Nachdem vor zwei Jahren die EP „No Emotions“ erschien, kommt nun endlich das Debüt-Album „Power Nap“ von Ilgen-Nur. Oft als Slackerqueen bezeichnet, zeigt sich einmal mehr, dass sie nicht nur chillt. Auf zehn Songs liefert die Neu-Berlinerin eine große Portion Indie-Rock mit Referenzen auf vergangene Jahrzehnte.
Wer Ilgen-Nur hört, muss sicherlich an Ohrwürmer ihrer vergangenen EP „No Emotions“ aus dem Jahr 2017 denken. Da sind besonders Tracks wie „Cool“ oder „17“ zu nennen. Andere fühlen sich vielleicht an die deutsche Netflix-Serie „How To Sell Drugs Online (Fast)“ erinnert. Dort durfte nämlich ein Song von ihr Teil einer Folge sein. Vormals lebte die Musikerin lange Zeit in Hamburg, fast zeitgleich mit der Veröffentlichung des Debüts „Power Nap“ zieht sie in die Hauptstadt. Das mag am Ende aber nicht allzu sehr verwundern, weil sich die junge Künstlerin schon längst als Bestandteil des Drangsalschen Kosmos betrachten darf und zu der Art Musikern gehört, denen man dieser Tage gerne sehr viel Gehör schenken sollte und in Zukunft erst Recht.
Der erste von zehn Songs auf dem Album war ebenfalls die erste Singleauskopplung von Ilgen-Nur. „In My Head“ heißt der und bestätigt an manchen Punkten dann doch wieder den Charakter einer Slackerqueen. Schließlich handelt „In My Head“ davon, dass sie sich am liebsten zurückzieht und das tut, was sie besingt: „I spend my days in my head“. Ähnlich gegenteilig, wie das Wort „Power Nap“ an sich, das sowohl Ausruhen als auch Energie vereint, zeigt sich das Video. Hier ist die Künstlerin in New York und tut damit genau das, was sie im Song eigentlich verneint.
Songs mit Gitarre und Klavier
Es wäre langweilig, die Musikerin ausschließlich in die Slacker-Schublade zu stecken. Schließlich ist Ilgen-Nur alles andere als langweilig oder faul, sondern vielmehr eine durchaus spannende Künstlerin dieser Zeit, in der zurecht kritisierten männerdominierten Line-Up-Phase verschiedenster Festivals. „Nothing Surprises Me“ könnte sich als ähnlicher Ohrwurm entpuppen, in dessen Kategorie sich „Cool“ und „17“ aus der EP „No Emotions“ befinden. Dabei handelt der Song weniger von Egalität, als vielmehr das Thematisieren einer Abgebrühtheit gegenüber Dingen.
Neben Tagen, die Ilgen-Nur gerne in Gedanken verbringt, handelt „TV“ von Stunden vor dem Fernsehgerät. Im Genaueren beschreibt sie ihre Sozialisierung mit Popkultur besonders durch MTV und dem dadurch ausgelösten mit Gitarrensound untermalten Gefühl, alles sein und dabei Spaß haben zu könnte. Der Blick einer Realistin wird im Down-to-earth-Song „Silver Future“ deutlich. Dort ist explizit nicht von einer goldenen, sondern einer silbernen Zukunft die Rede. „Easy Way Out“ war die zweite Singleauskopplung und ist mindestens genauso cool, wie Ilgen-Nur selbst, die im Video dazu in einem alten Ford Mustang durch verlassene Landstraßen fährt.
Mit „You’re a Mess“ schafft es dann doch ein Liebeslied auf „Power Nap“ begleitet mit düsteren Gitarrenriffs und der typisch speziellen Stimme von Ilgen-Nur. Dabei wird es aber nicht schnulzig, es geht nämlich um eine missglückte Beziehung. Das letzte Stück des Albums „Deep Thoughts“ macht nicht nur den Facettenreichtum der Künstlerin deutlich, sondern birgt biographische Bestandteile. Das dominante Klavier begann sie im Alter von elf Jahren zu spielen, bevor sie dann zur Gitarre wechselte.
Hier geht’s zum Interview mit Ilgen-Nur
Die Musikerin, mit vollen Namen Ilgen-Nur Borali, chillt aber nicht nur und kann daher den Titel Slackerqueen gar nicht so sehr bestätigt. Dafür spricht die Begebenheit, dass die jetzige Platte auf ihrem eigenen Label „Power Nap Records“ erscheint. Das gleichnamige Debütalbum „Power Nap“ wurde gemeinsam mit Max Rieger von Die Nerven produziert. Vor zwei Jahren war das bei der EP „No Emotions“ auch schon der Fall.
Im Interview mit uns berichtete sie in Erinnerung an diese Zeit von ihren Erfahrungen während der Produktion: „Es war total krass, zum ersten Mal so einen Song aufzunehmen und dann in einer so hohen Qualität anzuhören – wie man auch Songs bei Spotify oder iTunes hört. Ich hatte das vorher halt nie. Ich habe jahrelang Musik gemacht, aber halt nie was aufgenommen. Das war ein sehr cooles Gefühl.“ Schön, dass jetzt auch das Album draußen ist. Mittlerweile dürfte sich Ilgen-Nur daran gewöhnt haben, ihre Songs als Aufnahme zu hören. Auch cool ist das natürlich für uns, die ihre Musik gerne hören. Live hat man dazu bis zum Ende des Jahres genügend Möglichkeiten. Denn nach der Veröffentlichung des Albums geht es damit auf eine ausgiebige Tour. Die entsprechenden Termine und Tickets gibt es hier.
Beste Songs: In My Head, Silver Future, Deep Thoughts
VÖ: 30.08.2019 // Power Nap Records