Das uralte Bedürfnis zu tanzen: Das zweite Album von Ogoya Nengo spricht mit Gesang und Rhythmus eine universelle Sprache
Anastasia Oluoch wurde Dodosängerin, da war sie gerade einmal 13 Jahre alt und ihre Heimat Kenia noch eine britische Kolonie. Mit über 70 singt sie immer noch und hat für ihre außergewöhnliche Stimme den Beinamen Ogoya Nengo, „die Kostbare“, bekommen. Unter diesem Namen bringt die Sängerin des nilotischen Luo-Stammes jeden, der ihre Musik zu hören bekommt, zum Staunen und zum Tanzen. Das waren bis vor ein paar Jahren allerdings nur diejenigen, die in die Region um Oluochs Geburtsstadt Magoya kamen und Ogoya Nengo und ihre Dodo Women’s Group live sahen.
2013 suchte dann Tabu Osusa von Ketebul Music zusammen mit den Musikern Sven Kacirek und Stefan Schneider die Sängerin in Rang’ala für eine Aufnahmesession auf. Das Resultat Rang’ala machte Ogoya Nengo and the Dodo Women’s Group einem breiteren Publikum bekannt. Die Europatour im Mai ist bereits ihre dritte und begeistert immer mehr Menschen für ihre natürlich tanzbare Folklore. Mit On Mande erscheint nun Oluochs zweites Album auf Schneiders neuem Label TAL.
Wer von On Mande die mit billigen Synthesizern und 80er Jahre Drumcomputern ausgestattenen Songs der bekannteren Releases von Awesome Tapes from Africa erwartet, wird seine Erwartungen erstmal zurückschrauben müssen. Das Album beginnt mit von Instrumenten ungestörtem Gesang auf „Wololo Josiaya“, erst nach und nach kommen akustische Gitarre, Asili-Flöte, Nyatiti – die Laute der Luo – und die anderen Sängerinnen dazu. Von Anfang an macht Ogoya Nengo jedoch zwei Dinge deutlich: Die menschliche Stimme ist das dehnbarste und, zumindest bei Sängerinnen wie Oluoch, nuancierteste aller Instrumente; und am Anfang jeder Musik, wie auch (offensichtlich!) jedes Tanzes, steht der Rhythmus.
„Bunde Kod Asili“ besteht nur aus einem repetitiven Rhythmus, über dem die Asili improvisiert. „Thoo Manonega“ lässt Oluochs Stimme über einem Trommelkreis tänzeln. Auf „Owano Ojwang“ begegnet uns erstaunlicherweise ein männlicher Gesang – der berichtende und kommentierende Gesang der als Dodo bekannten Gesangstradition ist normalerweise ausschließlich Sängerinnen vorbehalten. Ihn umgeben nervöse Klänge, mit knapp sechs Minuten ist der Song für westliche Hörgewohnheiten die größte Herausforderung. „Owano Ojwang“ steht außerdem in starkem Kontrast mit den ansonsten warmen Liedern, die ein Gemeinschaftsgefühl nicht unähnlich dem von (westlicher, östlicher, südlicher – wen schert’s?) Lagerfeuermusik wecken.
Zwischen den auf einfachen Rhythmen und Melodien basierenden Stücke, von denen „Jawend Peke“ und der quasi-Titeltrack „On Monday“ die heitersten sind, finden sich auch rein gesangliche Schönheiten wie „Chur“ und „Wend Peke“. Was einem zu Beginn fremd erscheint – die Frugalität der Stücke, die meist nur aus einem oder zwei Elementen bestehen – wird nach und nach selbstverständlich. Wie hat man auch nur einen Moment denken können, der Gesang der Luo und sein inhärenter Rhythmus würden nicht auf die gleiche Weise wie jede andere Musik das uralte Bedürfnis befriedigen, seinen Körper im Takt zu bewegen? Hat man ihre Musik einmal entdeckt, ist Ogoya Nengo aus dem Alltag nicht mehr wegzudenken.
Beste Songs: Jawend Peke, Ortutu Kod Asili, Bunde Kod Asili
VÖ: 06/05 // TAL