Die musikalische Entwicklung von Animal Collective ist beispielhaft für ständige Erneuerung. Ein Kollektiv bestehend aus vier Musikern, von denen nur Avey Tare und Panda Bear auf jedem Album zu hören waren; von zehn Alben ist gerade einmal die Hälfte aus der Zusammenarbeit von allen vier Tieren entstanden. Im Verlauf ihrer Karriere hat sich das Kollektiv von anorganischem Noise über analogen Folk und Electropop hin zu experimentellem Digi-Pop entwickelt. Ein ganzer Lebenszyklus, sozusagen.
Das neueste Werk im Katalog, Painting With, soll daher einen Neuanfang darstellen: zurück zur Musik der Neandertaler, wieder auf Trommeln rumkloppen wie früher. Keine Soundexperimente wie auf Centipede Hz, sondern Jams von drei Freunden – Deakin ist mal wieder nicht dabei –, die sich mit Dinosaurierfilmen, Kerzen und einem Planschbecken im Studio einschließen. Die Aufnahmesessions waren angeblich so intensiv, dass Brian „Geologist“ Weitz jeden Tag zwei Stunden durch die Natur wandern musste, um nicht verrückt zu werden.
Die Geschichte hinter dem Album stimmt optimistisch, war doch Centipede Hz für viele eine all zu künstl(er)i(s)che Verwirrung nach dem immens erfolgreichen und zugänglichen Merriweather Post Pavilion. Tatsächlich ließ einen auch die Tendenz des Kollektivs, experimentelle mit poppigen Alben abzuwechseln, auf Gutes hoffen. Schade, dass dann nur so ein halbgares Album herausgekommen ist. Beim Hören von Painting With wird einem zwar klar, dass das Hot Chip-Diktum – selbst ein mittelmäßiges Hot Chip-Album ist immer noch ein ziemlich gutes Album – auch für Animal Collective gilt. Nur war Centipede Hz schon mittelmäßig; Painting With klingt oftmals nach übrig gebliebenen Outtakes vom Vorgänger.
„FloriDada“, die erste Single, weist noch genüsslich zu „Summertime Clothes“ und „Today’s Supernatural“ zurück, die kindliche Energie und das Stimmen- und Klanggewitter sind genau das, was an Animal Collective so hervorragend ist. Wie bei Dan Deacon oder tUnE-yArDs, den ästhetisch nächsten Verwandten von Avey Tare und Panda Bear, ist „kunterbunt“ das Adjektiv, das einem für gewöhnlich als erstes in den Sinn kommt, ob für das Kollektiv oder die Soloprojekte der Knallköpfe. „Spilling Guts“ versucht eine knappe halbe Stunde später, den Effekt von „FloriDada“ zu wiederholen, aber zu diesem Zeitpunkt liegt einem der gedoppelte Gesang schon etwas quer im Magen. Im Anschluss fungiert „Summing the Wretch“ zwar als angenehmes Abführmittel, kann einen für die restlichen zwei Tracks aber auch nicht mehr versöhnlich stimmen.
Viele Songs haben zwar nette Elemente, vor allem das dschungelhafte Gezwitscher und die Beschaffenheit der Sounds, die einem um die Ohren schwirren, sind hervorzuheben. Auch der Tanz der Stimmen ist anfangs interessant, lässt aber schnell stark nach. Die primitiven Rhythmen und knarzenden Synths von Songs wie „Hocus Pocus“ wirken hingegen so überhaupt nicht erfrischend. Zumindest nicht für den Hörer; dass es der Band gut tut, mal einfach alles rauszulassen, will ich weder bestreiten noch verurteilen. Vielleicht ist Painting With ja die Entschlackungskur, die es den Musikern aus Baltimore ermöglicht, einen neuen, ebenso erfolgreichen Lebenszyklus zu beginnen.
Was nicht heißen soll, dass es keine guten Songs auf dem Album gibt. Wie an „FloriDada“ kann man sich an „Lying In the Grass“ und „On Delay“ nicht satt hören. Auf ersterem sind es ein paar Klavierklänge und vor allem die Holzbläser, die sich durch das Lied ziehen und sich gegen Ende mit dem digitalen Noise vermengen, die den Song zu einem Highlight machen. „On Delay“ dreht den Euphorieregler weit hoch, trotzdem der Song eher ruhig und verträumt ist wie eines der Stücke von Panda Bear Meets the Grim Reaper – auch hier ist das neben dem Technobeat dem klaren Klavier zu verdanken. „Golden Gal“ schließlich ist exemplarisch für das ganze Album: eigentlich ein guter Song, der allerdings aufgrund der Ähnlichkeit zu Centipede Hz nur den Effekt hat, dass man sich diesem doch gar nicht so schlechten Album noch einmal zuwendet, darüber wieder zu den restlichen Animal Collective Alben zurückkehrt und Painting With glatt vergisst. Back to the roots für Band und Hörer, wenn auch nicht auf die gleiche Weise.
Beste Tracks: Lying In the Grass, On Delay, FloriDada
VÖ: 19/02 // Domino Records
Schaut euch hier das kunterbunte Video zu „FloriDada“ an: