Ausgewogener Indie-Pop voller Synthies, Saxophon und Streichern: So musikalisch divers präsentiert sich Michelle Zauner auf ihrem neuen Japanese Breakfast-Werk „Jubilee“ (VÖ: 4. Juni bei Dead Oceans). Doch hinter ihrem dritten Album steckt noch viel mehr. Wir haben mit der in Seoul geborenen Künstlerin über das Glücklichsein, die Aufarbeitung von Trauer und den Asian-Hate in den USA gesprochen.
Jeder Mensch geht mit Trauer anders um. Um den Tod ihrer Mutter zu verarbeiten, schreibt Michelle Zauner mit ihrem Projekt Japanese Breakfast zwei Platten. Das hilft ihr in der eigenen Aufarbeitung, liefert für Musikfans aber auch melancholisch-experimentellen Indie-Pop mit seichtem Shoegaze-Anstrich. „Psychopomp“ und „Soft Sounds from Another Planet“ sind jetzt fünf und vier Jahre alt.
Mit „Jubilee“ lässt sich Zauner demnach Zeit und das ist gut so. Der Entschluss: Eine hellere, wärmere und sonnendurchflutete Platte soll es werden – eine Ode an das Leben. Und da das Leben ein bunter Mix aus Erlebnissen, Emotionen sowie Auf und Abs ist, spiegelt sich das auch in ihrer Musik wider. „Jubilee“ ist in der Instrumentalisierung und den Arrangements reichhaltig, in Teilen fast majestätisch, wenngleich sehr vielfältig. „Lasst uns alles etwas komplexer und ehrgeiziger machen“, sagt sie sich. Auch für ihre Musikvideos führt sie Regie. In Gespräch wird deutlich, wie wichtig ihr die Platte ist. Ein Album, das sich von den Japanese Breakfast-Vorgängern unterscheidet. Und das sieht man bereits am Cover.
Mit Blick auf das Albumcover zu „Jubilee“: Warum hat es dir die Kaki als Frucht so angetan?
In vielen ostasiatischen Kulturen werden viele Kakis nebeneinander draußen aufgehängt, damit sie reifen und dadurch süße, trockene Früchte werden. In Japan nennt man das Hoshigaki, in Korea Gotgam. Ich mag die Metapher, dass diese zunächst eher harte und bittere Frucht auf diese Weise süß und appetitlich wird. Und für mich als Musikerin, die bisher zwei Alben über das Leiden und Trauern unter die Leute gebracht hat, kommt jetzt eine Platte über die Freude und wie ich damit umgehe. So wie die Zeit die Kaki reifen lässt, hat mich die Zeit auch erwachsener gemacht und weiterentwickeln lassen.
Nachdem „Psychopomp“ und „Soft Sounds from Another Planet“ aber sowieso eher in einem melancholischen Blau sowie in Dunkelrot und Schwarz gehalten waren, dachte ich, dass das orange-gelbliche jetzt etwas besser in die Diskographie passt. Auch mit Blick auf das Thema.
Du schreibst jetzt also über Optimismus und die Freude. War das im Gegensatz zu deinen ersten Platten eine große Umstellung im Schreibprozess?
Ich glaube, es zeigt einfach, wo ich aktuell in meinem Leben stehe. Ich verspüre sehr viel Freude in meinem Leben. Aber die Songs handeln ja nicht unbedingt nur von glücklichen Momenten. Es geht auch darum, Glück zu suchen, sich selbst daran zu erinnern glücklich zu sein, Glück beizubehalten oder darum, sich von einer Situation wegzubewegen, die dich davon abhält glücklich zu sein. Glück ist also ein sehr breites Spektrum, das wir auf viele Arten anwenden können. Ich habe es genutzt, um Dinge in meinem Leben aus anderen Winkeln zu betrachten.
Dann lass uns auf einem Punkt eingehen. Wie findet ein Mensch Glück?
