Daves „We’re All Alone In This Together“ ist die Stimme der Vergessenen in UK

Die englische GQ bezeichnet das neue Album des britischen Ausnahmetalents als das „meist erwartete britische Rap-Nachfolgealbum aller Zeiten“. Doch viel wichtiger als das: Dave ist die Stimme einer vergessenen Community in seinem Land.

Der 23-jährige Londoner David Omoregie ist erst der zweite Künstler in der Geschichte (nach The Arctic Monkeys in 2007), dem es gelang, mit einem Werk (seinem Platindebüt „Psychodrama“, 2019) den angesehenen Mercury Music Prize und das „Best Album“ bei den Brit Awards zu gewinnen. „Das mutigste und beste britische Rap-Album seit einer Generation“, titelte The Guardian über „Psychodrama“, und auch der SPIEGEL schrieb: „Hotter als Dave geht es im UK-Pop gerade nicht“.

Und das obwohl der Musiker sich mit Premierminister:innen anlegt, wie sein mittlerweile legendärer Auftritt bei den besagten Awards zeigt. Dort sprach er aus, was viele Leute in UK denken: Boris Johnson ist ein Rassist. Seit seiner Amtseinführung wird der Graben zwischen arm und reich und auch zwischen schwarz und weiß wieder größer. Tory-Politiker:innen schüren Ressentiments und verwehren einem sehr großen Teil des Landes eine Stimme zu haben, die auch Gewicht hat.

Genau diese Stimme und die damit verbundene Bürde nicht Dave auf sich. Nun erscheint sein zweites Album „We’re All Alone In This Together“ und lässt bereits mit dem Titel verlauten, wie die Machtverhältnisse in seinem Land verteilt sind. Es kommt demnach nicht überraschend, dass die erste Singleauskopplung „Clash“ auch gleich als eine Art Kampfansage daherkommt. Der Song, der eigentlich eine klassischer Flex-Song ist, gibt durch seinen rauen Ton eine Einschätzung für Daves Laune auf dem Album vor.

Ein ernüchterndes Eingeständnis

Der Opener des Albums „We’re All Alone“ zeigt ein weiteres Gesicht des Rappers, der in Streatham im Südwesten Londons aufwuchs. Es ist ein Status Quo mit der traurigen Erkenntnis, dass sich selbst mit dem Reichtum wenig an der Zugehörigkeit ändert: „It’s like flyin‘ first class on a crashin‘ plane / Dinners with the same niggas, just higher bills / And all the models Himalayan, they got higher heels“.

Dave, seit seiner Jugend ein leidenschaftlicher Pianospieler, bringt dieses Element immer wieder mit ein und zieht die Zuhörenden, somit sehr nah an sich ran. So nah, dass man den Schmerz, den er durch das Erlebte förmlich spürt. Seine nigerianische Mutter war alleinerziehend. Sein älterer Bruder verbüßt für die Beteiligung an einem gemeinschaftlichen Mord eine lebenslange Freiheitsstrafe.

Migration als übergreifendes Thema

„We’re All Alone In This Together“ ist aber mehr als nur die Selbstreflektion eines Musikers mit einer schweren Kindheit. In Songs wie „Three Rivers“ drückt er in die offene Wunder des Rassismus in Großbritannien: „But your asylum has got you in a different war / Because the British wanna know what you’re livin‘ here for / We rely on migration more than ever before/They’re key workers, but they couldn’t even get in the door“. Gegenüber der GQ hat er über das übergreifende Thema seiner Platte gesprochen: „Erbe, Geschichte, Kultur, meine Familie, die Länder, aus denen wir kommen, der regressive Zustand der Menschheit, in dem wir uns jetzt befinden“, zählt er auf. „Migration ist ein riesiges Thema für mich – Boote, Bewegungsfreiheit.“

Der absolute Höhepunkt des Album ist sicherlich „Both Sides Of A Smile“. Zum einen hat sich Dave die Unterstützung von James Blake geholft. Zum anderen ist es ein 8-Minuten langer Epos in dem es um verpasste Lieben, verpasste Chancen, Schmerz aber auch um Hoffnung geht.

Dave schafft es trotz des Ansprechens der harten Realität immer einen funken Hoffnung zu versprühen. So auch beim Artwork zu „We´re All Alone In This Together“. Es ist eine Neuinterpretation von Claude Monets „Impression, Soleil Levant„, ein Ölgemälde des französischen Malers aus dem Jahr 1872, das sich als namensgebend für die Bewegung des Impressionismus herausstellen sollte. Eine Epoche, die zum Wohlfühlen einlädt und einen in eine bessere Zukunft blicken lässt. Dave hat demnach viele Argumente auf seiner Seite, warum man ihn mit Lobeshymnen überschüttet. Was aber hängen bleibt, geht über sein textliches und musikalisches Talent hinaus und zeigt seine soziale und gesellschaftliche Bedeutung: Dave ist die Stimme der Vergessenen in UK – und das gibt Hoffnung.

„We’re All In This Together“ von Dave:

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