Fujiya & Miyagi in der Maroquinerie

23.9.2016: Boney Miyagi – the M is for Motorik.

In der Maroquinerie stand der Freitag Abend ganz unter dem Sternzeichen der Monotonie. Um etwas genauer zu sein: Der Konzertsaal in Ménilmontant, dem hippen 20. Arrondissement von Paris, lud in Kooperation mit dem Magazin Gonzaï zu einer Gonzaï Night ein. Die drei Bands, die für die Musik sorgten – Camera, Vox Low und Fujiya & Miyagi – bewegen sich, grob gesagt, im Bereich Kraut- und Synthrock. Repetitive, gleichmäßige Musik, im Fall von Camera tatsächlich immer auf einem Grundton aufbauende Rhythmusekstasen. Gewollte Monotonie also, auch wenn man am Ende des Abends den Eindruck hatte, man hätte der Reunion von LCD Soundsystem beigewohnt. Aber dazu kommen wir noch.

Erstmal darf das Trio Camera aus Berlin das Publikum über die Freuden des Krautrock aufklären. Angesichts der Tatsache, dass ein nicht unbeachtlicher Teil der Zuschauer Jahrgang 1970 und älter ist, bedarf es allerdings keiner Lehrstunde in Sachen Can und Neu!. Leider haben Camera Verspätung und daher nur eine halbe Stunde Spielzeit zur Verfügung. Die nutzen sie umso mehr, die Hektik und der Frust finden ihr Ventil in der bis zum Anschlag motorisierten Musik. Kurz bevor die Trance einsetzt, stürzt Drummer Michael Drummer (sic!) sichtlich genervt von der Bühne und lässt seine beiden Mitmusiker ratlos zurück. Der Gitarrist rammt noch ein paar mal sein Instrument in den Boden. Ende des Konzerts.

Während das Set von Camera in heftigen Emotionen geendet hat, ist das von Vox Low geradezu emotionslos. Ihr Coldwave hat weder Farbe noch Veränderung, der simple 4/4 Beat geht einem schon nach dem dritten Song auf die Nerven. Das Quartett wirkt mit seiner doch recht platten Musik etwas fehl am Platz, wurde es von Gonzaï im Vorfeld fälschlicherweise auch als Krautrock bezeichnet – Basstriolen und alte Synths machen noch keinen Krautrock aus, sorry. Trotzdem schaffen es die Pariser, mit ihrer explosiven und ekstatischen Show das Publikum zu begeistern. Am Ende finden sich sogar zwei ausgefeiltere, rhythmisch und harmonisch anspruchsvollere Songs. Auch wenn sie nicht die „Zukunft des französischen Electro“ (Gonzaï) sind, emulieren sie im Endeffekt doch ganz gut die dunklen Seiten seiner Vergangenheit.


Schon von den ersten Tönen an wippen die Füße, Köpfe und Hüften. Je weiter der Abend fortschreitet, desto mehr wähnt man sich bei einem illegalen Tanzwettbewerb.


A propos Vergangenheit: Erinnert ihr euch an den Dance-Punk der Nuller Jahre? Out Hud, LCD Soundsystem, the Rapture, all diese Bands, die den Glamour und die Sexyness von Disco mit der Energie und der Räudigkeit von Punk durchsetzt haben? David Best und Steve Lewis waren und sind noch Teil jener Szene mit ihrer Band Fujiya & Miyagi. Im Jahr 2000 gegründet, wurden sie mit ihrem dritten Album Lightbulbs und dem Song „UH“ einer breiteren Öffentlichkeit bekannt.

Acht Jahre später haben sie zwei weitere Album veröffentlicht, eine EP-Trilogie ist auch unterwegs. Genug Material also, um den vollen Saal der Maroquinerie zum Tanzen zu bringen. Schon von den ersten Tönen an wippen die Füße, Köpfe und Hüften. Je weiter der Abend fortschreitet, desto mehr wähnt man sich bei einem illegalen Tanzwettbewerb. Best, Sänger und Kopf der Band, flüstert mehr als dass er singt und fixiert währenddessen die Tanzfläche mit seinem stoischen Blick. Während der ersten beiden Songs versteht man erneut nicht ganz, warum im Vorfeld von Krautrock die Rede war, Fujiya & Miyagi sind doch offensichtlich Disco Freaks, oder?

In Wirklichkeit steht die Band, die sich nach einem Charakter aus Karate Kid und einer Plattenspielermarke benannt hat, ein Stück abseits von den üblichen Dance-Punk Formationen. Parallel zu den minimalistisch-psychedelischen Exzessen der genialen Clinic haben Fujiya & Miyagi einen Weg gefunden, den hypnotischen Effekt und die ewige Hipness von Krautrock in das ansonsten recht ausgelutschte Genre des Dance-Punk zu importieren.

Anderthalb Stunden lang hat man den seltsamen Eindruck, zwei Konzerten beizuwohnen, so oft wechseln Best und Co vom Tanz- in den Trancemodus. Nach einer Zugabe, während der sie auch den neuen Song „Outstripping (The Speed of Light)“ von der im Oktober erscheinenden EP spielen, holen sich die Briten ihren verdienten Applaus ab. Mittvierziger dazu zu bringen, so ohne Scham mit sämtlichen Körperteilen zu tanzen wie es sonst nur Teenager tun, die noch nicht wissen, wie man „cool“ tanzt – das schaffen nur wenige Bands.

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