Vom Aufstieg und Abschied – Black Country, New Road im Portrait

Die Überflieger von Black Country, New Road veröffentlichen ihr zweites Album mit dem Titel „Ants From Up There“ (4. Februar 2022). Es knüpft an die außergewöhnliche Erfolgsstory der jungen Band an – doch hinterlässt auch Fragen. Denn wie geht man eigentlich damit um, dass der Sänger kurz vor dem Release die Band verlässt?

Der Blick in die Zukunft ist ein Blick in die Glaskugel. Er kann mitunter angsteinflößend sein. Doch wie muss es jungen Musiker:innen einer Band ergehen, der bereits vor ihrem Debüt ein Kultstatus zugesprochen wird? Schnell mehrten sich hochlobende Kritiken, nach denen es in den vergangenen Jahren wenige so interessante Ensembles wie Black Country, New Road (BC,NR) gab. Einer der vielen Bands aus dem Umkreis des bekannten Windmill Club im Londoner Stadtteil Brixton. Und ja: Das Debütalbum „For the First Time“ (2021) beweist das. Die Gründe sind vielfältig.

Da ist die einzigartige Mischung aus Post-Punk, Klezmer, Jazz, Art-Rock und einer Prise Pop, die es schafft, die sonst häufig blasse Gitarrenmusik kompatibel mit der heutigen Zeit zu machen. Denn: Die unkonventionelle Art der sieben Londoner Musiker:innen bringt die Euphorie und Abwechslung zurück, an der es in weiten Teilen der eintönigen Rockszene fehlt.

„Wir wollen die nächsten Arcade Fire sein“

Vielschichtige und teils unaufhaltsam rasante Songfrickeleien – fast zu nah am akustischen Fiebertraum – verlangen den Hörer:innen einiges ab. Einige mögen die stetigen Wendungen und Haken sogar überfordern. Dennoch: Sie bilden das einzigartige Gerüst für die raffinierten, vor Referenzen strotzende stream-of-consciousness Lyrics von Sänger Isaac Wood. Mal gefühlvoll, emotional und hochsensibel, mal fanatisch, angsteinflößend und kurz vor dem Nervenzusammenbruch.

Sie lassen sowohl Kritiker:innen, als auch Gen-Z-Herzen höher schlagen. Da ist er, der im Debüt verankerte Status der Ausnahmeband, die von sich selbst sagt: „Wir wollen die nächsten Arcade Fire sein“. Vielleicht sagten sie dies spaßeshalber, aber ganz verkehrt ist der Wunsch mit Blick auf den weiteren Verlauf der Band nicht. Doch diesen Druck scheinen nicht alle Bandmitglieder auszuhalten.

Der wahnhafte Sound wird zärtlicher

Kurz vor dem Release des zweiten Albums „Ants From Up There“ verkündet der für Black Country, New Road so charismatische Vokalist Wood überraschend seinen Austritt. Er habe ein anhaltendes „trauriges und ängstliches Gefühl“, sagt er. Gleichzeitig Gitarre spielen und singen sitze nicht mehr drin. Die Band muss viele Konzerte absagen. Ganz neu ist das für BC, NR nicht. Bereits der Sänger der Vorgängerband Nervous Conditions verließ die Band. Ihm wurde sexuelle Belästigung vorgeworfen.

Beinahe zeitgleich zu Woods Abschied erscheint „Ants From Up There“ (2022). Es ist ein erneut einzigartiges Album, auf dem Wood noch ein vollständiges Mitglied der Band ist. BC, NR knüpft stilistisch erfolgreich an ihr Debüt an. Auf den ersten Blick schrauben sie die Intensität zwei Gänge herunter. Was auffällt, sind melodische und orchestrale Elemente, die tatsächlich an die Funeral-Era von besagten Arcade Fire erinnern. Der wahnhafte Sound wird zärtlicher und organisierter, bleibt dennoch überschwänglich. Die sieben Londoner:innen spielen ihre Instrumentierung weiterhin mit einer Hingabe aus, die ihres Gleichen sucht. Die Intensität wird auf dem zweiten Blick also nicht heruntergeschraubt. Sie verschiebt sich lediglich.

Ein Gefühl der Leichtigkeit

Musik zu machen, die im Vergleich zum Debüt zugänglicher ist und gleichzeitig einen innovativen Ansatz beibehält, sei etwas, das aus einem gesteigerten Gefühl der Leichtigkeit in der Band hervorgegangen sei, sagt Wood. Man habe sich nicht von der ganzen Aufregung um BC, NR mitreißen lassen, habe eher das Gegenteil gemacht und sei umsichtiger geworden. „Dadurch konnten wir uns wohler fühlen und einfach nur Musik machen“.

Es ist eine Aussage, die mit Blick auf „Ants From Up There“ Sinn ergibt. Und es ist eine Aussage, die zu Woods tapferen Schritt zunächst konträr erscheint. Doch natürlich muss man unterscheiden zwischen der Musik und der Person Isaac Wood. Von außen in die Gefühlswelt eines Menschen einzutauchen, ist nicht möglich. Für Wood ist das Kapitel BC, NR vorbei. Die restlichen sechs Musiker:innen wollen aber weitermachen, wie die Band schreibt. Welche Richtung sie einschlagen wird, ist ungewiss. Denn wer weiß schon, was die Zukunft bringt.

Hört hier „Basketball Shows“ von Black Country, New Road:

 

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