Dreck im Pop – Pavelo & Schnell im Interview

Pavelos und Boris‘ musikalische Beziehung fängt weniger romantisch an: „Na, mit BoomBap läuft nicht so?“ sollte Boris auf einer Geburtstagsparty zu dem Berliner Produzenten gesagt haben. Pavelo hasste zu dem Zeitpunkt noch Gitarren. Boris ist Gitarrenbauer und Singer-Songwriter. Trotzdem haben sie gemeinsam als Pavelo&Schnell auf ihrem Debütalbum einen eigenen Sound hervorgebracht, der ein Konzept erahnen lässt: Irgendwo zwischen Neue Neue Deutsche Welle, Techno und Dystopie.

 

Euer Album ist ja geprägt von Dystopie und und diesem „Dreck“. Ihr sagt ja selber auch, ihr wärt der Dreck im Pop. Wie sah der Entwicklungsprozess eurer ersten gemeinsamen Platte aus?

Boris: Paul macht extrem viele Beats und wenn er mir das rüberschickt, dann habe ich in der Regel was darauf geschrieben, wenn mir das zugesagt hat. Ich hab mich eher von der Musik inspirieren lassen, als dass ich einen Text fertig habe und dann danach die passende Musik quasi baue oder zusammen suche. Also eigentlich steht am Anfang meist ja die Musik und wenn der Text vorher da ist, dann ist er wirklich eher auch in kleinen Fetzen, die ich vielleicht gerade aufschreibe oder ins Handy tippe. Es sind eher Gedanken und das bastel ich dann meistens zusammen.
Ich komponiere eigentlich sehr viel, aber das bringe ich dann auch nicht alles her. Die sind dann auch sehr Gitarrenlastig und ich mag’s sehr gerne das hier am Anfang meistens nen Beat steht oder ein Sample, woraus dann was entsteht. Dann kann ich auch Instrumentals dazu nehmen. Das ist quasi wie so ne Vorlage.

Das Album wurde ja in Mecklenburg Vorpommern aufgenommen. Textlich hatte ich das Gefühl ihr wolltet einfach so weit weg aus der dreckigen Hauptstadt wie nur möglich?

Boris: Also wenn es so um das Bild von nem Moloch geht oder gescheiterten Persönlichkeiten… das findet man in der kleinen Stadt wie in der Großstadt, als auch auf dem Dorf. Ich glaube, das beeinflusst meine Thematik, dass es so dystopisch ist. Man nicht so genau weiß, wohin und wie. Aber es war eher das Wahrnehmen, dass es vielen Leuten so geht. Ich kann von mir behaupten, ich habe noch nicht so viel rumgegammelt in meinem Leben, finde mich aber trotzdem oft in so einer Situation wieder, wo ich mir denke, macht das überhaupt Sinn? Bin ich hier richtig abgebogen?

Pavel: Aber trotzdem, ich glaube musikalisch war das voll viel Wert sich diese Zeit zu nehmen woanders Musik zu machen. Einfach, weil ich das auch voll kenne, wenn du dich einmal die Woche so wie hier im Studio [Berlin, Rummelsburg] triffst oder so, dann hast du mal nicht einen kreativen Tag und dann ist wieder nichts entstanden. Aber dadurch, dass es so gebündelt war, war es eine voll intensive Zeit. Wir haben jetzt auch nicht nur Musik zusammen gemacht die ganze Zeit, sondern auch viel Tischtennis gespielt oder Fernsehen gegafft oder gekocht. Die Tage waren eigentlich wirklich nicht voll von Musik, dafür die Nächte extrem viel. Da haben wir uns ja auch wirklich erst kennengelernt. Wir haben uns vorher gut verstanden, es war trotzdem auch ein bisschen riskant. Aber gut, wer nicht wagt, der nicht gewinnt.
Wir sind, glaube ich, beide mit dem was dabei rauskam am Ende voll happy und auch stolz drauf und wissen, dass das so hier in Berlin glaube ich nicht entstehen hätte können.

Könnt ihr euch noch daran zurückerinnern, mit was für einem Gefühl ihr Nachhause gefahren seid? Als dieses Albums fertig war?

Boris: Also ich fand es super spannend, weil die Zeit auf jeden Fall intensiv war. Wir sind uns auch auf den Sack gegangen, natürlich. Die Kompromissfindung, die nagt schon auch an einem, also beiderseits. Ich habe in den finalen Tagen, als da klar war: Okay, das liegt jetzt nur noch an mir, dass das nicht fertig wird wie an Hausaufgaben dran gesessen und habe aber auch gemerkt, dass es richtig gut funktioniert hat. Paul hat mich da schon noch mal rumgammeln sehen, weil ich mich generell so ein bisschen mit Veränderung schwer tue.
Wenn ich einmal Gefallen an was gefunden hab, dann macht Paul was damit, verändert das, eigentlich zum Guten…aber einfach nur durch den Fakt, dass es verändert ist und nicht mehr so, wie ich das quasi hingegeben hab… Das hat zeitweise an mir genagt und auch nach der Aufnahme-Phase war das noch präsent, wie ein Wermutstropfen.

„Es sind so viele intuitiven Sachen, die dann jetzt von außen so klingen, als wär es eine bewusste Entscheidung, aber das war es nicht.“

Woher kam der Wille so viele Genres auszuprobieren? Reine Neugierde?