Aus meiner Sicht ist Glück etwas, an dem man durchgängig arbeiten muss. Es ist ein seltenes, wirklich schönes Gefühl, für das wir alle kämpfen. Und natürlich können wir nicht dauerhaft glücklich sein, so läuft das Leben einfach nicht. Es braucht auch Wut, Angst oder Trübsal, um das Glück zu genießen. Und genau das hält uns dauerhaft auf unserem Lebensweg.
In einem Pitchfork-Artikel hat du mal gesagt, dass du ein „Workaholic“ bist. Macht es dich glücklich, wenn du produktiv bist?
Ohja! Ich glaube durch die ganze Arbeit und die Projekte bleibe ich gewissermaßen bodenständig. Wenn ich selbst nicht tätig bin, dann werden meine Gedanken unruhig – durch dunklere Dinge. Ich versuche daher die meisten meiner Gefühle auf meine Arbeit zu projizieren.
Dieses Album über das Glück und die Freude kommt jetzt in einer Zeit raus, die für die meisten Menschen schwierig ist. Zufall?
Ich habe das Album schon im Dezember 2019 fertig gestellt. Es sollte dann im Juni 2020 herauskommen, aber ich bin froh, dass wir es geschoben haben. Weißt du, es ist musikalisch ein eher anspruchsvolles Album, das mit einer großen Band gespielt wird. Und „Jubilee“ ist rein vom Wort her auch das „Jahr der Befreiung“. Und so soll sich das Album anfühlen. Ich weiß, dass viele Menschen aktuell durch schwierige Zeiten gehen und die Bedeutung von Glück vielleicht neu definieren. Also glaube ich schon, dass das Album perfekt in diese Zeit passt. Ich habe selbst auch festgestellt, dass ich neuerdings herausfinden musste, wie ich zu kleinen Freuden komme und dass diese anders sind, als diejenigen, die ich bisher erlebt habe.
All das verpackst du in einem sehr gehaltvollen Sound und in schönen, vielseitigen Arrangements.
Ich versuche immer, mich jedem Song mit dem zu nähern, was er eben gerade braucht. Zuerst habe ich ja immer ein loses lyrisches Thema und eine grobe Idee davon, was die Songs auf dem Album als Ganzes darstellen sollen. Was ich festgestellt habe ist: Bei Japanese Breakfast ist die Kraft der Produktion und Arrangements ganz wichtig. Ich mag Alben mit einer gewissen Bandbreite sehr – also Lieder, die von Song zu Song anders klingen.
Du hast dafür sogar extra noch Klavierstunden genommen. Das nenne ich mal Einsatz.
Ja, ich ruhe mich nie auf irgendwelchen Lorbeeren aus. Ich möchte mich selbst immer weiter pushen und neue Dinge lernen. Und ich möchte beweisen, dass ich es verdient habe an dem Ort zu sein, an dem ich gerade bin. Musikerin zu sein und von Leuten gehört zu werden ist ein wahnsinniges Privileg. Insbesondere nach den vergangenen fünf Jahren des Tourens habe ich so viele talentierte Menschen kennengelernt. Ich beneide sie sehr für ihre musikalische Ausbildung, da ich sowas nicht hatte. Ich habe Musiktheorie auch zu lange ignoriert. Das möchte ich nun nachholen, weil ich weiß, dass sich so auch meine Komposition und Produktionsfähigkeit verbessert.
Ich finde, dass ist dir gelungen. Welche Künstler*Innen und Bands haben dich als Japanese Breakfast beeinflusst?
Kate Bush! Ich liebe es einfach, wie sie so eine große Künstlerin für die Masse ist, aber gleichzeitig so bizarr, surreal und und einzigartig ist. Eine ähnliche Künstlerin, auf die das zutrifft und die mich beeinflusst hat, ist Björk. Ich habe mich hauptsächlich damit beschäftigt herauszufinden, was mich zu einer sonderbaren und einzigartigen Künstlerin macht und wie ich das in der Pop-Welt unterbringen kann. Viele Piano-Parts sind von Randy Newman beeinflusst, auch die Streicher. Ansonsten habe ich während der Produktion viel Bill Withers, The Beatles, Fleetwood Mac oder The Beach Boys gehört. Und natürlich auch Freunde von mir wie Alex G.
Neben deiner neuen Platte „Jubilee“ hast du auch deine Memoiren „Crying in H-Mart“ (erschienen am 20. April) veröffentlicht. Worum geht es da?
Es sind Memoiren über meine Mutter, die Koreanerin war. Nachdem meine Mutter verstorben ist, habe ich herausgefunden, dass es mir therapeutisch sehr geholfen hat, koreanisches Essen zuzubereiten. So konnte ich nochmal mit ihr connecten. Und es geht um das multiethnische Aufwachsen in den USA. Ich habe dadurch meine eigene Kindheit nochmal erlebt – aufzuwachsen in einer Einwandererfamilie. Und letztendlich verarbeite ich auch wie es war, meine Mutter sechs Monat zu pflegen, als sie an Krebs erkrankte und starb.
Das hast du ja auch schon auf deinen ersten Alben mit Japanese Breakfast gemacht. Warum war es dir wichtig, das auch weiter in dem Buch zu tun?
In einem Buch kannst du so vieles mehr unterbringen, weißt du? Ich glaube, auf einer Platte verarbeitest du viele Dinge eher auf einem impressionistischen Weg, dort finden sich all diese kleinen Fragmente und Gefühle aus der damaligen Zeit. Aber ich wollte noch mehr erzählen, Teile meines Lebens erneut erleben und intensiver verarbeiten. Außerdem habe ich diesen Druck verspürt, den Schmerz zuzulassen: Jemanden, den du liebst, verfallen zu sehen. Darüber wird nicht allzu oft offen gesprochen. Und genau das wollte ich machen.
Du bist als Asiatin in den USA aufgewachsen. In den vergangenen Wochen und Monaten hat die Welt schreckliche Nachrichten aus den USA über Asian-Hate mitbekommen. Wie gehst du damit um?
Ich meine, ich bin ja schon mein ganzes Leben lang asiatisch, aber ja, es macht mich sehr sauer. Aber es ist wichtig, dass jetzt auch international darüber gesprochen wird, weil all das gibt es schon immer und da wurde es zu wenig thematisiert. Wir hatten natürlich auch einen Präsidenten, der diese Art von Sprache genutzt hat, vor der ihn viele gewarnt hatten: Also, dass all das Auswirkungen auf die asiatisch-amerikanische Gesellschaft haben wird. Und in der Regierung gibt es ja sogar Leute, die bei Corona von dem „China-Virus“ sprechen. Die Leute sind einfach sehr ignorant. Und diese Angst ist meiner Meinung nach ähnlich zu der, die wir nach 9/11 wahrnehmen konnten – zu Ungunsten der muslimischen Gesellschaft in Amerika. Ich hoffe einfach, dass wir die Menschen, die so denken, aus der Regierung entlassen können.
Das ist eine große Frage, aber was muss sich denn darüber hinaus in der Gesellschaft noch ändern?
Die außenstehenden Leute brauchen einfach mehr Mut und Tapferkeit, um gegen solche diskriminierenden Momente anzugehen. Ich meine, es ist doch einfach herzzerreißend all diese Videos zu sehen, in denen asiatisch-amerikanische Menschen am helllichten Tage angegriffen werden und ein Security-Mann einfach die Tür zuschlägt, um sich nicht mit der Situation auseinandersetzen zu müssen. Die meisten Leute sehen diese Dinge und machen einfach nichts. Und ich glaube auch: Sie sehen uns nicht als Menschen an. Insbesondere ältere asiatisch-amerikanische Menschen, die nicht so gut englisch sprechen oder ein geringes Einkommen haben. Das sind die Menschen, die am meisten leiden, weil die anderen sie teilweise nicht als Menschen, sondern als Objekte der Gesellschaft sehen. Etwas ähnliches haben wir ja bei George Floyd gesehen. Aber wie bringen wir es solchen Menschen bei? Ich habe da keine Antwort drauf.