Wie bei ihren vorherigen Singles besticht Melis mit „Sober (Over You)“ abermals mit viel persönliche Tiefe und Ehrlichkeit.
Singles wie „Love Song Idea“ oder „Flower“ von Melis haben bereits einen ersten Eindruck der schönen Zerbrechlichkeit ihrer Musik geliefert. Mit „Sober (Over You)“ geht sie diesen eingeschlagenen Weg nun entschlossen weiter und bietet einen Mix aus gängigem Pop und persönlichem Bedroom-Lo-Fi-Songwriting.
Die in Tschechien geborene Halbtürkin bedient sich in Genres wie Folk, Future-Pop und Electronica, stellt aber immer das Insichgekehrte in den Vordergrund. Als Part von IYES hat sie sich im Pop ausleben können und schlägt jetzt introvertiertere Töne an. „Sober (Over You)“ verliert trotz der 80s Drums und der Electronica-Elemente in keinen Augenblick seiner Schönheit. Im November ist Melis erstmals live als Support von SOHN in Deutschland zu sehen.
Drei Powerduos und die Reinkarnation von Natas Loves You
Ein Jahr ist das letzte France With Benefits her. Ein Jahr hat es gedauert, bis sich Natas Loves You in Human Tongues verwandelt haben. Seit November 2016 machen drei der ehemaligen Mitglieder unter neuem Namen alte Musik. Zuerst aber drei Duos aus drei frankophonen Ländern, die angenehm abseits der heute angesagten Gitarrenmusik – versonnenscheinter Mac DeMarco Pop oder eiskalter Post-Punk – ihrem jeweiligen Gefrickel frönen.
Den Anfang machen La Jungle. Mathieu Flasse und Remy Venant stammen aus dem belgischen Mons (deutscher Name: Bergen) und brauchen für ihre Musik laut eigenen Angaben nur „sechs Saiten und vier Tonnen“. Klingt simpel, aber wenn uns Hella, Two Gallants und Royal Blood (ersetze Gitarre durch Bass) etwas gelehrt haben, dann dass so eine Besetzung ordentlich knallen kann.
Mons ist seit 1967 Sitz des SHAPE, des Hauptquartiers der NATO. Gleichzeitig war die knapp 100.000 Einwohner umfassende Stadt im frankophonen Teil Belgiens 2015 Kulturhauptstadt Europas. Die Musik von La Jungle klingt ähnlich schizophren, militärische Präzision und Gewalt führen zu vertracktem Math Rock und schließlich zu krautigen Trancezuständen.
La Jungle haben bereits zwei Alben auf dem Buckel, im April folgte eine Splitsingle mit der französischen Band Lysistrata. Die Paarung ist nur folgerichtig, das Trio aus Saintes ist die straight punkige Entsprechung zum verkopften Geknüppel der Belgier. Weitere Gemeinsamkeit: Beide Bands reißen live alles ab, oder wie es die Kollegen von Europavox beschreiben, „Booooom!“
Weniger heavy, aber nicht weniger interessant ist die Musik von Cosse. Das Pariser Duo besteht aus Nils Bö an Gitarre und Gesang und Arthur Vonfelt am Schlagzeug. Obwohl Letzterer live auch mal mitsingt, die bei so einem Line-up notwendigen Pads bedient oder sich eine zweite Gitarre schnappt. Die Band ist noch blutjung, bisher gibt es gerade einmal zwei Songs zu hören. Von i-D wurden Bö und Vonfelt jedoch schon in die Pariser „classe 2017“ aufgenommen, wo ihre Gitarrenmusik neben Sentimental Rave, Tshegue und Kodäma etwas einsam da steht.
Es ist aber nicht nur die Tatsache, dass sie unter all den elektronisch-tanzbaren Newcomern als Anomalie auftreten, die sie attraktiv macht. Wer Cosse einmal live sieht, dem fällt sofort das unerwartet jazzige Drumming Vonfelts auf. Die Songs entwickeln sich fließend und sind trotz regelmäßiger Ausflüge ins Nirvana (ba-dum tss!) oft ziemlich gefühlvoll.
Wenn man auf den Sound von Slint und Konsorten steht, wird man leicht Gefallen an Cosse finden. Das Duo schreibt gerade am Debüt, das aller Voraussicht nach im nächsten Jahr erscheinen wird. Wollen wir hoffen, dass wir bis dahin noch ein paar ihrer Songs entdecken dürfen.
