Seit 2018 versorgt FELLY uns mit einem Trap-Banger nach dem anderen. Immer laut, immer selbstbewusst, immer eskalativ. Nach zwei Jahren wurde es ungewohnt ruhig um den Münchener Rapper. Offenbar zog er sich zurück, um gemeinsam mit den Drunken Masters an seinem Debütalbum zu arbeiten. Mit „FELLY“ stellt er sich nun noch einmal neu vor und zeigt Facetten, die weit über den egozentrischen Turn Up hinausgehen.
Als FELLY Joe von den Drunken Masters bei dem Münchener Online-Radio Radio 80000 kennenlernte, ging alles ganz schnell. Ihre erste Veröffentlichung „Ibrahimovic“ wird zum Hit eines Sommers, nicht zuletzt durch den Remix mit Casper und Ahzumjot. Es folgten Kollaborationen mit Carsten Chemnitz, auch bekannt als Kummer, Yassin und Juicy Gay. Die Titel seiner Songs werden damals ausschließlich in Versalien geschrieben, was hier nicht nur der Optik dient – es ist Programm. FELLY ist laut und selbstbewusst, nicht nur gern, sondern auch wirklich gut. Auch auf der Bühne, etwa als Support bei den Open Airs von Marteria und Casper oder als Gast bei Kummer, scheint er sich in Ekstase aufzulösen.
Vielleicht war die Geschichte des unaufhaltsamen Kraftpakets irgendwann auserzählt. Nach vielen Monaten des Rückzugs kehrt FELLY jedenfalls mit einem Debütalbum zurück, das neu und anders erzählt. Natürlich muss und soll auch hier Platz für Selbstdarstellung und Turn Up sein. Aber er zeigt sich auch von Seiten, die der Öffentlichkeit bisher verborgen waren. Auf den acht Songs findet ein FELLY Platz, der zweifelt, sich selbst sabotiert und nicht von schädlichen Denk- und Verhaltensmustern loskommt. Es ist Platz für Schlafstörungen und Panikattacken.
Jeder Song scheint dabei einen tieferen Blick FELLYs Inneres zu offenbaren. Das Album endet mit dem fast sechsminütigen Ticken einer Zeitbombe, dazu die Wiederholung der titelgebenden Zeile „Der Boden kommt näher“, dazwischen immer wieder: „Jusqu’ici tout va bien“. Es ist das überraschende und beeindruckende Ende eines nicht weniger überraschenden und beeindruckenden Albums, das von musikalischer und persönlicher Entwicklung zeugt. Mit „FELLY“ gewährt der Rapper einen Blick hinter die eigens errichtete Fassade. Und der zeigt: Da ist noch viel mehr. Viel mehr, was es zu entdecken gilt, was erzählt werden will. Wie gut, dass ein Debütalbum erst der Anfang ist.