Pavel: Ich glaube der Einfluss ist es. Wir haben uns jetzt nicht ran gesetzt und gesagt: Lass das mal ausprobieren. Es hatte oft einfach auch mit so Tempo Veränderungen zu tun. Also, wenn wir eine Skizze hatten und dann einfach nur schneller und langsamer gemacht und dann geguckt haben: das fühlt sich jetzt richtig an. Es war dann nur durch ein Gefühl das richtige Tempo. Es war keine bewusste Entscheidung zu sagen: wir müssen jetzt noch einen Trance Track machen. Der Track Pyroman war ursprünglich mal halb so schnell. Ich habe dann das Tempo einfach verdoppelt. Es sind so viele intuitiven Sachen, die dann jetzt von außen so klingen, als wär es eine bewusste Entscheidung, aber das war es nicht. Gleichzeitig hören wir einfach beide so viel unterschiedliche Musik und beschäftigen uns mit so viel Kram, dass es auch nicht so fern liegt, dass da jetzt so viel auf dem Album gelandet ist.

Ich bin zwar voll mit Hip-Hop aufgewachsen und habe das irgendwie so als Kind fast nur gehört, hab mich aber irgendwann auch für Tanzmusik interessiert. Ich hab Disco und Funk wahnsinnig viel gehört, selber aufgelegt und springe eigentlich so hin und her. Hätte auch voll Bock mal Punk zu machen.

Hattet ihr den Anspruch etwas Neues in die Musiklandschaft zu bringen?

Pavel: Also tatsächlich ist es ja voll das Genre-Hopping. Auf dem Album ist alles… fast alles drauf, außer Boom-Bap.
Klar, ist es wünschenswert, wenn irgendwie neue Sachen entstehen. Das war jetzt aber nicht der Anspruch, mit dem wir rangegangen sind, sondern viel mehr glaube ich, aus einem sehr vielseitigen Interesse entstanden, dass wir uns einfach für super viele Genres, schon immer auch begeistern konnten.
Es war einfach viel ausprobieren und am Ende haben wir gemerkt, es sind zwar einzelne Tracks, aber irgendwie gibt es trotzdem einen Rahmen, der sich so über das Album zieht.

Boris: Und ich fand es für mich auch attraktiv, mit einer neuen Person zusammen zu arbeiten. Ich wusste, dass das was wird, was nicht ähnlich wird zu dem, was ich vorher gemacht habe oder so. Mir war klar, dass von Paul viele Impulse kommen werden, die dazu führen, dass ich etwas mache, was mich auch aus meiner Komfortzone bringt, wenn ich überhaupt schon ne Komfortzone hatte. Aber, dass das mich auch in eine Richtung schiebt, die ich vorher noch nicht erkundet habe.

 

„Mir war klar, dass von Paul viele Impulse kommen werden, die dazu führen, dass ich etwas mache, was mich auch aus meiner Komfortzone bringt, wenn ich überhaupt schon ne Komfortzone hatte.“

 

Hast du bestimmte Momente, wo du merkt, dass du aus deiner Komfortzone rauskommst?

Boris: Ich würde das eher so ganz allgemein halten, weil einfach diese Zusammenarbeit und auch das zusammen produzieren…Da kommen, also zumindest mal 50 % von Paul und das ist einfach auch schon mal ein Einstellen auf einen anderen Künstler, der genauso den Anspruch hat, was dazu zu geben. Eigentlich ist das schon aus der Komfortzone. Ich hab halt eigentlich immer Musik gemacht oder geschrieben für mich alleine eigentlich. Und das war jetzt auch noch mit hoch angesetzten Anspruch einfach, dass das was wird und auch ein Ziel hat, ein Album zu werden, auf Albumlänge auch hörbar zu sein.

Pavel: Mich hat das auch voll aus meiner Komfortzone rausgeholt mit dir zu arbeiten. Ich hab vorher viele Beats gemacht und da ist es oft so: der Einfachste is der Beste, ziehst den Loop auf und der Track ist fertig. Und dann kann jemand drüber rappen und es kommt eigentlich der Inhalt über den Text. Jetzt war es schon so, dadurch, dass die Sprache viel reduzierter ist und viel weniger Vocals da sind, muss einfach mehr über’s Arrangement kommen. Das hat mich auf jeden Fall voll dazu gebracht, neu über Musik und meine Musik auch nachzudenken. Das neu aufzuziehen und komplexer zu gestalten. Ich habe daraus übelst viel gelernt. Ich habe dadurch auch genau so viel Bock, einfach nur wieder Beats zu machen.

Was hast du denn dazu gelernt?

Pavel: Naja, Tracks arrangieren. Also, was vorher einfach nur so der vier Takte/acht Takte Loop war, haben wir auf der Platte jetzt schon versucht, teilweise mit Tracks die fünf Minuten lang sind, Abwechslung reinzubringen. Sounddesign mäßig habe ich halt so über Corona auch erst angefangen selber Sounds zu gestalten. Vorher war alles über Sampling, also aus vorhandener Musik, die zu zerpflücken und neue Musik draus zu machen. Und jetzt hab ich, weil ich einfach die Zeit hatte, während Corona angefangen Synthesizer zu bauen, also ja selber auch Sounddesign beizubringen. Und diese ganzen ersten Gehversuche damit, die hört man jetzt eigentlich auf dieser Platte.

 

„Gang Vier“ von Pavelo & Schnell gibt’s hier: