Everything Everything – A Fever Dream

Everything Everything liefern mit ihrem vierten Album „A Fever Dream“ ganz schön ab. Medizin bedarf es da allerdings nicht, lediglich hier und da die Diagnose: Tanzfieber.

Folgt man zumindest den meisten Albumtiteln der britischen Indie-Pop-Band, sollte man meinen, dass diese stets durch ein Auf und Ab definiert sind. „Man Alive“ (2010) als Debütalbum und ihr Drittling „Get to Heaven“ (2015) benennen flüchtig (Wieder-)Geburt, Lebensbejahung und den Aufstieg in den Himmel. Die aktuelle Platte „A Fever Dream“ vermittelt hingegen einen zunächst kränkelnden Eindruck. Dem ist jedoch bei weitem nicht so: Denn der Bandname scheint Programm zu sein und das Quintett gibt alles auf dem aktuellen Album: Genrevielfalt, Power und dennoch gehörig Tiefe auf Textebene.

Keine Aussparung von Übertreibungen

Everything Everything sagen selbst über ihr aktuelles Album auf Facebook: „We really enjoyed making this record and feel the proudest we’ve ever felt. It’s the sound of us being ourselves, and we think it’s our best work yet.“ Die Band macht hiermit keine leeren Versprechen und nimmt den Mund nicht zu voll. Bereits mit ihrer Vorabveröffentlichung „Can’t Do“ ließen sie deutlich durchschimmern, dass da noch Großes kommen wird. Sänger Jonathan Higgs klettert gesanglich in beachtliche Höhen und beweist Facettenreichtum. Beim steigenden Fieberthermometer mag man ins Grübeln oder gar in Sorge kommen. Stimmlich weiß der Höhenflug jedoch gewohnt zu begeistern. Dennoch sind Zukunftsängste und Überforderung Topics des Songs. Sogar persönlich melden sich die Ängste über Telefon. Die bis dato noch in der Zukunft liegende Albumveröffentlichung wurde jedoch mit Bravour gemeistert und es muss sich nicht hinter Masken versteckt werden, wie es im experimentellen Video der Fall ist.

Der Opener „Night of the Long Knives“ ist eine Symbiose aus diversen Instrumenten, Synthie und dem Gesang von Higgs, die Bock auf mehr macht. Dieser Titel erhebt sich als eine Art Hymne, die nur andeuten kann, wie flott die noch folgenden 10 Songs in Fahrt kommen werden. Ähnlich hymnisch und weniger hektisch reiht sich hier „Big Game“ ein.

Deutlich tanzbar und facettenreich

Etwas unruhiger, aber dafür tanzbarer kommen „Run the Numbers“, „Desire“ und „Ivory Tower“ daher. Hier bestätigt sich das angedeutete Tanzfieber vollkommen. Wie vielseitig die Band ist, zeigen die klavierlastigen Stücke. „New Deep“ lässt an dieser Stelle besonders an den bisher ausgesparten Teil des Traumes erinnern, der mit knapp zweieinhalb Minuten der kürzeste Song ist. Besonders atmosphärisch ist der Abschluss, der durch Donnergeräusche auffällt und vorher nachdenklich stimmt mit der Frage, ob etwas falsch sei mit einem selbst oder allem.

„A Fever Dream“, der titelgebende Track, spart ebenfalls nicht mit dem Einsatz des Klaviers und ist definitiv eines der Herzstücke des Albums. Für ihn muss man sich auch deutlich mehr Zeit lassen als die populäreren dreieinhalb Minuten. Der Song kommt auf knapp sechs Minuten. Die nimmt man sich aber gerne, weil der Song einen direkt gefangen hält. Generell bleiben sich die Briten in dieser Richtung treu und lassen sich bei den meisten Songs Zeit und das zurecht. Lediglich „New Deep“ bildet hier eine Ausnahme.

Die Platte schließt mit „White Whale“ ab und bietet chorische Einschüben und ist wohl der Song, den man am ehesten das Prädikat Episch verleihen könnte. Instrumental breit gefächert und beladen wird der Eindruck bestärkt.

Gewusst, wie

„A Fever Dream“ ist insgesamt eine gelungene Platte. Für solche, die die Band noch nicht kennen, mag die Stimme von Higgs wohl gewöhnungsbedürftig sein. Doch gut Ding will Weile haben und auch, wenn man Phrasen gerade bei guter Musik vermeiden sollte, trifft sie hier zu. Freunde von Muse oder The Temper Trap werden sicherlich ihre Freude an dem Album haben. So oder so: Die Band schafft es, wichtige Themen und Ängste in dennoch tanzbaren Indie-Pop zu verpacken und das ist eine Kunst! Die scheinen Everything Everything fast blind zu beherrschen und liefern ein Album, das sicherlich nicht langweilig wird. Dazu wird zu viel Abwechslung geboten, die trotz der kreisenden Hüfte zum Nachdenken anregt und nach vorne geht. Nicht zuletzt ist das sicherlich dem Produzenten James Ford geschuldet, der bei „A Fever Dream“ die Finger mit im Spiel hatte. Sein Können bewies er bereits bei Bands wie den Arctic Monkeys, Foals oder Depeche Mode.

Beste Songs: A Fever Dream, White Whale

VÖ: 18.08.2017 // RCA / Sony

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