Über dem Teich findet man Verwandtes. Während man bei Cosse jazzigere Slint raushört, bieten Le Havre außer einer leichten Ähnlichkeit mit Menomena (die Drums machen’s) nicht viel Vergleichspotential. Über originellen Schlagzeugrhythmen entfalten sich wahrhaft ungewöhnliche Klänge; der Track „Derniers miles“ gehört mit zum Weirdesten, was aus Kanada hierhergeschwappt ist. Und das schließt Grimes, Doldrums und Weird Al ein. Ein bisschen Jazz können sie auch, in „Copy Paste“ dräut ein Altosaxophon im Hintergrund bis zum Ausbruch im Solo.
Die beiden Montrealesen haben letztes Jahr ein erstes Album namens Trajectoires veröffentlicht, dem vier oder fünf EPs vorausgegangen waren. Bis auf zwei Liveversionen sind bis jetzt noch keine Albumauszüge mit Video versehen worden. Aber gut, man kann sich ja auch mal mit dem Kopfkino begnügen. Das funktioniert bei Le Havre ausgezeichnet, allein der außerirdische Klang der Gitarre tönt die Szenerie ihrer Songs in die schillernden Farben von Ölschlieren auf Beton.
Charles-David Dubé und Olivier Bernatchez schrecken auch nicht davor zurück, Hip-Hop Beats und Violine in ihren unklassifizierbaren Art Rock zu mischen, wie auf dem schönen „Rollablade“ mit Mon Doux Saigneur am Mikro. Die häufigen Harmoniewechsel lassen den Popappeal seltsamerweise unberührt. Und spätestens wenn auf dem Albumcloser „Ouragan“ Mehdi Cayenne seinen Quebecer Akzent erst entspannt, dann bewegt über die Textur des Songs setzt, will man nur noch nach Montreal und abschalten.
Zum Schluss noch ein Wort zu Human Tongues und heute angesagter Gitarrenmusik. Die Franzosen haben nämlich ihren alten Namen zugunsten eines weniger interessanten aufgegeben, sowie ihre alte Musik zugunsten ebenso alter, aber deutlich spannenderer. Als Natas Loves You klang das nach so vielen anderen französischen Indie Pop Bands, etwa Gush oder Lily Wood & the Prick. Zwei Jahre später schöpft die Band, die aus der Asche von Natas hervorgegangen ist, aus dem unerschöpflichen Pool an ’70s-Beatles-Reminiszenzen. Jetzt klingen sie wie Temples, Pond, Tame Impala.
Der (erste) Witz ist: Human Tongues machen allein durch ihre Auswahl an Einflüssen schon mehr Spaß. Das Songwriting ist nicht so originell wie zum Beispiel das von Biche, aber die Ausführung so gut gelungen, dass man über die Konzerte hinaus Lust auf die Musik hat. Bis jetzt gibt es nämlich nur eine Studioaufnahme, das gestern veröffentlichte „Fraud Syndrome“. Und in Songtitel und Bubba Ho-Tep-Video steckt der zweite Witz. Ihr mögt lachen, aber Human Tongues haben’s drauf.
Ein Essay über Soft Rock, Revivals und die Zeitlosigkeit von Pop.
Der folgende Artikel ist ein Vorabdruck aus dem Jubiläumsmagazin für das 10. Prêt à écouter Festival im Heidelberger Karlstorbahnhof. Zehn Jahre! Vor zehn Jahren habe ich gerade angefangen, mich mit Hilfe von Porcupine Tree, Björk und RJD2 von meiner ersten großen Musikliebe Metal wegzubewegen und anderen Spielarten gegenüber offen zu sein. (Dass ich mal einen Artikel über eine Popband wie TOPS schreiben würde, wäre mir damals nicht im Traum eingefallen.) Zu der Zeit war der Karlstorbahnhof schon länger ein Musterbeispiel für genreübergreifende Stilsicherheit, 2004 etwa hatten sich Stereolab und Four Tet eine Bühne geteilt.
Auf dem orangen Tourplakat standen damals vier Städte: Köln, Hamburg, Berlin… und Heidelberg. Drei Metropolen, in denen die internationalen Musikgrößen Halt machen, sowie das beschauliche Touristen- und Universitätsstädtchen, das außer seinem Status als Ursprungsort des deutschsprachigen Hip-Hop kaum nationale Relevanz in Sachen Musik hat. Diese einzigartige Aufzählung zu einer regelmäßigen zu machen ist seit 2007 das Verdienst der Veranstaltungsreihe Prêt à écouter.
Wo im Laufe der letzten Jahre the Faint, BLK JKS, Menomena, John Maus und Rangleklods standen, werden die Besucher dieses Jahr unter anderen die israelische Künstlerin Noga Erez, Jakuzi aus der Türkei und Jamie Stewart’s Xiu Xiu erleben dürfen. Ich hatte das Vergnügen, für die Festivalzeitschrift einen Artikel über die Kanadier von TOPS beisteuern zu dürfen. Ein Essay über die neue Soft Rock Szene und, zwischen den Zeilen, ein Liebesbrief an den Karlstorbahnhof und das Prêt à écouter. Auf die nächsten zehn Jahre!
Wann genau das alles angefangen hat, ist wie so oft nicht ganz klar. Ariel Pink’s „Round and Round“ hat den Soft Rock Sound 2010 wieder ins kollektive Bewusstsein gerufen, seitdem haben Bands wie Metronomy, Poolside und Toro y Moi nachgelegt. Der kanadische Musiker Sean Nicholas Savage experimentierte jedoch schon ein paar Jahre zuvor mit seichten Melodien über locker-leichten Beats, als befänden wir uns schon wieder im Jahre 1976. In dem Jahr veröffentlichten nämlich Fleetwood Mac mit „Rhiannon“, „Say You Love Me“ und „Go Your Own Way“ drei Songs, die den kurzen Siegeszug von Soft Rock einläuteten. Das Album Rumours, das im darauffolgenden Jahr erschien, ist heute eines der meistverkauften Alben und ein Musterbeispiel für ein Genre, das am Ende jenes Jahrzehnts bereits überholt klang.
Da sich Musikgeschichte durch Revivals und Neuauflagen aus der Mode gekommener Spielarten – so etwa Neo Soul und Nu Disco – am Leben hält, war es nur eine Frage der Zeit, bis auch „the Mac“, Toto und Lionel Richie wieder Eingang in die Popkultur finden. Warum gerade am Anfang dieses Jahrzehnts? Vielleicht ist der gefühlvolle „soft sound“, der heute oft in Verbindung mit Elementen aus R&B, Funk und Soul daherkommt, als Gegenbewegung zu den aggressiven und vorrangig weiß-und-männlichen Stilrichtungen EDM und Brostep zu verstehen.
Die Neue Milde als Gegenkultur zu bezeichnen, hieße einer ästhetischen Trotzreaktion zu viel politische Wirkmacht verleihen. Woran TOPS stattdessen arbeiten, ist die Perfektion des Popsongs im klanglichen Gewand von Soft Rock. Die vier Kanadier haben sich 2012 in die Riege der Revivalisten eingereiht, seit dem Debüt Tender Opposites sind zwei weitere Alben dazugekommen. Die beiden Hauptsongwriter Jane Penny und David Carriere haben früher mit Savage in einer Band gespielt, was ihre Bereitschaft erklärt, mit ihrer Musik in kitschiges Territorium vorzustoßen, um von dort verlorene Juwelen zu bergen.
Was Revivals im besten Fall aufzeigen, ist die Zeitlosigkeit von Musik.
TOPS haben ihre eigene Herangehensweise an Soft Rock. Bei ihnen ist er zuckersüß und verträumt, minimalistischer als der ihrer Kollegen. Jane Pennys Stimme und das, was sie damit anstellt, tragen dabei zur Einzigartigkeit des Quartetts bei. Die Sängerin, die auch die Keyboards bedient, schwankt zwischen kindlicher Sorglosigkeit und gehauchter Laszivität. Auf dem neuen Album Sugar at the Gate klingen sogar vereinzelt My Bloody Valentine durch, eine Band, die zwischen rauschenden Gitarren und Feedbackgewittern auch nach dem perfekten Popsong gesucht hat.
Anders als die Shoegazer der Neunziger, deren Musik sich seit ein paar Jahren durch unzählige Reunions der Kultbands von damals ebenfalls neuer Beliebtheit erfreut, tragen TOPS auf der Bühne ihre Begeisterung nach außen. Carriere springt Gitarre spielend zwischen seinen Mitmusikern umher, während Penny bis über beide Ohren grinst. Man merkt, dass die Band mindestens genauso viel Spaß an ihrer Musik hat wie das Publikum, wenn nicht sogar mehr.
Was Revivals im besten Fall aufzeigen, ist die Zeitlosigkeit von Musik. Man kann TOPS mit so unterschiedlichen Leuten wie Chaz Bundick, Frankie Rose, Mac DeMarco und Joseph Mount in einen Topf schmeißen und in groben Lettern „Soft Rock“ drauf schreiben. Dann erfinden sie das Rad eben nicht neu, und wenn schon! Wenn das Aufwärmen eines erkalteten Stils so viel gute, neue, originelle Musik zur Folge hat, kann man sich beim besten Willen nicht ins „Früher war alles besser“ flüchten.
Das 10. Prêt à écouter Festival findet vom 16.11. bis zum 1.12. in Heidelberg statt. Das komplette Programm findet ihr auf der Seite des Karlstorbahnhofs.
Noah Slee sollte man auf jeden Fall in nächster Zeit auf dem Radar behalten, denn mit seiner Debütsingle „Radar“ sorgte der Wahlberliner die vergangenen Wochen im Netz schon für Aufruhr.
Die von House inspirierte Dance-Hymne „Radar“ klingt so global wie der Künstler Noah Slee selbst. In Tongo geboren, aufgewachsen in New Zealand und aktuell wohnhaft in Berlin fließen alle Erfahrungen und gesammelten Einflüsse in die Songs von Slee. Musikalisch orientiert sich der Musiker an Bob Marley, Thom Yorek, Fela Kuti und Billi Holiday. Die Reichweite dieser Inspirationsquelle hört man vor allem auf Slees Album „Otherland“, dass Ende vergangenen Monats via Majestic Casual Records erschienen ist.
Für die Debütsingle „Radar“ gibt es jetzt auch endlich ein Video, das visuell fast eine Rückkehr zu den Wurzeln des Sängers veranschaulicht. So zeigt der Clip Ausschnitte von Tonga, West Auckland sowie auch Plätze in Australien. Daneben ist der Track laut dem Sänger auch eine Homage an jeden talentierten Musiker, der auf seinem Weg stecken bleibt und sollte anfangs auch eine leise Akustik-Nummer auf der Gitarre werden. Zum Glück gewann „Radar“ noch an Uptempo, so dass aus dem Track eine elektronisch-soulige Tanznummer wurde.
Das Debütalbum „Otherland“ ist seit dem 25. August erhältlich. Während seine letzte EP zusammen mit dem Berliner Produzententeam KitschKrieg entstand, wurde „Otherland“ vollständig von Multiinstrumentalist Ben Esser produziert.
Strom erscheint im November auf dem eigenen Label Edition Kohlstedt, bis zum Ende des Jahres ist der Pianist noch auf Tour.
Auf Tag folgt Nacht, auf Nacht folgt… Strom! Martin Kohlstedt bleibt sich selbst treu und gibt seinem nächsten Album erneut einen einsilbigen, aber nichtsdestoweniger Großes symbolisierenden Titel. Der Pianist aus Thüringen veröffentlicht im November seinen dritten Langspieler auf seinem eigenen Label, Edition Kohlstedt. Wie schon die ersten beiden Alben enthält Strom neun Stücke mit suggestivem Titel, die Spielzeit beträgt knapp 50 Minuten. Zeit genug, sich vom Fluss der Musik mitreißen zu lassen.
Denn ja, der Titel lässt sich auf zwei Arten lesen. Nach den beiden Piano Alben Tag und Nacht integriert Kohlstedt nun elektronische Instrumente und Effekte – er braucht und verbraucht elektrischen Strom. Wer schonmal auf einem seiner Konzerte war, weiß um die gewaltigen Klangwellen, die er dadurch schaffen kann. Gleichzeitig weist der Albumtitel also auf die flüssige Naturgewalt hin, eine Metapher, die perfekt auf Kohlstedts Kompositionen passt.
Eine erste Single namens „CHA“ gibt es bereits zu hören. Das Album erscheint dann am 17. November auf Edition Kohlstedt und kann hier vorbestellt werden. Martin Kohlstedt ist darüber hinaus live zu sehen, was wir euch sehr empfehlen! Für das Reeperbahnfestival hat er mit den Multimedia-Kollektiven Blood Brothers Studio und elektropastete e.V. eigens ein „als Konzert angelegtes Experiment in interaktiver Ästhetik“ namens Currents geschaffen, wie die Pressemitteilung informiert. Die übrigen Konzertdaten findet ihr ebenfalls unten.
Martin Kohlstedt live:
20.-23.09.17 – Hamburg, Reeperbahn Festival / „Currents“-Konzerte
19.10.17 – Amsterdam (NL), Amsterdam Dance Event 15.11.17 – Rostock, Peter Weiss Haus 18.11.17 – Mainz, Capitol 22.11.17 – Weimar, Deutsches Nationaltheater 23.11.17 – Dresden, Beatpol 24.11.17 – Leeuwarden (NL), Explore the North Festival 25.11.17 – Leipzig, Audioinvasion 26.11.17 – Leipzig, UT Connewitz 29.11.17 – Köln, Altes Pfandhaus 30.11.17 – Münster, Pumpenhaus 01.12.17 – Hannover, Schauspiel (Spielstätte Cumberland) 02.12.17 – Bremen, Kito 05.12.17 – Nürnberg, Neues Museum 06.12.17 – Mannheim, Alte Feuerwache 07.12.17 – Zürich (CH), Bogen F 08.12.17 – Wien (AT), Konzerthaus 09.12.17 – Linz (AT), Posthof 10.12.17 – München, Technikum 15.12.17 – Berlin, Silent Green 16.12.17 – Berlin, Silent Green 17.12.17 – Berlin, Silent Green 21.12.17 – Hamburg, Elbphilharmonie (SOLD OUT)
Drei Jahre nach Freezer legt das Berliner Duo mit Exit Strategies nach
„Wie aus dem Nichts…“ wollte ich gerade ansetzen zu schreiben, da fällt mir auf, dass The/Das erst im Juli eine neue EP veröffentlicht haben. Obwohl ich das Berliner Duo seit der Speak Your Mind Speak EP verfolge, wären Drug Dilling und die Ankündigung des zweiten Albums fast an mir vorbeigegangen. Gerade noch rechtzeitig flog dann gestern die entsprechende Mail ihres neuen Labels Life And Death in mein Postfach.
Exit Strategies heißt die zweite LP von The/Das, zwölf Songs enthält sie und kommt drei Jahre nach dem Debüt Freezer. Fabian Fenk übernimmt darauf wieder den Gesang, der dem technoiden Pop die Ecken weichzeichnet. Für Anton Feist, der sich schon 2015 vom Projekt verabschiedete, hat Philipp Koller übernommen. Die Pressemitteilung verspricht 60 Minuten der gewohnten techno tenderness mit etwas mehr House- und Jazz-Elementen. Ich nehme mir jetzt eine Stunde frei und lasse mich in Fenks und Kollers Klangmärchen entführen, und das rate ich euch auch.
Exit Strategies ist seit heute als Vinyl, CD oder Download verfügbar, sowie auf den gängigen Streamingplattformen anhörbar. Unten könnt ihr euch das in Marokko gedrehte Video zur Single „Drug Dilling“ anschauen.
Die dritte Single aus Sugar at the Gate ist auch visuell Zuckerwatte.
Sie sind die angesagtesten Soft Rocker Kanadas: Spätestens mit „Petals“ ist das Quebecer Quartett TOPS seinem Ruf als Wiedergeburt Fleetwood Macs gerecht geworden. Der Song wurde im März als erste Single ihres dritten Albums Sugar at the Gate veröffentlicht. Ein halbes Jahr und eine weitere Single später haben die Montrealesen nun den trägen Schunkler „Marigold & Gray“ mit einem Video versehen.
Die vier Musiker wissen genau, was immer funktioniert. Folglich sieht man sie in körniger VHS-Qualität über einen Jahrmarkt laufen, mit Eis herumkleckern und sich vor allem prächtig amüsieren. Die verwaschenen Bilder passen zur verträumten Musik und dem vage lebensweisen Text. TOPS‘ Songs sind bester Realitätsflucht-Soundtrack, Vergnügen geht über Arbeit und scheiß auf’s elterliche „Man spielt nicht mit Essen!“
TOPS sind für Spex’ler und Kulturkritiker sicher nicht so „relevant“ wie solch vorwärtsdenkende oder politisch engagierte Musiker wie Shabazz Palaces, Nadine Shah oder ANOHNI. Das ist schließlich auch gar nicht ihr Modus, TOPS machen gute Popmusik um der guten Popmusik willen. Passenderweise taucht die Welt abseits des Rummelplatzes nur kurz in den letzten Sekunden auf und verschwimmt sofort, als sei sie der eigentliche Traum. Das spiegelt die Stimmung auf dem trägen und deutlich minimalistischeren Sugar at the Gate super wieder. Ihnen (und uns) sei ein bisschen Eskapismus gegönnt.
