Der Künstler David Balfe aus Dublin liefert mit dem Debüt seines Projektes For Those I Love eines der interessantesten musikalischen Entdeckungen im Jahr 2021: Ein ausgelassener Rave wächst mit melancholischer Poesie zusammen – und heilt so tiefe Wunden.
Jeder Mensch verarbeitet Trauer anders. David Balfe (For Those I Love) hat die Musik geholfen. Im Februar 2018 nimmt sich sein bester Freund Paul Curran das Leben. Mit ihm schlägt er sich mehr als zehn Jahre durch die Schwierigkeiten der Nord-Dubliner Working Class. Doch Curran ist für ihn mehr als nur sein bester Freund. Er begleitet Balfe durch seine musikalische Sozialisierung. So spielen beide rund um das Jahr 2016 in der Post-Punk Band Burnt Out, vergleichbar mit The Murder Capital, shame oder Fontaines D.C. Doch Curran ist auch landesweit bekannt für seine Spoken-Word-Poesie über das Leben in den Armenviertel der Stadt. Aber all das erfüllt ihn nicht mehr. Er begeht Suizid. Für Balfe bricht eine Welt zusammen.
Die Songs, die Balfe schreibt, handeln von der Liebe, die ihm seine Freunde und Familie entgegenbringen. Immer schon. So drücke er seine Dankbarkeit aus, sagt er in einem seiner wenigen Interviews. Und auch die eine oder andere Message an das Establishment bringe er unter. Ein Ruf in Richtung der Regierung mit Blick auf die Lage des vom Drogen heimgesuchten und vom Armut verpesteten Norden Dublins: „It’s a lot of anger that we feel under the weight of what can really deafen your love and vitality for living.“ Mit Blick auf den Tod seines Freundes wirkt die Aussage umso tragischer.
Nach dem Suizid seines Freundes entscheidet sich Balfe dazu, seine Gefühle auch weiterhin in der Musik zu verpacken. „I have to keep doing this. This is the way I had been giving thanks to my family and to Paul. It’s an expression for the love we had for each other“, sagt er. Neben der Zuneigung und der Liebe setzt er also einen weiteren thematischen Schwerpunkt, der nun auf der Hand liegt: die Trauer.
Mit seinem Projekt For Those I Love verpackt der Ire seine Worte, ähnlich wie Curran zu Lebzeiten, in euphorisch melancholische Poesie und schützt seinen Lebensmut mit einem ravey Soundgewand. Das erinnert insbesondere an die früheren The Streets inklusive der Durchdringungskraft der Sleaford Mods, gemischt mit Einflüssen aus James Blake, Mount Kimbie, Burial oder Jamie XX.
Balfe überzeugt durch eine enorme Liebe zum Detail, die es in dieser Form selten gibt: alte Sprachnachrichten (auch von Curran), sorgfältig ausgewählte Soundschnipsel aus seinen Lieblingssongs und unzählige Anekdoten seiner Jugend. All das fusioniert zu einem bewegenden Gesamtwerk, das die Hörer:innen eintauchen lässt in die Jugend des Künstlers – und in seine Beziehung zu Curran.
Mit dem Sound befindet er sich auf der Insel in hervorragender Gesellschaft. Die Spoken-Word-Poesie wird im Zuge der neuen Post-Punk-Welle immer weiter nach oben gespült. Das beweisen Künstler:innen wie Sinead O Brien hervorragend. Einen noch passenderen Vergleich lässt sich zur Band Real Lies aus London ziehen. Auch sie kreieren, genauso wie Balfe mit For Those I Love, einen melodischen Afterhour-Schwebezustand mit für jedem zugänglicher Poesie. Mal melancholisch in sich gekehrt, mal aufpeitschend und treibend.
Ähnliches schafft Balfe mit For Those I Love. Er verwandelt seine Trauer in Liebe und Hoffnung. Seine Musik ist die Rückblende auf eine jahrelange Freundschaft, in die sich die Hörer:innen hineinversetzen können. Wie eine langgezogene, verschwommene Erinnerung an einen wunderbaren Moment, den man nie erlebt hat.