Frühlingsfest der Krautmusik, oder: Wie ein Schweizer Duo mit Disco, Funk und Orgel die deutsche Sprache wieder salonfähig macht
Wenn es um aktuelle deutschsprachige Bands geht, die nicht Tocotronic oder AnnenMayKantereit sind, dreht sich das Gespräch immer seltener um die BRD und immer häufiger um ihre Nachbarländer. Wegen Bilderbuch, Wanda und dem Nino aus Wien wird dabei doch glatt die Schweiz übersehen. Der beste Exportschlager aus dem Land des Käsefondue sind Klaus Johann Grobe, ein Duo, das der deutschen Sprache neben Maurices Sexappeal und Marcos rauer Natürlichkeit wieder etwas verleiht, was sie nach Ansicht der restlichen Welt vermisst: eine eigensinnige, poetische Art von Humor. Nach dem perfekt betitelten Debüt Im Sinne der Zeit düsen Daniel Bachmann und Sevi Landolt mit ihrem zweiten Album Spagat der Liebe, das dieser Tage erscheint, zurück auf die breite Autobahn der deutschsprachigen Popmusik.
Bereits beim Opener „Ein guter Tag“ merkt man, dass das Duo rhythmisch einfallsreicher geworden ist. Während bei einem Großteil von Im Sinne der Zeit der Orgelsound den Ton angab, ruhen (bzw. eben nicht) die neuen Songs auf dem perfekt sitzenden Zusammenspiel von Bass und Schlagzeug. Der Synthesizer sorgt stattdessen oftmals für Klangflächen wie aus „Any Colour You Like“, was dazu führt, dass Spagat der Liebe gleichzeitig abgehobener und tanzbarer daher kommt als das Debüt oder selbst die erste EP. Was nicht heißen soll, dass die Lieder ohne die Synths oder den Gesang existieren könnten. „Rosen des Abschieds“ lebt vom treibenden Rhythmus, aber die dem Duo anhaftende malerische Fantasie erhält der Song durch die Prog Rock Melodie und das verträumt lächelnd gesungene „bye bye“.
Klaus Johann Grobe werden, aufgrund der deutschen Texte und aus analytischer oder schreiberischer Faulheit, oft einfach als Krautpop bezeichnet. Das Gespür für bewegte, ‚motorische‘ Musik, das die ursprünglichen Krautbands Neu!, Can und auch Kraftwerk über die Sprache hinaus geeint hat, findet sich tatsächlich auch in der Musik der beiden Schweizer wieder. Allerdings im Gewand von analog-spacigem Synthpop und mit deutlichen Einflüssen von Disco und melodischem Prog Rock à la Camel und Anekdoten. Letzterer geht so weit, dass „Liebe am Strand“ sogar mit einem Querflötensolo gekrönt wird. Zusammen mit den ulkigen Texten ergibt die zur Bewegung fast schon zwingende Musik eine eigenartige Gleichung: In den Händen von Klaus Johann Grobe wird der Begriff ‚Kraut‘ zum tagträumerischen, kauzigen Bruder von Funk.
Das letzte Lied auf Spagat der Liebe heißt passenderweise nur „Gedicht“. Die deutsche Sprache, das hat man leider vergessen, besitzt poetisches Potential. Klaus Johann Grobe haben es wiederentdeckt und erhöhen dadurch ihre ohnehin schon bezaubernde Musik zu Pflichtlektüre in Sachen ‚Krautpop‘. „Wieder singen, wie damals“ ist ihr Motto, denn „auf der Seite des Niemands / hat’s immer ganz viel Platz.“ Es klingt, als sei die deutsche Sprache jener Niemand, dem Klaus Johann Grobe wieder Ansehen verleihen wollen – womit sie trotz aller musikalischen Unterschiede den gleichen Weg gehen wie Bilderbuch und Wanda. „Pure Fantasie“ ist Schlager, nicht weniger als zum Beispiel „Auseinandergehen ist schwer“. Das Bild der glücklich im Takt taumelnden Menschen aus „Geschichten aus erster Hand“ greift jenes wieder auf, das Im Sinne der Zeit aus- und so unwiderstehlich gemacht hat. Deutschland, Österreich und die Schweiz entdecken mit den Diskotheken auch ihre eigene Sprache wieder. Nichts da Let’s Dance, nein – „Come on, baby, wir geh’n tanzen.“
Beste Songs: Wo Sind, Liebe am Strand, Gedicht
VÖ: 06/05 // Cargo Records
„Geschichten aus erster Hand“: