Schatzi beweisen, dass man es selbst im Jahr 2020 als selbstbetitelte „weiße Mittelstandkids“ schaffen kann herauszustechen. Wie sie mit dem antiquierten Konzept der „Band“ aufbrechen und warum sie Genres für überholt halten, erklären sie uns im Interview.
Bei Schatzi handelt es sich um drei junge Musiker, die sich eigentlich gar nicht in das veraltete Korsett einer Band pressen lassen wollen. Vielmehr verstehen sich Yannick, Julian und Jeremias als Kollektiv. Jeglicher Output wird eng mit ihrem Team an Videographen abgesprochen und auch der Sound wird konzeptionell immer wieder eingeordnet. Starr und festgelegt wollen Schatzi jedoch keinesfalls agieren. Dadurch brechen sie die klassische Rollenverteilung auf und spielen auch die Instrumente so ein, wie es gerade für alle Beteiligten am meisten Sinn macht.
Mit dem Hintergrund mag man auch den Sound dieser noch jungen Band mit dem provokativ erscheinenden Namen besser verstehen. Schatzi ist ein Konstrukt bei dem viele Einflüsse, Ideen und Genres aufeinander treffen. Reizüberflutung in Form eines Kollektivs. Wir haben mit ihnen genau darüber gesprochen, aber auch über die Herkunft von „Animalia Parc“ und über die Definition von Glück.
Eure erste EP steht ja jetzt kurz vor Release. Ihr macht ja aber eigentlich schon länger Musik, warum habt ihr euch für die erste EP so lange Zeit genommen?
Jeremias: Tatsächlich hatten wir im Gründungsjahr schon die Idee eine EP zu machen, die „Animalia Parc“ heißt. Im Zuge dessen, dass dann aber schnell Gespräche mit Labels stattgefunden haben, hat sich schnell abgezeichnet, dass es keinen Sinn macht eine EP ohne Unterstützung ins Leere zu schießen.
Yannic: Was auch noch ein Faktor war ist, dass wir uns entschieden haben die Songs selbst zu produzieren. Wir hatten erst noch ein Treffen mit Zebo, dem Produzenten von Bilderbuch und waren bei ihm in Wien für ein paar Tage, haben mit ihm gearbeitet. Wir haben aber festgestellt, dass die Songs, die wir hatten, schon zu weit waren, um sie noch einmal komplett neu zu produzieren. Deshalb haben wir uns dazu entschieden alles selbst fertig zu produzieren und das war dann doch einfach zeitaufwändig.
Das ist für so eine junge Band ja dann doch krass, mit dem Produzenten von Bilderbuch zusammenzuarbeiten, also schon mal Probs an euch, trotzdem euren eigenen Weg zu gehen. Könnt ihr da verraten, was der ausschlaggebende Punkt war? Du meintest ja, dass die Songs dann schon irgendwie zu weit waren.
Julian: Teilweise existieren die Songs schon über zwei Jahre. Zu unserer Gründungszeit sind einige Skizzen entstanden, die es jetzt so in der Umsetzung auf die EP geschafft haben. Wenn jemand mit einer starken Meinung von außen kommt, der auch schon viel mehr gemacht hat als wir, hat man einerseits ein Gefälle. Andererseits hat es sich angefühlt, als würde man das Projekt aus der Hand geben und Probleme outsourcen. Es war eben nicht so, als wenn man vor einem Rätsel sitzt, das man selber lösen möchte. Sondern man hat dann jemanden der einen führt.
Jeremias: Im Kern sind wir den Weg gegangen aus unseren eigenen Konzeptionsgesprächen näher zusammen zu stehen und zu dritt das zu machen, was wir fühlen und für richtig empfinden. Das war dann auch der Grund für die Entscheidung zumindest jetzt bei der EP zu sagen: „Okay, wir produzieren selber und wir entscheiden auch alle Entscheidungen“. Wenn man das dann auch noch über ein Majo releasen darf, ist das schon einfach reizvoll.
Es war vielleicht an manchen Stellen ein Krampf und hat lange gedauert, sind aber froh, dass wir nicht über den Aufkleber „Schatzi war beim Bilderbuch Produzenten, hier ist ihre Debüt-EP“ kommen. Das wäre eine ganz andere Geschichte. Das war nicht das Narrativ, das wir dem Ganzen geben wollten, auch wenn das natürlich krass und cool war mit dem Produzenten von Bilderbuch zusammen zu arbeiten!
Ihr meintet, dass es für euch persönlich aufregend war den Weg dieser EP komplett für euch alleine zu gestalten, als Konstrukt. Ich finde das steht ein bisschen im Kontrast mit euren Songs. Die so wirken als würden sie so an der Oberfläche kratzen, also von den Lyrics, wenn man rein die Songtitel sich anguckt. Würdet ihr sagen, dass die EP super persönlich ist, oder eher oberflächlich?
Jeremias: Ich glaube dass wir diesen konzeptionellen Ansatz wählen, weil wir gerne Popkultur konsumieren. Es sind Collagen aus unseren Eindrücken und diese wollen wir auf eine sehr überspitzte Weise pro Song mit Ideen runterbrechen auf etwas Konkretes. Ich verstehe, dass sich das als Widerspruch anhört: Ist das jetzt ein persönlicher Text, wenn der so allgemein formuliert klingt? Wo ist der Persönlichkeitsanteil von den drei Jungs? Aber tatsächlich ist der genau Ansatz so eine Art von Musik zu machen oder die Art wie die Musik entsteht ist der Kontext der unsere Persönlichkeiten beinhaltet, glaube ich.
Wenn man den Namen eurer EP „Animalia Parc“ auf Google eingibt, findet man einen Tierpark in Frankreich. Was hat es damit auf sich?
Julian: Das ist tatsächlich besagter Tierpark in Frankreich. Wie waren im Gründungsjahr, also 2018 im Sommer, über einen relativ langen Zeitraum in Südfrankreich. Und die Gegend da war so relativ strukturschwach, total dünn besiedelt aber auch total schön und wild. Ähnlich wie das Haus in dem wir uns aufgehalten haben. Es war ein total schönes Haus, groß, die Natur hat sich schon den Swimming Pool und alles wieder zurückgeholt und alles war ein bisschen angefressen. Wenn man zum Strand fahren wollte, musste man 10 km durch den Wald durch das Nichts. An jeder Abbiegung gab es ein fettes Schild wo „Animalia Parc“ drauf stand und das hatte für mich, der das erste mal da an diesem Ort war, oder für alle, irgendwie so was Mystisches. Dieser Park war nicht zu sehen und doch war er durch die Schilder omnipräsent und das hat dann diesen Park irgendwie zu was total Großem gemacht, obwohl es im Endeffekt nur ein Streichelzoo oder so ist. Und das hatte dann irgendwie so einen schönen Nebeneffekt: „Animalia Parc“.
Beim Anhören der Songs der EP, kamen schnell Assoziationen, die apokalyptische Zustände wecken. Da ist „Animalia Parc“ doch recht passend?
Jeremias: Das ist vielleicht auch nochmal die Brücke zum „Animalia Parc“, weil diese Region wo das Ganze war, war total widersprüchlich. Wunderschön schön, tolle Natur, irre Sommer, total heiß aber ganz ganz seltsame Mentalität von den Leuten. Wir wurden auch einmal auf dem Weg zum Strand angehalten, so nach dem Motto „Wir holen jetzt die Knarre raus“, also total strange. Und das ist das „Animalia Parc“-Gefühl, dieses Große Zelt, das die EP einrahmt oder die Grundstimmung setzt. Es muss Risse im Schönen geben, Widersprüche. Es muss sich reiben und diesem Gefühl wollten wir einen Namen geben und das tut irgendwie „Animalia Parc“ ganz gut und wir glauben das zieht sich auch ein bisschen durch die Songs.
Ihr habt ja bei eurem letzten Video, ein Sample mit Zitat „Il n’y a pas d’amour heureux“ des französischen Dichters Louis Aragon eingesetzt. Das greift eben genau diese Idee auf. Das Konzept vom alleinstehenden Glück. Gibt es das für euch das vollkommene Glück oder ist es immer mit Negativem verbunden?
Jeremias: Die Sache ist die: Wir sind alle totale Mittelstands-Kids und deswegen glaube ich können wir die Frage überhaupt nicht beantworten, weil das eine Frage des Maßstabs ist. Uns geht es super gut. Worüber sollen wir uns beschweren? Trotzdem trägt man eine gewisse Melancholie mit sich oder ist widersprüchlich in seinem Empfinden. Ich glaube, das hört man dann auch in der Musik und das ist dann vielleicht auch das, wo man selber einen Bezug dazu hat. Oder Julian?
Julian: Ja ich weiß nicht, das ist eine sehr, sehr schwierige Frage, da sie fast schon philosophisch ist. In dem Rahmen in dem textlich und musikalisch arbeiten, geht es irgendwie immer um diese Brüche und man skizziert eine Welt in der auch sehr viel Wohlstand ist. Und doch ist alles ein bisschen kaputt und das passt grade auch tatsächlich, obwohl es nicht dafür geschrieben wurde, irgendwie wunderbar in diese Zeit und dieses Jahr.
Habt ihr euch eigentlich mal die Youtube-Kommentare unter euren Videos durchgelesen?
Jeremias: Selbstverständlich, ja.
Da sind schon paar funny Sachen dabei. Ich hab mir mal eins rausgesucht, ihr könnt ja mal ein Statement dazu abgeben: „Ich stehe nicht auf Soft-Pussy-Sing-Sang“.
Julian: Ich habe mir schon ein bisschen gedacht, dass der Kommentar jetzt kommen könnte. Ich glaube, der ist bei „Glock“ und ja also hat man eigentlich alles richtig gemacht, wenn man so einen Kommentar bekommt. Da ist wohl irgendeine Form von Männlichkeit, die sich da ein bisschen angegriffen fühlt und das ist dann goldrichtig. Also perfekt!
Die Meinungen zu eurer Musik gehen allgemein ziemlich auseinander. Ist es Schlager, ist es Trap? Man kann es extrem schlecht zuordnen und das polarisiert. Seid ihr euch dessen irgendwie bewusst, dass die Leute euch nicht in eine Schublade packen können?
Yannic: Ja auf jeden Fall. Gerade, wenn es um die Genre-Einteilung geht auch bei Releases ist eine super schwierige Angelegenheit. Ich finde es langweilig, wenn man etwas einer Kategorie zuordnen kann. Auf der EP findet man, wenn man es darauf analysieren würde, sehr viele verschiedenen Genres, oder Anteile von verschiedensten Genres. Da unsere Inspiration sich auch aus sehr vielen verschiedenen Quellen zieht, ist es die logische Konsequenz, dass unsere Musik in ganz viele Genres passt oder eben auch nicht passt. Dieses Kategoriendenken berücksichtigen wir beim Musikmachen überhaupt nicht. Doch bevor wir überhaupt angefangen haben richtig Musik zu machen, haben wir zu fünft konzeptionelle Gespräche geführt. Gemeinsam mit unserem Videoteam haben wir bestimmt, was Schatzi ist und was Schatzi auf gar keinen Fall ist. Da war die Liste der Dinge die wir nicht sein wollen erstmal sehr lang und daraus hat sich das ganze Bild von Schatzi, was sowohl auditiv als auch visuell funktioniert leicht geschärft. Damit konnten wir zu fünft in diese Richtung gehen und immer versuchen bei jedem Song ein Bild oder eine Idee, die wir hatten in der vollständigen Tiefe so zu formen. Das ist eigentlich der Modus, wie wir arbeiten. Aber dem Ganzen eine Kategorie zu geben, im Sinne eines Genres, find ich sehr schwierig.
Jeremias: Das wäre dann wahrscheinlich Pop.
Das ist ja für euch super dankbar, weil man ja so nicht weiß, was man erwarten soll. Es ist ja jedes Mal eine neue Facette dabei und so könnt ihr euch in dem Rahmen, den ihr euch selber geschaffen habt ja super gut austoben…
Julian: Ja total, das war auch so irgendwo geplant, dass man bevor man anfängt und richtig in die Tiefe geht, festlegt was man nicht ist und dann hat man die Möglichkeit, das was man sein will ganz frei zu definieren. Man kann mehr Genres ausschließen, als Genres zuzuordnen.
Welche Sachen möchten Schatzi denn konkret sein?
Jeremias: Für uns ist Sound total entscheidend. Uns war wirklich wahnsinnig entscheidend, dass viel darüber nachgedacht wurde, wie man klingen möchte und was sind Elemente die man eigentlich gar nicht bedienen möchte. Dass jetzt eine Gitarre so stattfindet auf der EP, ist eigentlich auch eine Entwicklung über Zeit, weil wir anfangs überlegt haben, ob die Gitarre als Sound-Element überhaupt noch zeitgemäß ist. Virtuosität am Instrument finden wir furchtbar langweilig. Die Egos in der Musik oder in der Band sind auch nicht entscheidend, sondern die Idee pro Song oder das Gefühl, das Bild, das man in dem Song perfektionieren oder genau treffen will. Eine Idee genau auszuformulieren und genauso klingen zu lassen, wie es das ganze am besten dann trifft, in dem Fall und nicht: „hey ich zock halt noch ein Solo“.
In eurem Pressetext fallen Begriffe wie Langeweile. Zusätzlich wird die Story erzählt, wie bei einem Bandcontest mit einer Fullplayback-Show angetreten sein, um den Contest zu persiflieren. Was stört euch denn am meisten am Musik Business?
Jeremias: Es ist jetzt nicht so, dass wir absichtlich Antagonisten werden wollten. Was uns vielleicht stört, beziehungsweise was vielleicht ein Gegenentwurf sein soll, ist die Akribie der einzelnen Songs. „Rita“ als Beispiel: Da ist die Demo in Südfrankreich entstanden. Danach haben wir den Song zwei Jahre mit uns herumgeschleppt, um weiter daran zu feilen und zu sagen: „Wir nehmen ihn noch einmal auf und gehen noch einmal dafür ins Studio.“ Die Idee dahinter ist etwas Langlebiges zu schaffen und das ist dann vielleicht der Gegenentwurf zu einer gewissen Form von Schnelllebigkeit. Wobei selbst das nicht aus einer Frustration entsteht, weil man sauer über Musikdeutschland ist.
Ihr spielt immer wieder mit diesem Bild von Luxus, der Song „Porsche“ als Beispiel genommen. Spielt ihr hier bewusst mit Kontrasten? Oder um Provokation?
Julian: Das ist schon sehr bewusst. Wir spielen, dadurch wie wir aussehen, eher auf den Lifestyle der Golfclubs an, als wenn wir jetzt groß auf einen Gangsterrap machen. Das alles passiert mit einem Augenzwinkern und thematisiert die Wohlstandsverwahrlosung. Heutzutage funktioniert Rapmusik – und Rapmusik ist der Pop gerade – oft über das plumpe Ausspielen von Statussymbolen und das diktiert grade total viel und dann kann man schauen, wie man sich selber dazu positioniert. Wir versuchen es für uns ironisch damit zu brechen und somit Stellung dazu zu nehmen.
Jeremias: Es ist vielleicht auch bisschen Abbild des Umfelds in dem wir großgeworden sind. Wir stammen aus einer nicht wirklich großen Stadt in einem sehr bürgerlichen Gymnasiasten-Umfeld, wo auch diese Statussymbole im erweiterten Umfeld schon eine Bedeutung immer haben. Man wächst mit dem Bewusstsein dafür auf, dass es eigentlich vollkommen egal ist, aber trotzdem findet es alles statt. Vielleicht nicht bei einem persönlich, aber man nimmt es wahr und es ist Teil der Realität, die einen prägt. Autos sind irgendwie ein Ding und dabei sind Autos eigentlich nicht die Zukunft. Es ist auch was sehr deutsches Autos so geil zu finden und sich vorzunehmen, wenn ich jetzt endlich Geld verdiene, dann will ich Marke XY fahren.
Es ist immer schwierig, dadurch, dass wir generell so Spaß an Popkultur im Allgemeinen haben, einem Kind einen bewussten Namen zu geben. Unsere Motivation ist jetzt keine Kritik am Kapitalismus in Westdeutschland oder wo auch immer, sondern ein popkulturelles Gesamtbild oder eine Gesamtcollage. Diese basteln wir mit unseren eigenen Anteilen und dann entstehen vielleicht unkommentierte Abbilder von uns und unserem Umfeld.