Leoniden sind fünf Jungs aus Kiel. Schaut man aber auf die Tourtermine, ist das zu Hause der Band wohl eher auf den verschiedensten Bühnen zu verorten. Gefühlt immer unterwegs, haben sie es dennoch geschafft, ihr nun zweites Album „Again“ zu produzieren und am 26. Oktober auch zu veröffentlichen.
Wofür steht die Band, die da gerade so hart durch die Decke zu gehen scheint? Rein vom Namen her, bezeichnen Leoniden einen Meteorstrom, der jährlich im November zu beobachten ist. Gemein haben die Kieler mit diesem Phänomen zumindest zum einen den Bandnamen, zum anderen den Titel ihres ersten Albums und die bisherige Pünktlichkeit, jedes Jahr zu erscheinen. Denn ihr Debütalbum „Leoniden“ wurde 2017 veröffentlicht. Anders als eine Sternschnuppe, verschwinden die Musiker aber nicht genauso schnell, wie sie aufgetaucht sind.
Vielmehr ist das genaue Gegenteil zu beobachten: Denn Leoniden sind schon vor ihrem ersten Album auf dem Radar vieler musikinteressierter Leute gewesen und scheinen seither immer größer zu werden. Trotzdem bleiben sich die Fünfer-Gruppe bestehend aus Lennart und Felix Eicke, Jakob Amr, Djamin Izadi und JP Neumann auch bei ihrem nun zweiten Album treu. Vor allem, was die Herangehensweise in ihrem Schaffen anbelangt, denn dort wird DIY im wahrsten Sinne des Wortes großgeschrieben. Bock besteht auf jeden Fall besonders aufs Livespielen, aber auch der Hunger auf die neue Platte war kaum zu stillen. Von den 10 Songs sind im Voraus nämlich vier Songs mit Video erschienen.
Der erste Titel „River“ ist einer der vier bisherigen Singleauskopplungen. Im Video mischt sich die auf ihren Konzerten bemerkbare Spielfreude mit einer sportlichen Note, die durch Rugbyspieler dargestellt wird. Diese stehen jedoch metaphorisch für die depressiven, schwachen Momente, die jeder kennt. „Kids“ reiht sich äußerst tanzbar ebenfalls als Vorbote des Quartetts in die bisherigen Voraberscheinungen ein. Das dazugehörige Video ist ein Lyrikvideo der besonderen Art. Zeilen und Worte sind vornehmlich auf den Rücken von Jacken gedruckt, aber auch als Kettenanhänger oder Ringschmuck und T-Shirt-Aufschrift eingebaut. Der dritte Song der Platte und die dritte Auskopplung stellt „Alone“ dar. Im Video tanzt Sänger Jakob Amr alleine durch die komplette Länge des Videos hindurch. Beim Refrain heißt es: „Feeling the best when I’m alone“. Dabei betont er, dass es einen Unterschied zwischen Einsamkeit und Alleinsein gibt. Wohingegen Einsamkeit schrecklich ist, kann Alleinsein manchmal guttun. Deswegen ist „Alone“ kein trauriges Lied.
Eine Woche vor der Veröffentlichung des Zweitlings „Again“, erschien dann der vierte und letzte Song vorab. In „People“ erkennt die Band erneut die zwei Seiten einer Medaille, ohne dabei ins Schwanken zu geraten. Dieses Gefühl und den Zustand sich zwischen mehreren Gefühlen zu befinden, beschreibt Sänger Amr treffend wie folgt: „Kennt ihr das, wenn man aus dem Fenster starrt, Menschen beobachtet und dabei in so einer Art Melancholie versinkt?
Der Alltag und die Geschichten der Anderen da draußen und die ganze Hektik drumherum sind in dem Moment unerreichbar weit weg, man ist irgendwie isoliert, einfach nur ein Zuschauer. Das kann in fiesen Selbstzweifeln, aber auch in einer schönen Verwunderung über die ganzen Leute enden. Das ist dann eine seltsame Spannung zwischen Neid auf die Unbekümmertheit der da draußen und der Angst etwas zu verpassen auf der einen Seite und der Zufriedenheit, dass man nichts mit dem ganzen Wahnsinn zu tun hat, auf der anderen Seite.“
Das Zitat spricht auch für den Gesamteindruck, den das Album „Again“ vermittelt. Die Leoniden sind Beobachtungs- aber auch Reflektionskünstler, dies gilt in Bezug auf verschiedenste Lebenssituationen, denen sie sich textlich widmen, aber auch die Fähigkeit, mit verschiedensten Genres zu spielen. Dabei vermisst man jedoch nicht die typische Unterschrift der Kieler, die nicht nur durch die Stimme Amrs gegeben ist, sondern durch die enorme Spielfreude der ganzen Band. So bringen sie eine große Portion Pop auf die Platte und liefern diese im November auf zahlreiche Bühnen. Die Band tritt als Einheit auf, was sich bezeichnenderweise auch durch die Auswahl ihres aktuellen Albumcovers bestätigen lässt.
Sie kreiert gemeinsam kluge Songs, die hittauglich sind, ohne gezwungen ein Teil des simplen Radio-Sounds zu sein und in dessen Sumpf zu versinken. Dazu sind die verschiedenen Titel nämlich zu überraschend, was besonders durch Tempowechsel markiert wird. Bei „Why“ zeigt sich die musikalische Wandelbarkeit der Band nicht zuletzt darin, dass sie einen Chor einbauen. In „One Hundred Twenty-Three“ wird die zuverlässige Symbiose aus Instrumenten und Gesang für fast ein Drittel des Songs hinter sich gelassen und für ein fast einminütiges elektronisches Instrumental Platz gemacht – und es funktioniert. „Slow“ schließt die Platte, wie der Name verraten könnte, langsamer ab. Doch es wären nicht die Leoniden, wenn sie auch dort nicht mit der Schnelligkeit variieren würden.
Zusammengefasst ist „Again“ das größere Ausrufezeichen ihrer ersten Platte „Leoniden“. Denn die Leoniden sollte man sich merken und dass sie bereits auf vielen Schirmen von Musikliebhabern ganz großgeschrieben werden, macht sich durch die vielen ausverkauften Konzerte schon jetzt bemerkbar. Denn der Charakter des Albums, besonders auch für die Bühne gemacht zu sein, drängt sich bei nahezu jeden der insgesamt 10 Songs auf. Bei der ausgedehnten „Kids Will Unite“ Tour wird man auf jeden Fall die Möglichkeit haben, sich von diesem Eindruck selbst überzeugen zu können. Allerdings nur, wenn man es zu einer Show schafft, die nicht ausverkauft ist. Die Tour startet bereits im November und wurde zurecht ins Jahr 2019 mit über 20 neuen Terminen verlängert.