Dass viele Musiker:innen die Pandemiezeit erfolgreich für neue Projekte nutzen konnten, dürfte mittlerweile bewiesen sein. Da es den Wahlberlinern von Parcels lange nicht möglich war, in ihr Herkunftsland Australien zu reisen, haben sich die Musiker ins Studio zurückgezogen, um dort an ihrem heute erschienen Album „Day/Night“ zu arbeiten.
Tag und Nach – Licht und Schatten. Der Titel des neuen Parcels-Album lässt bereits erahnen, dass hier nicht nur die Sonnenseiten des Lebens beleuchtet werden. Doch zunächst geht es in bester Parcels-Manier optimistisch los. Sommerliche Feelgood-Vibes und verträumte Streicher bilden einen gelungenen Kontrast zur dunklen Jahreszeit. Der typische mehrstimmige Gesang trifft auf helle, verspielte Piano-Sounds und lässt gleichzeitig Raum für einen Hauch Melancholie. Dabei hat musikalische Komplexität selten so unbeschwert geklungen, wie auf der ersten Hälfte von „Day/Night“.
Nachdem „Outside“ mit ausladenden Streichern das Ende des Albums ankündigen könnte, beginnt mit „Shadow“ Teil Nummer zwei. Darauf widmen sich Parcels den Schattenseiten der Existenz: Unsicherheit, Einsamkeit und Verlustängste sind die thematischen Aufhänger dieses Kapitels. Die Akkorde werden düsterer, die Drums bedrohlicher. Ungewohnte Töne aus dem sonst so federleicht anmutenden Parcels-Universum. „Night steht für die dunklere Seite der Psyche… für die Schattenseiten. Einige Texte aus diesem Teil sind auch gar nicht so leicht zu verdauen“ sagt die Band selbst dazu. Dabei gelingt es den Musikern trotz inhaltlicher Schwere so viel Nonchalance zu bewahren, dass Teil zwei nicht zur depressiven Dauerschleife verkommt. Songs wie „Famous“ beweisen, dass auch in den dunkelsten Momenten Raum für etwas Disco-Euphorie gelassen werden darf.
Wesentlich dramatischer beginnt „LordHenry“, eine Referenz an die gleichnamige Figur aus Oscar Wildes „Das Bildnis des Dorian Gray“, der maßgeblich für die Entwicklung des Protagonisten verantwortlich ist. So cineastisch der Song beginnt, so plötzlich ändert er seine Richtung. Nach einer instrumentalen Funk-Passage geht er unverhofft in einen schleppenden Chorus über – und wieder zurück. Die oft gedroschene Phrase vom musikalischen Facettenreichtum darf hier zurecht Verwendung finden. Man hört dem Album an, dass es als gemeinschaftliches Werk von fünf gereiften Musikern entwickelt wurde.
„Wir sind ein sehr rücksichtsvoller Haufen“
Zehn Jahre Bandgeschichte haben die unverschämt gut gestylten Australier mittlerweile vorzuweisen. Seit der Schulzeit machen sie gemeinsame Sache und über die Jahre haben sie auch gelernt, abseits von der Musik als Gruppe zu funktionieren: „Jeder von uns kümmert sich um die anderen… denn wir haben schließlich unsere Leben in diese Sache investiert – unsere ganze Teenager-Zeit. Wir alle wünschen uns sehr, dass es auch weitergeht, und wir können es echt kaum abwarten, dieses neue Album endlich live zu präsentieren.“
Das wird in Deutschland allerdings erst im Herbst des nächsten Jahres möglich sein. Genug Zeit, um sich dem Album zu widmen, das mit einer stattlichen Laufzeit von 96 Minuten genug Zwischentöne zum Entdecken lässt. Nicht nur die sommerlichen, sondern auch die Schattenseiten. Denn auch die stehen Parcels ausgesprochen gut.