Auf „The New Abnormal“ schlagen The Strokes einen Spagat zwischen Nostalgie und futuristischer Experimentierfreudigkeit. Auch 19 Jahre nach ihrem Debüt zeigen die Vertreter des Garage-Rock, dass Gitarrentrock immer noch verdammt lebendig ist und tänzeln mit Leichtigkeit zwischen schwermütigen Synthie- und funky Videospielsounds.
Quarantäne, Kontaktverbot, eine Welt im Ausnahmezustand − Selten hat ein Albumtitel so nahtlos in das derzeitige Zeitgeschehen gepasst als „The New Abnormal“. Dabei wollten sich die Strokes nach eigenen Aussagen mit dem Titel ihres sechsten Studioalbums am politischen Treiben ihres Landes beteiligen − Trump, Twitter, Tiger King − um nur einige aktuelle Beispiele zu nennen. Der Titel sollte eine Anlehnung an den ganz normalen Wahnsinn der Gegenwart sein. Fernab des Titel gehen die New Yorker aber auch in den folgenden neun Songs der Platte nicht weiter auf das politische Klima ihres Landes ein. Vielmehr verirrt sich Sänger und Texter Julian Casablanca, wie schon auf den vorherigen Alben, in Andeutungen und lückenhafter Dichtung. Ausgetragen werden auf „The New Abnormal“ persönliche Kämpfe mit Gleichmut und fehlendem Antrieb, süßer Alltagsschmerz und Wehmut.
Musikalisch wird das Ganze in einen experiementierfreudigen Mix aus wallenden Synthies, futuristischen Pop-Sounds und altbewährten Retro-Melodien eingebettet. Schon beim Opener „The Adults Are Talking“ fühlt man sich in den nostalgischen Sound der Strokes zurückversetzt. Das zu Beginn einsetzende aggressive elektronische Drum-Sample geht bereits nach wenigen Sekunden in die vertrauten melodischen Gitarrenriffs der Strokes über. Am Ende des Tracks, wie auch später nochmals bei „Why Are Sunday’s So Depressing“, hört man die Band gar fröhlich plaudern. Das gleicht einmal Mäuschen spielen im Proberaum − nahbar und zugleich familiär.
Waltzende Gitarren und Gameboysounds
Die Strokes haben wieder richtig Bock gemeinsam zu musizieren, geben sich spielerisch und experimentierfreudig. Da klingen die Gitarren mal wie Synthesizer, mal wie lustige Sounds aus einem Gameboy. Und auch die Einflüsse von Julian Casablancas Solo-Bandprojekt „The Voidz“ leuchten immer wieder durch die Fassade, so betragen die Stücke auch durchschnittlich eine Dauer von fünf Minuten. Das Tempo ist zwar zu niedrig um ein Hitfeuerwerk zu zünden, jedoch gibt die Dauer und die gedrosselte Geschwindigkeit den Stücken genug Raum um sich zu entfalten. „Selfless“ gleicht durch die waltzenden Gitarren und dem monotonen Schlagzeugbeat einem Tagtraum über dem einzig die durchdringende Stimme von Casablancas schwebt.
Für „Brooklyn Bridge To Chorus“ greift Achtziger-Nostalgiker Julian Casablancas hingegen tief in die 80er-Disco-Kiste. Der Track lebt von den flirrenden Synthies und dem im Vordergrund stehenden Gesang, welcher fließend durch das Stück leitet und den Hörer einlullt. Auch „Eternal Summer“ lebt von Synthies und zerrt von diesem nostalgischen 80’s Vibe. Durch die hohen Gesangstöne erinnert es zu Beginn hier und da in einzelnen Nuancen entfernt an die Bee Gees. Dagegen möchte man sich in das wummernde Dröhnen der zweiten Singleausskopplung „At The Door“ geradezu hineinlegen. Die Nummer ist durch seinen retrofuturistischen Sound eines der Höhepunke der Platte und zurecht im Mittelfeld platziert.
Retrofuturistischer Sound
Während „Not The Same Anymore“ schwermütig dahinplätschert, zelebriert „Ode To The Mets“ die bittersüße Melancholie. Der Song beginnt zwar mit Synthie-Beats, driftet aber schon nach wenigen Takten in eine langsame Ballade ab. „Drums please, Fab“, bittet Casablancas seinen Bandkollegen Fabrizio Moretti, das Schlagzeug setzt ein und der Song bauscht sich nach und nach auf bevor auch der Gesang druckvoller wird. Mit „Ode To The Mets“ lassen die Strokes ihre Fans zum Schluss nochmals auf eine sechsminütige emotionale Achterbahnfahrt bevor die Platte nach einer Dreiviertelstunde ihr Ende findet.
Alles in allem hat sich das lange Warten auf ein neues Album der Strokes gelohnt. So schafft es das Quintett auf ihrem sechsten Album durch das breite Soundspektrum eine Brücke zwischen dem nostalgischen Retrosound der 00er Jahre und der Gegenwart zu spannen. „The New Abnormal“ ist frisch, lebendig und experimentierfreudig. Vor allem aber ist es eine Liebeserklärung an melodischen und gut punktuierten Gitarrenrock.
Seht euch hier den fünfminütigen Clip zur Single „At The Door“ an: