Dan Deacon schreibt Ekstase mit einem sehr großen E. Das erste, was ich je von ihm gehört bzw. gesehen habe, war ein Ausschnitt seines Konzerts beim Electronic Beats Festival 2013. Während „Of the Mountains“, „Konono Ripoff No. 1“ und „The Crystal Cat“ – und sogar beim Organisieren des Dance Contests – geht der Musiker mit Bart und Brille so dermaßen ab, dass ich ihn direkt auf meine ‚Unbedingt anhören!!!‘-Liste setzte. Zwei Drummer, eine hyperaktive Heliumstimme und quietschbunte Synthesizer – den zuckersüßen Rave vergisst man nicht so leicht. Warum ich mir bis zum Erscheinen der Single „Feel the Lightning“ trotzdem nichts mehr von Dan Deacon angehört habe, ist mir im Nachhinein schleierhaft. Glücklicherweise lag vor ein paar Wochen das neue Album Gliss Riffer im Briefkasten und endlich, endlich!, hat Dan Deacon auch mich erreicht.
Gliss Riffer ist bereits das vierte Album des Musikers aus Baltimore und laut Presse eine Rückkehr zu seinen Wurzeln. Nach dem offiziellen Debüt mit dem herrlich bescheuerten Titel Spiderman of the Rings (vorher veröffentlichte er schon Computerspielmusik und Live-Aufnahmen) beschäftigte Deacon sich vermehrt mit Filmmusik und zeitgenössischer Klassik. Diese Einflüsse fanden ihren Weg auf die beiden nächsten Alben, America und Bromst, und heimsten ihm die Tags „contemporary classical“ und „absurdist composition“ ein. Statt 14-köpfigem Ensemble macht Deacon auf Gliss Riffer nun wieder alles selbst, inklusive des weiblichen Gesangs auf „Feel the Lightning“. Wenn man sich jenen Electronic Beats Auftritt nochmal anschaute, konnte man nur hoffen, dass die Energie sich auch auf dem neuen Album so gut umsetzt.
Verglichen mit Spiderman of the Rings ist Gliss Riffer nicht übermäßig ekstatisch. Zwar feuern die Neuronen im Millisekundentakt, wenn man sich „Sheathed Wings“ oder „Learning to Relax“ anhört, doch gleichzeitig ist die Sensibilität für minimalistische Kompositionen geblieben. Besonders die beiden siebenminütigen Closer „Take It to the Max“ und „Steely Blues“ (beide Songs könnten das Album ausklingen lassen) erinnern an Steve Reich, wenn dieser auf halbem Wege noch abgehackte Vocals in den Mix werfen würde. Der modus operandi mag zwar auf Spiderman of the Rings verweisen und Gliss Riffer ist zugegebenermaßen noch ein Stück weit entfernt von den Synthphonien auf America. In seiner Gesamtheit ist das Album jedoch gezügelter und vor allem poppiger. Die goldene Mitte zwischen Seifenblasen-Rave und minimalistischem „contemporary classical“ ist wohl ein ausgelassener, elektronisch-psychedelischer Glitch Pop, halb Animal Collective, halb John Maus mit einem Hauch von Oneohtrix Point Never. Überlassen wir die Ekstase lieber Spiderman of the Rings und den Live-Auftritten, Gliss Riffer bietet genug Farben- und Formenreichtum für ein überragendes Album.
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Beste Tracks: Sheathed Wings, Take It to the Max
VÖ: 20/02 // Domino Records
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Schaut euch hier das bekloppte Video zu „Feel the Lightning“ an:
Fichon