Drei Jahre nach ihrem großen Erfolg „My Woman“, meldet sich Angel Olsen mit „All Mirrors“ zurück. Sie gibt ergreifende Einblicke in ihr Innenleben und untermalt diese Emotionen mit einem orchestralen Klang.
Muss ein Künstler Leid und Schmerz erfahren, um große Kunst zu schaffen? Über diese Frage kann man generell diskutieren. Im Falle von Angel Olsen zeigt sich aber, was entstehen kann, wenn man sich mit seiner Selbstakzeptanz auseinander setzt. „All Mirrors“ ist auf vielen Ebenen hochemotional und bewegt sich weg vom folkigen Americana-Sound. Olsens Vibrato Gesang über Einsamkeit und die Liebe wird aufgebauscht durch üppige Streicher- und Synthie Arrangements, die den Hörer fast ehrfürchtig erstarren lassen.
Dabei war das zunächst gar nicht geplant. Olsen wollte „All Mirrors“ in zwei Versionen veröffentlichen. Die minimalistische, raue Soloversion setzte sich nicht durch. Zu viel Potential hätten die Songs, so Olsen. Kurzerhand schnappte sie sich den Produzenten John Congleton. Der wirkte bereits bei „Burn Your Fire for No Witness“ (2014) mit, an dem sich Olsen erstmals an raueren Sounds herantraut und die hippe Musikwelt auf sie aufmerksam wird. Mit Congleton, sowie unter anderem einem 14-köpfigen Orchester, gelingt es ihr auf „All Mirrors“ für eine dramatische Inszenierung zu sorgen. Dabei driftet sie nie in kitschigen Pathos ab.
Gleich der Albumopener „Lark“, zeigt in welche Richtung sich das Album bewegt. Der Song wird nicht nur durch hochemotionale Lyrics zu einem Kunstwerk. Die sich stets weiter aufbauenden Streicher und Synthies gipfeln in einem fast apokalyptisch klingenden Höhepunkt. Es gehe auf „All Mirrors“ darum, sich der dunkelsten Seite zu stellen, so der Grundtenor Olsens. Trennungen, das eigene Selbstwertgefühl, sich Fehler einzugestehen und die Wahrnehmung der Außenwelt. All das verarbeitet sie auf brillante Art und Weise.
Während „New Love Cassette“ mit eindringlichen und powervollen 80er-Jahre Synthies daherkommt, zeigt sich Olsen in „Tonight“ zurückgezogen und zerbrechlich. „Spring“ überzeugt mit poppiger Singer-Songwriter-Attitüde und „What It Is“ wird verfeinert mit unkonventionellen Streicherarrangements. Die US-Amerikanerin nutzt die gesamte Bandbreite des Orchesters aus. Und allerspätestens bei den beiden letzten Songs „Endgame“ und „Chance“ schmilzt der Hörer dahin und kommt in der Gedankenwelt Angel Olsens an.
„All Mirrors“ ist an komplexes Drama. Ein intensiv aufgearbeitetes Spiegelbild ihrer Selbst. Ein Album, das sicherlich keine leichte Kost für Zwischendurch ist. Doch wenn man sich darauf einlässt und sich der Inszenierung hingibt, erfährt man viel über die Person Angel Olsen. Eigentlich ist es doch gar nicht so schlimm, seine Schwächen offen zu legen. Insbesondere, wenn so etwas dabei rauskommt.
Beste Songs: Lark, What It Is, New Love Cassette
VÖ: 04.19.2019 // Jagjaguwar/Cargo