The Streets – None Of Us Are Getting Out Of This Life Alive

Jugend-Poet, Millennial-Talent und König der Straßen. Mike Skinner ist in den frühen 2000ern mit seinem Ein-Mann-Projekt The Streets zum Aushängeschild des UK-Garage-Rap geworden. Jetzt veröffentlicht er mit „None Of Us Are Getting Out Of This Life Alive” ein neues Mixtape.

Es ist der Sommer 2002. Nach einer serotoningeschwängerten Club-Nacht dröhnt irgendwo in einem Londoner Vorort der The Streets Coming-of-Age-Hit „Weak become Heroes” durch die kratzigen Autoboxen. „Dizzy new heights, blinded by the lights, these people are for life/ It’s all back to his place at the end of the night”, rappt Mike Skinner in nonchalantem Sprechgesang. Auf seinem Debütalbum „Original Pirate Material” gelingt es dem britischen Musiker, das Lebensgefühl der Jugend in Song-Form zu gießen. Mit seinem rohen Working-Class-Slang und einem grandiosen Talent fürs Geschichtenerzählen ist er in der damaligen Musikszene eine absolute Ausnahmeerscheinung. Sowohl Fans als auch Kritiker sind vom roughen 2Step-Garage-Sound aus Großbritannien begeistert.

Zwei Jahre später wird der Debüt-Nachfolger „A Grand Don´t Come For Free“ veröffentlicht. Das Konzeptalbum erzählt die Geschichte eines namenlosen Protagonisten, der zunächst 1000 Dollar und anschließend sich selbst im Trubel des Nachtlebens verliert. Nach der Veröffentlichung des Albums avanciert Skinner endgültig zum Feuilleton-Liebling. Der Guardian nennt ihn anschließend den „most observant man in pop music“. Die Platte erreicht Platz 1 der britischen Albumcharts und markiert den Zenit von Skinners musikalischer Karriere. Danach klingt der The-Streets-Trubel erstmal ab. In den nächsten Jahren werden zwar noch drei weitere Alben veröffentlicht, an den Anfangserfolg kann aber keines von ihnen anknüpfen.

Musik von den Streets, für die Streets

Mit „None Of Us Are Getting Out Of This Life Alive“ meldet sich der King of UK-Garage jetzt nach neun Jahren endlich zurück. Es zeugt von Größe, dass er sich die Aufmerksamkeit für sein Comeback mit zahlreichen anderen KünstlerInnen teilt. Nicht weniger als 13 Feature-Gäste hat der Brite auf seinem neuen Album versammelt. Darunter echte Schwergewichte wie Tame Impala oder IDLES, aber auch einige Newcomer wie etwa Rapper Oscar #Worldpeace. Trotz der vielfältigen Gastauftritte drückt Skinner jedem der zwölf Songs seinen eigenen Stempel auf. Dazu gehört auch eine gehörige Portion trockener, britischer Humor. Bei Zeilen wie „But she talks about her ex so much, even I miss him” wird deutlich, Skinner hat seinen lakonischen Witz im Laufe der Jahre nicht verloren. Auch den charakteristischen Cockney-Slang der britischen Arbeiterklasse hat er noch nicht verlernt. Wie schon bei vorherigen Alben wird der Brite auch dieses Mal dem Selbstanspruch gerecht, Musik von den Streets, für die Streets zu machen.

Dennoch ist die Zeit auch an Mike Skinner nicht spurlos vorüber gegangen. Als „Original Pirate Material“ veröffentlicht wurde, war er gerade mal 22 Jahre alt. Heute ist aus dem polternden Lad von damals ein zweifacher Familienvater geworden. Und das merkt man dem Album auch an. Statt durchzechte Partynächte thematisiert die aktuelle Platte Midlife-Crisis und Beziehungsprobleme. Das alles überstrahlende Thema des Mixtapes ist jedoch Technologie und Telekommunikation. So ziehen sich Smartphones als Symbol ständiger Erreichbarkeit durch das gesamte Werk. Besonders deutlich wird das in der ersten Single-Auskopplung „Call My Phone Thinking I´m Doing Nothing Better“ feat. Tame Impala. Der Track thematisiert das Millenial-Phänomen, vom eigenen Handy abhängig zu sein. Dabei bereichert Skinner die Zuhörenden unter anderem mit Lines wie: „You know I’d give you my kidney/Just don’t ever take my charger”. Im zugehörigen Video begibt er sich in die soziale Isolation einer einsamen Berglandschaft. Seine einzige Verbindung nach außen ist dabei ein altes Nokia-Handy. Über dieses bleibt er mit Tame Impala Mastermind Kevin Parker in Kontakt, der sich am anderen Ende der Welt aufzuhalten scheint. Im Laufe des Videos spricht Mike Skinner dann unter anderem noch mit Kasien, Greentea Peng, Donae’O und Hak Baker. Allesamt Mitwirkende des neuen The Streets Mixtapes.

Zeitgenössische Themen treffen auf ein eklektisches Line-Up

Sie alle schaffen eine enorme musikalische Bandbreite auf dem neuen Album. Im Vorhinein hatte Skinner angekündigt, dass „None Of Us Are Getting Out Of This Life Alive” die abwechslungsreichste The Streets Platte werden würde.  Mit der Fülle an unterschiedlichen Feature-Gästen und musikalischen Richtungen wird er diesem Selbstanspruch mehr als gerecht. Die Soundeinflüsse reichen von blechernen Grime-Beats über Afro-Trap bis hin zu Drum`n`Bass. Hak Baker bereichert das Album um einen Hauch G-Folk, mit der Londoner Rap Queen Ms Banks ist auch starke, weibliche Hip-Hop-Stimme auf der Platte vertreten und Joe Talbot verleiht dem Titeltrack einen rauen Punk-Anstrich.

Die Welt hat sich in den letzten neun Jahren weitergedreht. Heute ist UK-Rap mit Grime-Artists wie Skepta oder Slowthai angesagt wie nie. Mit seinem neuen Mixtape ist es Mike Skinner gelungen, diese aktuellen Entwicklungen aufzugreifen und miteinzubeziehen. Anstatt einem aufgewärmten Abklatsch von „Original Pirate Material“ liefert er uns eine eklektisches Werk vollgepackt mit zeitgenössischen Querverweisen. Mit „None Of Us Are Getting Out Of This Life Alive“ beweist der alte Herr, dass er es auch mit 41 Jahren noch drauf hat.

Seht hier das Video zu „Call My Phone Thinking I’m Doing Nothing Better“ von The Streets feat. Tame Impala:

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