Selfcare statt Club 27 – Search Yiu im Interview

Search Yiu veröffentlicht mit „SY“ sein Musik gewordenes Wellness- und Selfcare-Programm zusammen mit seiner eigenen Skincare-Creme. Wir haben mit dem Musiker darüber gesprochen, warum der Club 27 für ihn keine Option war und warum ihn alte Fotos deprimieren.

Du hast wegen der Promophase sicher gerade viel zu tun. Wie läuft es denn mit der Selfcare zur Zeit?

Wird gerade vernachlässigt, weil so viel los ist. Ich probier ab und zu morgens zu meditieren, bevor ich überhaupt aufs Handy schaue, um nicht direkt gestresst zu starten. Letztendlich bin ich aber froh darüber, etwas zu tun zu haben und mein Album promoten zu können.

Hattest du schon immer ein Gefühl für deine Bedürfnisse und wusstest, wie du auf dich selbst achten kannst?

Das war ein Lernprozess. Ich hab zwar meinen Körper nie scheiße behandelt und viel gesoffen oder Drogen genommen. In der Beziehung war ich immer relativ vorsichtig, aber mental hat es auf jeden Fall gedauert.

Also war der Club 27 keine Option?

Ich war sehr lange suizidal, aber nicht in dieser Form. Wenn, wollte ich es schnell und plötzlich machen und nicht diese Selbstzerstörung über lange Zeit.

Beim Thema Selfcare geht es viel um Körper und Geist. Gehört das für dich zusammen?

Auf jeden Fall gehört das für mich zusammen. Gerade Wellness ist für mich innerlich und äußerlich.

Treffen wir dich als nächstes im Schweigekloster?

(lacht) Nein, das wird nicht passieren. Ich bin auch nicht zu krass im Thema Meditation. Ich hab damit erst angefangen und mache es auch noch nicht so regelmäßig, wie ich es vielleicht sollte. Aber selbst Skincare-Routine gibt mir viel. Gute Gerüche und Ambient-Music beruhigen mich sehr.

Wir können ja mal auf deine Musik zu sprechen kommen. Ich finde die Ambivalenz zwischen psychischen Abgründen und einer intimen Wärme auf „SY“ sehr Interessant. Wie cozy sollte das Album werden?

Klar gibt es viele düstere Themen, aber ich wollte nie, dass man sich beim Hören scheiße fühlt. Dass man trotzdem etwas Positives rausziehen kann und sich damit auf eine Art wohlfühlt, auch wenn die Themen mal unangenehm werden. Ich sag immer, ich fänds cool, wenn Leute das Album das erste Mal allein auf Kopfhörer hören. Diese Art es zu konsumieren schwebte mir beim Machen immer vor.

Deine Musik ist sehr privat. Du setzt dich viel mit dir selbst, mit Mental-Health auseinander. Hattest du schonmal den Konflikt, dass du dich in der Musik konkreter politisch äußern müsstest?

Ja ich weiß, was du meinst. Ich versuche vor allem über Social Media meine Position klar zu machen. Ich finde sehr wichtig, dass man eine deutliche Haltung hat, aber bisher hab ich in der Musik noch nicht den richtigen Zugang gefunden oder mich noch nicht bereit gefühlt. Es ist auch extrem schwierig, das richtig zu machen. Erstmal musste ich mich mit meiner Psyche auseinandersetzen. (Lacht)

Du verwendest eine sehr klare Sprache. Präzise Catch-Phrases für die Refrains und generell eine sehr reduzierte Wortwahl. Was steckt dahinter?

Ich war nie großer Fan von zu komplizierter Sprache. Ich sehe sehr viel Schönes im Simplen. Das liegt mir eher, als dass ich hundert mal überlege, wie ich es möglichst kompliziert oder mit einem Fremdwort ausdrücke. Ich versuche Texte so zu formulieren, wie ich es auch im Gespräch direkt ausdrücken würde.

„Still“ ist ja ein kleines Gegenbeispiel. Du thematisierst sehr konkret den Kontakt zu deinem Psychiater, dem es nur darum ging, dass du überhaupt da warst. Du sagst darin, dass du keine alten Fotos sehen willst. Ist Nostalgie nichts für dich?

Das ist auch der persönlichste Song von allen. Ich hab irgendwann gemerkt, dass alte Fotos mich sehr traurig gestimmt haben. Oft steht im Vordergrund, dass die Zeit bereits vorbei ist, womit ich mich immer etwas schwer getan habe. Ich mach selbst gerne Fotos, aber je älter sie werden, desto seltener schau ich mir die gerne an.

Aber mit Max im Podcast kannst du sehr lange über eure Vergangenheit in Landau sprechen.

Ja das mach ich schon gerne, weil die Zeit so für sich steht. Das ist nichts, was ich vermisse, aber ich bin froh, dass ich es damals hatte. Ich war damals nicht im selben Freundeskreis wie Max, aber wir haben trotzdem das selbe gemacht.

Hast du sonst noch einen engen Bezug zu etwas, das manche „Heimat“ nennen würden?

Ich hab eigentlich nur noch einen guten Freund und meine Family dort. Die besuche ich natürlich regelmäßig, auch um meine kleine Nichte beim Aufwachsen zu sehen.

A propos Familie und Freunde. Sind Friends eigentlich der beste Weg für Selfcare?

