„Ich möchte dir von meiner Lieblingsinsel erzählen“: Ariel Tintars ekstatische, Freiheit versprechende erste EP
Gut Ding will Weile haben. Der aus Martinique stammende Franzose Ariel Tintar arbeitet schon seit anderthalb Jahren an seinem Debüt, am Freitag ist es dann endlich soweit: Mwen menti ist der Titel der ersten EP seiner Band Ariel Ariel. Die lange Schwangerschaft hat dazu geführt, dass die EP professioneller klingt, als man das von einer digitalen Selbstveröffentlichung erwarten würde. Was vor allem daran liegt, dass Ariel Ariel kein Ein-Mann-Projekt ist, sondern eine organisch klingende Band, die das „Electronic“ Hashtag auf der Soundcloud Seite Lügen straft.
Die EP beginnt mit „Comme toi“, dem ältesten und bisher einzigen veröffentlichten Song. Zu sagen, dass das Lied gute Laune verursacht, wäre untertrieben. Man will rausgehen, die Sonne genießen, Bäume ausreißen, Pferde stehlen und sich beim Tanzen auspowern. Die Snare Rolls und die elektronisch orientierte Produktion halten den Song interessant, in der zweiten Hälfte verleiht ihm der verwaschene Gesang einen Hauch von Chillwave. Der Gesang verklingt, eine Kurze Pause, dann der Aufprall – „Comme toi“ ist eine der raren Instanzen, in denen Vergleiche mit U2 oder Coldplay nicht weh tun. Der Opener ist das beste MDMA-Surrogat seit Lonerism.
Im Anschluss dient der vor sich hin plätschernde Titelsong – „Ich habe gelogen“ auf Kreolisch – zum Runterkommen, wirkt allerdings etwas blass. Man wartet noch auf einen Ausbruch, aber Tintar verliert sich in Noisegewäsch und Klaviergeklimper. „Mon île“ nimmt dagegen wieder Fahrt auf und entschädigt einen für das antiklimaktische „Mwen menti“ mit sorglosem Gesang über unruhigem Bass. Auch dieser Song endet in state of the art Echowellen à la Washed Out, lässt einen aber deutlich zufriedener zurück als der Titeltrack.
Mit „Odessa“ und „Condition féminine“ enthält die zweite Hälfte zwei starke Songs, die das Gefühl von Freiheit nochmal verstärken. „Odessa“ besteht aus einem einfachen aufsteigenden Gitarrenriff, das wunderbar mit den gehauchten Lead Vocals von Blandine Millepied kontrastiert und sich bis zur Ekstase steigert. „Condition féminine“ ist der einzige englischsprachige Song. Mit seinem lockeren, von Afrobeat beeinflussten Indie Pop Rhythmus und dem ungehemmten Gesang kann man ihn eigentlich nur als „zeitgenössisch“ bezeichnen. Das ruhige „Souviens toi“ funktioniert gut als Outro, verdeutlicht aber noch einmal, dass Ariel Ariel da am besten sind, wo sie am ehesten wie eine konventionelle Rockband klingen.
Als EP ist Mwen menti perfekt sequenziert: Nach dem unschlagbaren Opener erhält der Titeltrack an zweiter Stelle die Aufmerksamkeit, die er an anderer Stelle wahrscheinlich nicht bekommen würde; nach der ekstatischen Dreiercombo „Mon île“-„Odessa“-„Condition féminine“ bietet das Klavieroutro die nötige Entspannung. Das Wort, das die Songs selbst am besten beschreibt, ist „arenatauglich“ – und da liegt gleichzeitig das Problem von Mwen menti. Vor allem „Comme toi“, „Mon île“ und „Odessa“ fehlt es in den Studioversionen an Luft zum Atmen. Tintar und Millepied versuchen, dem mit Hall entgegenzuwirken, und das klappt auch fast. Am Ende will man die Lieder aber doch auf einer Open-Air-Bühne erleben und nicht einfach nur hören. Als erste EP ist Mwen menti aber nicht nur unglaublich gut gemacht – sie macht einen auch schlicht und einfach unglaublich fröhlich.
Beste Songs: Comme toi, Condition féminine, Odessa
VÖ: 06/05 // self-released
„Comme toi“: