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„Die Indie Disko muss die verdammten Scheuklappen loswerden, wenn sie überleben möchte“ – ein Kommentar eines Indie DJs

Leere Tanzflächen, ausgelutschte Playlisten und verschlossene Partybesucher müssen nicht sein. Ein Indie-DJ darüber, dass sich die Indie Disko durchaus neu erfinden kann.

Natürlich leben sie total am Zeitgeist, Noisey ist ihnen ein Begriff und wenn es sich um die besonders fundierte Spezies handelt, wissen sie sogar schon, dass man Turnbeutel eigentlich längst nicht mehr tragen sollte. Trotzdem ist ein Indie Party-Besucher viel zu stolz um dem völlig verklärten Bauchtauschen 90s Hype zu verfallen. Bei Yung Hurn und Cloud Rap rümpfen sie nur angeekelt die Nase und schweifen zur Bar, wo das nächste kühle Astra bereits auf sie wartet.

Neben dem Archetypen gibt es noch eine Vielzahl an weiteren total individuellen Typen, Indie ist doch schließlich bunt! In Wahrheit ist dieses Image aber derart heuchlerisch, dass sich mir schon allein beim Schreiben die Haare aufstellen. Denn der normale Besucher einer Indie Disko hat eine feste Vorstellung vom Verlauf seines Abends. Im Idealfall läuft die komplette Palette der ausgelutschten Indie Klassiker. Von „I bet That You Look Good On The Dancefloor“, „Helicopter“ bis hin zu „Mr. Brightside“ und „Sex On Fire“. Natürlich alles sehr „Indie“. Dass Bands wie Kings Of Leon oder die Arctic Monkeys mittlerweile genau so independent sind wie eine Lady Gaga interessiert dann doch nur rudimentär.

Das soll jetzt gar nicht als Bashing gegen irgendwelche Bands zu verstehen sein, vielmehr soll es zeigen wie engstirnig viele Besucher von Indie-Partys sind. Und genau das ist das Problem eines kompletten Genres geworden. Erst letztens kamen zwei Mädels an das DJ Pult und haben nach mehr tanzbarem Indie gefragt. Dies wäre ja in der Regel kein Problem.

Als Indie-DJ freut man sich sogar mal über den ein oder anderen Songwunsch. Das Absurde war nur, dass Bands wie Kasabian, Klaxons oder Roosevelt eben nicht als Indie angesehen werden. Als ich ihnen dann erklärt habe, dass ihr Genre kein Dinosaurier ist, das irgendwann zwischen 2006 und 2008 ausgestorben ist, haben sie beleidigt die Party verlassen. So viel also zur Offenheit.

Das große Problem ist einfach, dass kaum ein Publikum derart verschlossen neuen Sachen gegenüber ist, wie das auf Indie Partys. Es geht mir dabei gar nicht darum den „freshesten Shit“ zu spielen und mich daran aufzugeilen, dass außer dem DJ niemand den Interpreten kennt, der gerade auf Soundcloud so richtig big ist. Als DJ geht es mir einfach darum den Menschen einen tanzbaren Abend im Sinne des Zeitgeistes zu bescheren.

Wer ausschließlich – es geht mir hier um das Volumen dieser Hits, nicht um die Tatsache, dass man sie ab und zu mal spielen sollte – verstaubte Platten aus dem vergangenen Jahrzehnt hören möchte, sollte sich in seine nächste Skinny Jeans quetschen und lauthals auf einer 00er Party zu Mr. Brightside mitgröhlen.

Aus diesem Grund schien mir deshalb Roosevelt die Lösung aller Probleme zu sein. Der Kölner ist seit geraumer Zeit ein Name in der Szene und vereint so ziemlich jede Komponente, die der Sound der Indie Disko haben sollte. Er greift die 80s gekonnt auf ohne dabei wie ein peinliches Plagiat zu wirken. Dazu ist der Dude einfach tanzbar as fuck und die so hochgelobten Gitarren, die eh nie verschwinden werden (also keine Angst liebe Indie Nerds), spielen auch eine tragende Rolle. Durch die Beats hat man als DJ nämlich auch die Möglichkeit Songs zu einem homogenen Set zu formen, das auch für Außenstehende zugänglich ist.

Und genau diese Tatsache ist der Lichtblick für eine in die Jahre gekommen Partyreihe. Roosevelt soll die Verantwortung nicht alleine tragen müssen, vielmehr sehe ich ihn als Sinnbild dafür, dass es eben auch als Indie Lover anders möglich ist. Es kommt nicht von ungefähr, dass sich Roosevelt fast ausschließlich aktuelle Indie Songs für seine Remixe aussucht.

Neben Roosevelt sollten auf jeden Fall auch noch Bilderbuch in diese Kategorie gesteckt werden. Sie sind das beste Beispiel dafür wie man mit Leichtigkeit festgefahrene Regeln durchbrechen kann. Schwarz-weiß-Denken zählt nicht zu den Stärken der Wiener und sollte als Denkanstoß für Indie Disko-Besucher gesehen werden. Ein wenig mehr Lockerheit und Offenheit neuen Songs gegenüber tut niemandem weh und macht das Genre auch gleich viel sympathischer. Dies sind Beispiele für Acts, die in ihren Wurzeln noch immer Indie atmen, sich aber neu erfinden und somit auch für eine größere Zielgruppe attraktiv werden.

Es geht mir hier nämlich nicht darum dem Phänomen der Indie Disko den letzten Gnadenstoß zu verpassen, dafür hege ich zu viel Zuneigung ihr gegenüber. Ich will eben bloß nicht, dass sich die Indie Disko in der Bedeutungslosigkeit verliert. Deswegen ist es auch an den DJs ein wenig von den eben genannten Acts abzukupfern und auch mal Innovation zu zeigen. Dafür muss man den Leuten hinter den DJ Pults jedoch ein Mindestmaß an Vertrauen zusprechen.

Ich weiß nicht, warum das Vertrauen in Indie DJs so extrem kleiner ist als in der Electro Szene. Auf jeden Fall würde ich mir wünschen, dass man die Indie Disko auch mal mit neuen Sachen unterfüttern darf ohne gleich gesagt zu bekommen, man spiele ja eh keinen Indie. Indie DJs sind genau so wenig menschliche Jukeboxes wie die Kollegen aus anderen Genres. Deswegen steckt einfach mal für fünf Minuten euren Musikwunsch weg und tanzt auch mal zu einem Song, den ihr vielleicht noch nicht kennt und ihr werdet sehen, dass der Abend einen positiven Twist nehmen wird.

Es wäre einfach zu schade, wenn aus der Indie Disko ein ähnliches Phänomen wie 90er Partys werden würde. Denn das ist doch genau das, was von den Indie-Nerds gehated werden. Ihr habt es also selbst in der Hand liebe Indie Disko-Besucher.

Auf der zweiten Seite geht´s mit einer Auswahl für das Renouveau der Indie Disko weiter.

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