Ich finde, man muss immer ein bisschen aufpassen, weil Friends nicht dafür verantwortlich sind, dass es dir gut geht, sondern dass man sich nur dabei supportet, dass es einem gut gehen kann. Ich bin auf jeden Fall sehr froh um die Base, die ich um mich habe. Ohne die ging es mir sicher schlechter.

Konntest du dich schon immer gut gegenüber anderen öffnen?

Nein, das hat sehr lange gedauert. Und im privaten fällt es mir teilweise immer noch schwerer, als ich es in der Musik oder im Podcast mache. Aber ich hab auf jeden Fall Leute, mit denen ich über alles reden kann. Aber das hat lange gedauert und ich glaube, das war auch mein größtes Problem, dass ich vieles so lange in mich reingefressen habe. Das ist natürlich das dümmste, was man machen kann. (lacht)

Gab es da ein Erlebnis, dass das geändert hat?

Vor allem Leute, die ich kennengelernt habe. Gerade Max und die Connection. Da hab ich erst gelernt, dass man über alle Gefühle, die man hat, einfach reden kann. Das man niemandem etwas beweisen muss, es einem schlecht gehen darf und man das auch mitteilen darf. Letztendlich also das Umfeld.

Nochmal zurück zu deinem Album. Wolltest du nicht eigentlich nur Singles veröffentlichen?

Das hab ich gesagt? Ich hab das Album schon relativ lange geplant. Als wir den Song „Freitag“ releast habe, war mir das schon klar. Vor allem mit diesem Selfcare- und Wellness-Konzept. Vor allem nachdem die ersten drei Demos standen. Ich weiß, dass Singles gerade mehr ein Ding sind, aber ich mag ein Konzept, zu dem man auch passendes Artwork, Merch und so weiter machen kann. Das klappt bei einem Album besser. Ich weiß aber, dass ich danach erstmal wieder Singles und Features machen will.

War das mit der Skincare-Creme eigentlich sehr kompliziert?

Ja schon. Ich musste erstmal schauen, was ich mache und wie ich das mache. Ich kenne auch Leute, die bei solchen Brands arbeiten und ich wusste, dass es dann Fabriken gibt, die das herstellen, aber wenn man das von denen beziehen will, muss man krass hohe Stückzahlen bestellen, was ich mir als kleiner Artist halt null leisten kann. Deshalb musste ich mir eine Brand suchen, mit der ich zusammen arbeiten kann. Es musste auch möglich sein, dass ich es in einem eigenen Design mache. Ein Glasbehältnis war mir z.B. auch wichtig. Im Endeffekt hat es sehr lange gedauert, aber es hat sich gelohnt. Mir war auch wichtig, dass ich etwas mache, das sonst noch niemand gemacht hat und was zu mir passt.

Du hast ja wieder mit RIP Swirl produziert. Wie lief das eigentlich in der Corona-Zeit ab?

Wir haben tatsächlich fast alles noch vor Corona gemacht. Ich glaube im Januar 20 hatten wir das meiste schon fertig. Zu der Zeit war ich viel bei ihm. Dann kam Corona und ich wollte erstmal abwarten, was passiert. Es gab dann ein zwei Songs, mit denen ich noch nicht ganz zufrieden war, aber ich hab noch im ersten Lockdown eine EP gemacht, von der ich dann manche Songs besser fand, als Songs vom Album. Da konnte ich noch ein bisschen austauschen.

Wie kam es eigentlich, dass du es ohne Label machen wolltest?

Also ich war mit einem Label in Verhandlung, aber wir sind auf keinen Nenner gekommen. Ich hab auch diese Labelmeetings ein bisschen satt. Das ist oft immer das gleiche Gelaber. Und ich bin glücklicherweise mittlerweile gut vernetzt. Ich weiß fast immer, an wen ich mich wenden kann, wenn ich nicht weiter weiß. Es gibt viele Leute, die mich supporten, so dass ich es selbst machen kann. Aber mir macht diese Management- und Labelarbeit auch Spaß.

Wie kam es eigentlich zu der Zusammenarbeit mit BRKN?

Also kennengelernt habe ich ihn, weil ich Miriam Davoudvandis Podcast recorde und die Audioproduction mache. Ein paar Folgen haben wir in dem Studiokomplex aufgenommen, wo auch die Aboveground Sessions stattfinden. BRKN hat da sein Studio, deshalb sind wir uns da zwangsläufig mal über den Weg gelaufen. Dann haben wir uns zufällig im Bergmann-Kiez getroffen, ein bisschen abgehangen und uns gut verstanden.
Die Idee für den Song hatte ich schon sehr lange, wusste aber nicht genau, wie ich es umsetze. Dann hab ich ihn gefragt, ob er Lust darauf hat. Wir waren dann zwei Tage im Studio und Luca und ich haben hinterher nur noch ein bisschen was am Beat verändert.

Und was hast du sonst dieses Jahr noch vor? Ist ja alles schwer absehbar…

Ich hab ehrlich gesagt keine Ahnung und nehm mir möglichst wenig vor. Ich bin froh über das Album-Release und überlege mir, was man für coole Sachen machen kann, die irgendwie safe sind. Vor allem auf Instagram werden demnächst ein paar Sachen von mir kommen. Aber eine Tour planen werde ich erst, wenn es wieder absehbar ist.

Vielen Dank für das Interview!

Das Album „SY“ von Search Yiu ist ab sofort auf allen gängigen Plattformen erhältlich. 

Hier das Video zu „Spaß“ von Search Yiu:

Fotos: Andie Riekstina