mentor, oder?
Das hat ein Stück weit auch so eine Mentoren-Rolle, aber ich würde eher sagen, eine begleitende Rolle. Ich versuche nicht, Leuten etwas aufzustülpen, sondern ich versuche eher, ihre Visions zu erweitern und sie auf ihrem Weg zu begleiten. Deshalb würde ich auch sagen, dass ich der beste Executive in Deutschland bin, weil ich komplett auf die Leute eingehe. Das macht mich aber natürlich nicht zum erfolgreichsten executive Producer. Ich kann niemanden zu einem Superstar machen, weil ich das ja selbst noch nicht bei mir geschafft habe (lacht).
„Ich habe das Gefühl, dass Neid in der jüngeren Bubble weniger eine Rolle spielt.“
Du hast in letzter Zeit mit vielen Künstler:innen der neuen Generation aus Deutschrap zusammengearbeitet: Babyjoy, Apsilon, MAJAN, FELLY, Gianni Suave, Souly, Lugatti & 9ine, OG Keemo. Was findest du, macht sie aus? Was eint sie?
Sehr viel Lifestyle. Es ist sehr viel Lifestyle-Mucke. Deswegen sehe ich mich auch da immer nur als Connector und als Zwischenglied, weil ich nicht denselben Lifestyle lebe. Ich lebe einen ganz anderen, ich habe zwei Kinder und bin ganz wo anders im Leben. Es macht sehr viel Lifestyle aus und sehr viel Nahbarkeit. Und ich meine nicht einmal durch Social Media. Sehr viele dieser Acts sehen so aus, als würden sie selbst als Besucher auf dieses Festival gehen. Die kriegen dann zwar ihren Superstarfilm auf der Bühne, aber die Leute davor sehen auch: „Der sieht aus wie ich, der lebt wie ich, hat dieselben Probleme, aber auch denselben Grund zu feiern. Das könnte ich sein.“ Und ich glaube, das macht es aus.
Ich finde, was gerade auf dem splash! aber generell auch sonst auffällt, ist dieses sehr enge Netzwerk und der bedingungslose Support zwischen den Künstler:innen. Als du dein Mixtape veröffentlicht hast, hast du auf Instagram bemängelt, dass dir dieser Support manchmal fehlt.
Ja, aber in meiner Bubble. Und meine Bubble ist eine andere. Gatti & 9ine und sonst wer haben das geteilt, aber die Leute aus meiner Riege, mit denen ich auch groß geworden bin, das war sehr verhalten. Ich habe das Gefühl, dass Neid in der jüngeren Bubble weniger eine Rolle spielt. Du wirst heute die BHZ Show sehen. Du wirst sehen, dass an irgendeinem Punkt Lugatti & 9ine auf die Bühne hüpfen, selbst wenn es nicht deren Song ist. Und dass auch deren Jungs auf die Bühne hüpfen, weil alle zusammen diesen Moment feiern. Gestern bei mir kam dann irgendwann Kelvyn Colt hoch, Nura kam hoch und Felly kam nochmal und wir haben zusammen den Moment gefeiert. Da geht es nicht um die Einzelperson, sondern es geht darum: „Wir supporten dich, wir sind da.“ Und Neid spielt in meiner Bubble aber tatsächlich eine große Rolle.
Glaubst du das hat auch was mit Männlichkeitsbildern zu tun? Da sehe ich bei der jüngeren Generation auch eine Entwicklung.
Voll! Unfassbar. Natürlich, Alpha-Tier, mir gehört dieser Space. Ich gehe da zwar hoch und mir gehört diese Bühne, aber am Ende des Tages gehört dieser Moment uns allen. Das ist vielleicht ein bisschen Old-Head-Shit, das so zu sagen, aber for the culture. So macht der ganze Scheiß doch auch nur Spaß, wenn du das Gefühl hast, dass diese Energy sich auf alles überträgt, auf die Leute, die hinter der Bühne stehen, auf die Leute vor der Bühne und auf die Leute auf der Bühne. Das geht nur mit einem gemeinsamen Feeling. Das fängt an mit einem Starmoment, aber es soll in so einem wholesome Safe Space enden. Ich habe euch dann den Superstar gegeben, aber am Ende des Tages habe ich hier gerade eine gute Zeit und ich hoffe, ihr habt sie genauso. Deswegen wird Ahzumjot dann gegen Ende der Show immer mehr zu Alan.