Everything Everything liefern mit ihrem vierten Album „A Fever Dream“ ganz schön ab. Medizin bedarf es da allerdings nicht, lediglich hier und da die Diagnose: Tanzfieber.
Folgt man zumindest den meisten Albumtiteln der britischen Indie-Pop-Band, sollte man meinen, dass diese stets durch ein Auf und Ab definiert sind. „Man Alive“ (2010) als Debütalbum und ihr Drittling „Get to Heaven“ (2015) benennen flüchtig (Wieder-)Geburt, Lebensbejahung und den Aufstieg in den Himmel. Die aktuelle Platte „A Fever Dream“ vermittelt hingegen einen zunächst kränkelnden Eindruck. Dem ist jedoch bei weitem nicht so: Denn der Bandname scheint Programm zu sein und das Quintett gibt alles auf dem aktuellen Album: Genrevielfalt, Power und dennoch gehörig Tiefe auf Textebene.
Keine Aussparung von Übertreibungen
Everything Everything sagen selbst über ihr aktuelles Album auf Facebook: „We really enjoyed making this record and feel the proudest we’ve ever felt. It’s the sound of us being ourselves, and we think it’s our best work yet.“ Die Band macht hiermit keine leeren Versprechen und nimmt den Mund nicht zu voll. Bereits mit ihrer Vorabveröffentlichung „Can’t Do“ ließen sie deutlich durchschimmern, dass da noch Großes kommen wird. Sänger Jonathan Higgs klettert gesanglich in beachtliche Höhen und beweist Facettenreichtum. Beim steigenden Fieberthermometer mag man ins Grübeln oder gar in Sorge kommen. Stimmlich weiß der Höhenflug jedoch gewohnt zu begeistern. Dennoch sind Zukunftsängste und Überforderung Topics des Songs. Sogar persönlich melden sich die Ängste über Telefon. Die bis dato noch in der Zukunft liegende Albumveröffentlichung wurde jedoch mit Bravour gemeistert und es muss sich nicht hinter Masken versteckt werden, wie es im experimentellen Video der Fall ist.
Der Opener „Night of the Long Knives“ ist eine Symbiose aus diversen Instrumenten, Synthie und dem Gesang von Higgs, die Bock auf mehr macht. Dieser Titel erhebt sich als eine Art Hymne, die nur andeuten kann, wie flott die noch folgenden 10 Songs in Fahrt kommen werden. Ähnlich hymnisch und weniger hektisch reiht sich hier „Big Game“ ein.
Deutlich tanzbar und facettenreich
Etwas unruhiger, aber dafür tanzbarer kommen „Run the Numbers“, „Desire“ und „Ivory Tower“ daher. Hier bestätigt sich das angedeutete Tanzfieber vollkommen. Wie vielseitig die Band ist, zeigen die klavierlastigen Stücke. „New Deep“ lässt an dieser Stelle besonders an den bisher ausgesparten Teil des Traumes erinnern, der mit knapp zweieinhalb Minuten der kürzeste Song ist. Besonders atmosphärisch ist der Abschluss, der durch Donnergeräusche auffällt und vorher nachdenklich stimmt mit der Frage, ob etwas falsch sei mit einem selbst oder allem.
„A Fever Dream“, der titelgebende Track, spart ebenfalls nicht mit dem Einsatz des Klaviers und ist definitiv eines der Herzstücke des Albums. Für ihn muss man sich auch deutlich mehr Zeit lassen als die populäreren dreieinhalb Minuten. Der Song kommt auf knapp sechs Minuten. Die nimmt man sich aber gerne, weil der Song einen direkt gefangen hält. Generell bleiben sich die Briten in dieser Richtung treu und lassen sich bei den meisten Songs Zeit und das zurecht. Lediglich „New Deep“ bildet hier eine Ausnahme.
Die Platte schließt mit „White Whale“ ab und bietet chorische Einschüben und ist wohl der Song, den man am ehesten das Prädikat Episch verleihen könnte. Instrumental breit gefächert und beladen wird der Eindruck bestärkt.
Gewusst, wie
„A Fever Dream“ ist insgesamt eine gelungene Platte. Für solche, die die Band noch nicht kennen, mag die Stimme von Higgs wohl gewöhnungsbedürftig sein. Doch gut Ding will Weile haben und auch, wenn man Phrasen gerade bei guter Musik vermeiden sollte, trifft sie hier zu. Freunde von Muse oder The Temper Trap werden sicherlich ihre Freude an dem Album haben. So oder so: Die Band schafft es, wichtige Themen und Ängste in dennoch tanzbaren Indie-Pop zu verpacken und das ist eine Kunst! Die scheinen Everything Everything fast blind zu beherrschen und liefern ein Album, das sicherlich nicht langweilig wird. Dazu wird zu viel Abwechslung geboten, die trotz der kreisenden Hüfte zum Nachdenken anregt und nach vorne geht. Nicht zuletzt ist das sicherlich dem Produzenten James Ford geschuldet, der bei „A Fever Dream“ die Finger mit im Spiel hatte. Sein Können bewies er bereits bei Bands wie den Arctic Monkeys, Foals oder Depeche Mode.
Die junge Künstlerin Sînziana Velicescu versucht mithilfe der Gegenüberstellung von Schönheit und urbanem Leben die Flucht innerhalb einer Stadt wie LA zu finden.
Sînziana Velicescu ist eine junge Fotografin und Creative Producerin, die in Los Angeles lebt und arbeitet. Entgegen aller Erwartungen hat sie Literatur und Film an der University of Southern California studiert. In ihrer Fotografie setzt sie vor allem ihren Heimatort LA in den Vordergrund. Hier zeigt sie aber nicht die üblichen Klischees, sondern versucht sich in den Weiten der Stadt der Engel zu flüchten. Hierbei rückt die Architektur als Protagonist in den Vordergund. Ihre Bilder zeigen in Grafikdesign-ähnlichen Motiven die stillen Momente einer Weltmetropole. Durch das Spiel zwischen Licht und Schatten entstehen in den sehr expressionistischen Darstellungen der Gebäude eine weitere Ebene. Ebenen die als Hommage an ihre Heimat gedacht sind, ohne die Stadt dabei in das übliche Licht zu rücken. Momentan stellt Sînziana Velicescu ihre Fotografien in der berühmten Think Tang Gallery und im Museum für zeitgenössische Kunst in Atlanta aus.
Deine meisten Bilder wurden in LA geschossen, richtig? Gibt es einen spezifischen Grund dafür und kannst du uns verraten wie du immer wieder den perfekten Spot findest?
Ich bin in Los Angeles geboren und auch hier aufgewachsen, außerdem ist es die Stadt in der ich auch momentan lebe. Das hilft natürlich dabei immer die meisten Orte bereits zu kennen, trotzdem entdecke ich immer wieder neue Spots. LA ist halt riesig. Oft öffne ich einfach eine Karte und suche mir einen Ort heraus an dem ich noch nie zuvor gewesen bin, gehe dann dorthin und lasse mich von der Gegend und der Umgebung treiben.
Deine Arbeiten sind ziemlich ambivalent. Die harten Linien und Schatten, die von den Gebäuden geworden werden, zeigen eine kalte, industrielle Seite und stehen im Gegensatz zu der Wärme und der berauschenden Natur LAs. Ist dies ein Punkt, der dir für deine Arbeit besonders wichtig ist?
Die Gegenüberstellung, die du ansprichst, spiegelt meine schwankende Beziehung zu Los Angeles wider. Es ist einer dieser Orte an dem man schnell Einsamkeit erfährt, obwohl man ständig von Menschen umgeben ist. Es ist sowohl diese wunderschöne Stadt, in der die Sonne immer scheint und doch auch oft zu überhaupt mit großen Werbebannern und menschlicher Überbebauung. Ich versuche diese Hürden zu überwinden in dem ich mir am Wochenende ruhige Orte heraussuche. Ich nehme mir die Zeit mich in den verlassensten Ecken LAs zu verlieren.
Wie würdest du LA denn in knappen Wörtern beschreiben, wenn du keine Möglichkeit hättest deiner Bilder dafür zu nutzen?
Mysteriös, ausdehnend und endlos!
Deine letzte Ausstellung trug den Namen „On The Periphery“. Magst du uns kurz erläutern worum es ging? Was hat dich spezifisch für diese Ausstellung inspiriert?
Bei „On The Periphery“ geht es besonders darum den ästhetischen und utilitaristischen Effekt der Architektur in und um Los Angeles zu entdecken.
„On The Periphery“ explores the aesthetic and utilitarian effect of architecture in and around the greater Los Angeles area. Minimalistic in nature and inspired by abstract expressionism and graphic design, the images represent a departure from the day to day realities of Los Angeles’s cluttered landscape. The moments captured are fragments of a cityscape’s lifetime that are most often overlooked by an entire population concerned solely with reaching a destination. The result is an homage to ‘The City,’ combined with a hidden desire to escape to another place or perhaps another time.
Das Spiel mit Licht und Schatten gefällt mir sehr in deinen Bildern und obwohl der Großteil deiner Arbeit aus Fotografien besteht, muten sie sehr oft grafisch an. Ist Grafikdesign etwas, das dich inspiriert?
Ja, es geht mir oft so, dass ich mir sogar mehr Grafikdesign anschaue als richtige Fotografie.
Deine Arbeiten erinnern mich manchmal ein wenig an Künstler wie David Hockney oder Edward Hopper. Gibt es noch weitere Sachen, die dich geprägt haben als Fotografin?
Ich bin schon immer ein großer Fan vom abstrakten Expressionismus der 1960er gewesen. Der Surrealismus gefällt mir außerdem sehr, dazu kommt noch eine Zuneigung für tschechische Filmplakate und Grafikdesign aus den 70ern. Was andere Fotografen angeht, mag ich Lewis Baltz, Joel Sternfeld, William Eggleston und dieCocia am meisten.
Welche Rolle spielen Plattformen wie Instagram, Pinterest oder Facebook für aufstrebende Künstler? Siehst du es mehr als eine Art Online Galerie oder gibt es doch überwiegend negative Aspekte? Ist es für eine bildende Künstlerin schwierig in dem Sumpf aus Fitness Models, Katzen und Foodporn herauszustechen?
Ich schaffe es ziemlich gut die Mainstream oder die personelle Ebene von Instagram auszublenden, auch wenn ich zugeben muss, dass ich ein großer Fan von Katzen bin. Für mich ist Instagram hauptsächlich eine Plattform um meine Arbeit zu promoten und es dient außerdem als eine Art kontinuierliches Archiv. Ich habe das große Glück so viele andere Fotografen und Künstler kennengelernt zu haben, auf die ich ohne die genannten Plattformen wohl nie gestoßen wäre.
Most of your photos are about LA, right? Where does that come from and could you tell us how do you find the perfect spot?
I was born and raised in Los Angeles and it is the city where I currently live. I’m familiar with various areas of the city but always discovering new ones as it’s such a big place. Often times, I’ll open up a map and pick a spot I’ve never been to and wander around in that area.
Your works are quite ambivalent. You often show the hard lines and shadows coming from buildings. They show a quite cold industrial style and face the warmth and the beautiful nature of LA. Was that something you was thinking about taking this shots?
The juxtaposition you’re referring to reflects my wavering relationship with Los Angeles. It is the kind of place you experience loneliness while being surrounded by people. It is simultaneously a beautiful city – always sunny, but often too cluttered with ads and overdevelopment. I cope with all of that by finding quiet moments on the weekends when I have time to get lost in some unchartered corner.
How would you describe LA in words, not in pictures?
Mysterious, expansive, & endless!
Your latest exhibition is called On The Periphery. What is it about particular? Whatinspired the series?
‚On The Periphery‘ explores the aesthetic and utilitarian effect of architecture in and around the greater Los Angeles area. Minimalistic in nature and inspired by abstract expressionism and graphic design, the images represent a departure from the day to day realities of Los Angeles’s cluttered landscape. The moments captured are fragments of a cityscape’s lifetime that are most often overlooked by an entire population concerned solely with reaching a destination. The result is an homage to ‘The City,’ combined with a hidden desire to escape to another place or perhaps another time.
I really like, that you play with shadows a lot. Despite the fact, that most of your works are photographs, they look kind of graphic. Is graphic design an inspiration for you?
Yes I often look at more graphic design and paintings than actual photography.
Your work reminds me of David Hockney or Edward Hopper. What other influences do you have?
I’ve always been a fan of the abstract expressionists of the 1960s, I love surrealism, Czech film posters, and graphic design of the 70s. Of the photographers, I love Lewis Baltz, Joel Sternfeld, William Eggleston, diCorcia.
How important are platforms like instagram, pinterest or facebook for a young, upcoming artist? Do you see it more as an online gallery or are there also any negative points? Is it a challenge to stand out in a world of fitness models, cats and foodporn?
I don’t look at the mainstream / personal side of Instagram much but I will admit I’m a fan of cats. I use Instagram mainly to promote my work and it serves as an ongoing archive. I have been lucky to meet many other photographers and artists who’s work I love that I would have otherwise never known about had it not been for the platform.
We wish you all the best for further projects and exhibitions.