Urban Homes – Jams

Ein Pool voller Schampus: Im zweiten Album der Kölner kann man sich suhlen und lernt nebenbei noch was über die Geschichte der Tanzmusik.

Ich kenne mich zu wenig mit der Geschichte der Tanzmusik aus, um Urban Homes wirklich zu verstehen. Viel von dem, was auf Jams passiert, dem zweiten Album des Kölner Trios, klingt für mich nach bewusstem, aber undurchschaubarem Rühren in der 80s/90s-Suppe. Oliver Bersin, Benjamin Riedl und Stephan Weinand wagen den Blick in den musikhistorischen Rückspiegel und lassen sich von dem, was sie sehen bei ihren elektronisch-analogen Jamsessions leiten. Dass das meinen Blicken verwehrt bleibt, heißt nicht, dass ich das nicht genießen kann.

Jams könnte kölscher kaum sein. Aufgenommen wurde das Album im inzwischen geschlossenen klubgenau, in dem auch der Erstling Centres das Licht der Welt erblickte. Neben den drei Protagonisten ist auf drei Tracks auch Hanitra Wagner von den Oracles und der Heiterkeit zu hören. Am Mischpult saß Jan Philipp Janzen, dessen Stuhl sonst hinter dem Schlagzeug der Kölner Krautköpfe Von Spar steht. Coma und Roosevelt (Stichwort Bassline) sind klangverwandt. Warum die Spex da das Verblassen des Kölner Sounds beklagt, das versteh wer kann.

Zwischen Roosevelt-Funk und den knalligen Electrodrums der allerersten House Tracks horcht man auf die Nostalgie, aber obwohl das Trio die Inspiration in der Vergangenheit sucht, ist sie dort nicht gefangen. Die Arbeit, die in der Verfeinerung des Sounds stecken muss steht den titelgebenden Jams, auf denen die Songs basieren, diametral gegenüber. „Dicht“ ist vielleicht das Adjektiv, das Jams am besten beschreibt. „Summer Rolls (Midnight Munchies Jam)“ zum Beispiel schichtet Spur auf Spur, mit dem Track allein kann man sich schon einen ganzen Tag lang beschäftigen.


„Electro ist kein Genre!“ Jams ist vielleicht das erste Album, das diese Bezeichnung legitimiert.

Den „Sex Jam“ hätten Jamie xx und Todd Terje zusammen nicht besser hingekriegt. „Diggin‘ Deep (Love Jam)“ erinnert durch die einfache Keyboardmelodie an Videospiele; der Beat, die Ambient-mäßigen Synthflächen am Ende des Songs und das sich wiederholende „ah ba-baby“ rufen aber gleichzeitig Assoziationen mit einer ganz bestimmten Art Musik aus den frühen 90ern hervor. Der nachfolgende Jam, „Rhythm Lovers (Je t’aime Jam)“, katapultiert einen dann mit Percussion und Trillerpfeife nach Ibiza. Wenn man schließlich beim „Final Jam“ angelangt ist, der mit Urwaldgeräuschen und frei schwebender Gitarre ausklingt, fühlt man sich von Genrebegrenzungen regelrecht gereinigt.

Obwohl es im ersten Moment wie eine zu lange Compilation von zu langen Dance Songs wirkt, die man nie im Leben am Stück hören kann, ist Jams ein echter Grower. Nach ein paar Durchgängen macht es klick und man suhlt sich in den fließenden Stücken wie in einem Pool voller Schampus, irgendwie edel und ein bisschen benommen. Das ist nicht zuletzt der unglaublichen Detailarbeit an den Sounds zu verdanken: Unabhängig vom Songwriting und den Genrereferenzen klingt das Album einfach sehr gut.

„Electro ist kein Genre!“ ist eine häufige (und begründete) Beschwerde derer, die sich mit der Materie auskennen. Genau wie es keine Band gibt, die einfach nur „Rock“ macht, kann man jede elektronische Musik einem Subgenre zuordnen. Jams ist vielleicht das erste Album, das die schlichte Bezeichnung „Electro“ verdient und legitimiert. Die Anhaltspunkte sind zu zahlreich, es wäre deshalb unfair, Urban Homes auf ein Subgenre zu reduzieren – nicht einmal Dance, denn Jams bietet Vergnügen nicht nur beim Tanzen, sondern auch beim einfachen Hören. Und wenn Musik das ermöglicht, muss man sie gar nicht wirklich verstehen.

Beste Songs: Summer Rolls (Midnight Munchies Jam), Sex Jam, Surreal Thing (Space Jam)

VÖ: 18/11 // Altin Village & Mine

„Tropical Jam“:

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