Holly Humberstone ist eine der aufstrebendsten und spannendsten Newcomerinnen aus dem Vereinigten Königreich. Ihre kürzlich veröffentliche EP „Falling Asleep At The Wheel“ zeigt, wie brutal professionell ihr dunkler Pop-Sound mit ihren 20 Jahren bereits klingt. Grund genug für uns, Holly Humberstone zehn Fragen zu stellen.
Insbesondere die gleichnamige Single zur EP geht durch die Decke. „Falling Asleep At The Wheel“ ist ein sehr eingängiger Popsong, der auf Spotify bereits über acht Millionen Plays vorweisen kann. Und obwohl der Song durchaus radiotauglich ist, ist er gleichzeitig keineswegs belanglos. Das gilt für die gesamte EP. Völlig zurecht wird ihr moderner Pop-Sound mit Künstlerinnen und Bands wie Phoebe Bridgers, Lorde, Haim oder Billie Eilish verglichen. Sie verbindet dunkle Synths mit kleinen, charmanten Songfrickeleien und ihrer sanften und warmen Stimme. Holly Humberstone trägt dick auf, ohne zu sehr über die Stränge zu schlagen. Was sie mit ihrer Stimme anstellen kann, wird besonders in den Songs „Deep End“ (auf der EP) und ihrem Radiohead-Cover zu „Fake Plastic Trees“ deutlich.
Dieses Potenzial hat auch der schottische Musiker Lewis Capaldi gesehen, als er die Britin Anfang des Jahres als Voract mit auf seine Tour nahm. Dass sie es live drauf hat, beweist zudem eine Performance für die US-amerikanische Show „Jimmy Kimmel Live!“. Für unser Format 10/10 hat sie uns Fragen u.a. zu ihrer Rolle in der Musikwelt und zu ihrem Songwriting beantwortet.
1/10 Welche Themen beschäftigen dich und haben dabei direkten Einfluss auf die Musik?
Ich mag es über verschiedene Arten von Beziehungen zu schreiben oder generell über Zeug, das in meinem Leben passiert. Schreiben ist für mich eine gute Therapie, um Emotionen zu verarbeiten und festzustellen, wie genau ich über verschiedene Dinge denke.
2/10 Welches Release würdest du einer Person vorstellen, die dich noch nicht kennt?
Ich würde wahrscheinlich meinen Debütsong „Deep End“ vorspielen. Es ist tatsächlich auch der persönlichste Song auf meiner EP, weil er über meine Schwestern und psychische Gesundheit handelt. Das aufzuarbeiten und mich damit auseinanderzusetzen war ehrlich gesagt sehr schmerzhaft für mich. Ich bin generell sehr ehrlich beim Schreiben, aber denke, dass ich mich in Deep End am verletzlichsten zeige.
3/10 Wie entsteht deine Musik?
Songs entstehen bei mir oft auf unterschiedlichen Wegen. Manchmal mache ich nur Notizen auf meinem Handy mit kleinen Sätzen oder Wörtern, die ich für sehr interessant oder cool halte. Anschließend beziehe ich sie dann z.B. auf eine Situation, die ich durchlebe und dann kann das Schreiben beginnen. In anderen Fällen fällt das Songschreiben aber noch leichter und zwar wenn es wirklich etwas ist, das mich sehr belastet. Ich glaube, dass es sehr wichtig ist, sich beim Songwriting sicher und wohl zu fühlen, alleine oder von Freunden umgeben zu sein, denen ich vertrauen kann.
4/10 Wie würdest du deine Rolle in der Musik beschreiben?
Ich versuche ehrlich gesagt aktuell noch, das herauszufinden. Ich versuche einfach Zeug zu schreiben, das ich liebe und im Moment sehr gerne selbst höre. Aber wer weiß schon, wie mein Sound in ein paar Monaten oder Jahren klingt? Im Moment würde ich jedoch sagen, dass ich authentischen Pop mit dunklen, weirden und teils unkonventionellen Wendungen mache.
5/10 Stehen Musik und Ästhetik für dich in einem Zusammenhang?
Ja, definitiv, ich glaube Ästhetik ist sogar ein großer Teil der Musik. Einige Künstler*innen, die ich mag, zum Beispiel Bon Iver, Phoebe Bridgers oder Lana Del Rey, haben alle eine sehr starke und individuelle Identität. Ich habe das Gefühl, dass sie ihre eigene kleine Welt kreiert haben. Es fühlt sich so an, als kenne man diese Menschen persönlich, obwohl ich sie noch nie getroffen habe. Und genau das ist sehr wichtig.
6/10 Welchen Stellenwert hat das Thema Digitalisierung für deine Musik?
Ich glaube die Digitalisierung ist sehr wichtig. Das Visuelle in Videos beispielsweise sagt eine Menge aus. Ich möchte, dass meine Videos auch ohne Musik genauso viel Wirkung haben wie mit Musik. Ich möchte insgesamt, dass sie den Vibe des Songs reflektieren und mit dem, was ich sage, quasi übereinstimmen.
7/10 Welche Jahre in der Musikgeschichte waren für dich am prägendsten?
Die Musik aus den 80ern hat mich wahrscheinlich am meisten beeinflusst. Als die Musik begann elektronischer zu klingen, Synths benutzt wurden und generell mehr digitale Elemente einflossen – das ist so der Zeitpunkt, ab dem Songs für mich sehr interessant klingen. Da gibt es natürlich eine Menge außergewöhnlicher KünstlerInnen da draußen, aber wenn ich meinen absoluten Lieblingsmusiker nennen müsste, wäre das Prince. Ich kann mich noch ganz genau daran erinnern, „Kiss“ zum allerersten Mal auf einer „Now that’s what I call music“-CD gehört zu haben. Das war im Etagenbett mit meiner Schwester Eleri und ich weiß noch, dass ich es für das komischste, aber gleichzeitig auch das beste gehalten haben, das ich jemals gehört habe.
8/10 Was ist deine größte Eigenart?
Vielleicht, dass ich sehr schnell gestresst bin? Ich bin wirklich immer besorgt oder gestresst auch durch kleine und unwichtige Dinge. Dadurch ist es für mich wirklich schwer, mich zu beruhigen und zu entspannen.
9/10 Was ist der beste Self-Care Rat, den du geben kannst?
Wahrscheinlich gutes Essen. Ich bin wesentlich besser drauf, wenn ich leckeres Zeug esse. Natürlich muss man auch etwas auf seine Gesundheit und ein Gleichgewicht achten, aber man sollte sich auch nicht schuldig fühlen, wenn man sich mal etwas gönnt. Sorgt also dafür, dass ihr euren Kühlschrank mit Dingen füllt, auf die ihr euch freut. Für mich persönlich funktioniert alles mit Kartoffeln, das ist für mich einfach ultimativer Komfort haha.
10/10 Willst du noch etwas loswerden?
Eigentlich nicht viel. Ich hoffe aber, dass ihr gut und entspannt durch diese komische und angsteinflößende Zeit kommt. Liebe geht raus an all diejenigen, die sie gerade besonders gebrauchen können!