Den Preis für den subtilsten Titel gewinnen Morzsa Records schonmal nicht. Der Sarkasmus – „die Welt ist ja so ein fröhlicher Ort, ha ha…“ – wird durch das Ausrufezeichen noch verstärkt. Morzsa Records, das sind nämlich vier „sad pathetic bastards“ aus Texas, Uschhorod und Budapest, und sie fallen auf What Comedy! mit der Tür ins Haus. Erbärmliche Traurigkeit ist für Freddy Schulze und Justin Spike, die Hauptverantwortlichen der Band, allerdings ein Plus, beide sind Fans von Elliott Smith und Conor Oberst. Deshalb wollen wir Worte mal Worte sein lassen und uns überlegen, was wir mit der Musik anfangen.
Die ist sogar noch niedergeschlagener als auf ihren bisherigen Alben. Die elektrische Gitarre hat einen nicht unwesentlichen Anteil daran, auf „Wind Die“ steigt sie sogar fast bis in den Doomkeller hinab. Man mag die Entscheidung gut oder schlecht finden, die eher ungewohnte Kombination aus zwei Akustikgitarren, Percussion und Cello durch eine (mal jaulende, mal knurrende) E-Gitarre zu ergänzen. Sie bringt jedenfalls, zumindest stellenweise, mehr emotionale Tiefe und klanglichen Spielraum. „Just Like Gagarin“ klingt als einziger Song der Band nach College Rock, überraschenderweise sogar gut. Man merkt What Comedy! zwar noch an, dass es selbstproduziert ist, aber Morzsa Records haben einen großen Schritt nach vorne getan.
Lieder wie „Jellyfish“, „Culture Corpse“ und das Intro „Azra“ führen einem vor Augen, dass musikalische Kreativität potentiell unendlich ist. Oft geht man beim Hören mit einer bestimmten Erwartungshaltung – hier: trauriger Folk Pop, das klingt immer wie Elliott Smith 2.0 – an ein Album heran, ohne zu merken, wie sie das Hören beeinträchtigt. Die Melodie und Harmonien auf „Jellyfish“ sind indes kreativ, auch wenn es die Struktur des Songs nicht ist. Epiphanie am späten Abend: Man muss ein Genre nicht neu erfinden, um originell zu sein. Das mag sich platt anhören, aber wenn man „False Canary“ mit den restlichen Songs vergleicht, fällt einem auf, dass jener Tourteaser – eine der wenigen nicht überzeugenden Kompositionen – den falschen Eindruck von What Comedy! vermittelt.
Mal abgesehen von den Texten, bei denen die beiden Texaner mit den verbitterten Gemeinplätzen und Weltverbesserer-Slogans ein bisschen spärlicher umgehen sollten, und dem einen oder anderen mittelmäßigen Song, ist What Comedy! nur eins vorzuwerfen. Resignierte Alben brauchen einen Hoffnungsschimmer, sei es nur ein kurzes Aufblitzen von Galgenhumor. Wer sie schon einmal live gesehen hat, weiß, dass die Schwermut von Morzsa Records nicht gleichzusetzen ist mit Depression. Ein Song wie „Ticket for Travelling“, der zeigt, dass Melancholie immer auch eine positive Seite hat, fehlt auf dem Album. Mit dem letzten Song, „Don’t Blame the Hour“, machen Morzsa Records das Unwahrscheinliche wenn nicht Realität, so zumindest Möglichkeit. Eine ruppige E-Gitarre gibt dem Akkordeon, das zuvor noch trist geschunkelt hatte, einen fatalistischen Drive und suggeriert statt künstlichem Emo echte, überindividuelle Tragik. Sie sind noch nicht ganz dort angekommen, doch What Comedy! zeigt, dass Morzsa Records das Zeug haben, ihr eigenes In the Aeroplane Over the Sea zu schreiben.
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Beste Tracks: Jellyfish, What Comedy!, Don’t Blame the Hour
VÖ: 30/10 // self-released
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„Azra“:
Fichon