Sound im Wandel – Search Yiu im Interview

Am morgigen Freitag erscheint „Alles was ich habe“, das neue Album von Search Yiu. Wie schon auf seiner vorherigen EP „Halt mich wach“ und den bisher veröffentlichten Singles ist eine klare Weiterentwicklung seines Sounds zu beobachten. Um über diesen Wandel, die Musikbranche und Herausforderungen innerhalb dieser zu sprechen, trafen wir ihn in Berlin im Volkspark am Weinberg zu einem Interview.

Nach seinem ersten Longplayer „Ride On“ aus dem Jahr 2016 war es eine Zeit lang etwas ruhiger um Search Yiu. Letztes Jahr erschien dann überraschend ein neuer Track mit dem Titel „Alles anders“. Ein passender Titel, der eigentlich ein neues Kapitel im Buch Search Yiu einschlug. Nicht nur, dass er in seiner Muttersprache sang, sondern auch eine gewisse Veränderung im Sound war zu bemerken. Darauf folgten weitere Tracks und schließlich die EP „Halt mich wach“. Danach blieb Search Yiu weiterhin busy, haute neue Singles raus und spielte unter anderem Support für Shows von Drangsal und Rockstah. Nun erscheint sein neues Album „Alles was ich habe“, welches seinen Sound weiter definiert.

Im Vorfeld hast du einige Singles des Albums nach und nach rausgehauen. War es geplant, dass aus diesen letztendlich ein Album entsteht?

Ne, null. Ich wollte eigentlich Singles machen das ganze Jahr über. Dann war ich aber ’ne Woche im Studio. In so einem kleinen ohne Fenster. Da war ich mega produktiv. Tatsächlich war ich dort sogar die meiste Zeit alleine.

Teilweise fange ich die Beats selbst an und teilweise lasse ich sie mir von Freunden schicken, von Rip Swirl zum Beispiel, der auch die Hauptproduktion für das neue Album gemacht hat. Dementsprechend hatte ich einige Skizzen rumliegen, an denen ich dann weitergearbeitet habe. Dann dachte ich: „Wenn ich die drei Songs, die ich bereits draußen habe, noch dazu nehme, habe ich schon 9 Songs.“ Zufällig war Mia (Morgan) zu diesem Zeitpunkt in Berlin und dann habe ich gesagt: „Kommst du rum? Ich habe hier noch ’ne Skizze.“ Kurz darauf hat sie also noch auf den Track gesungen und somit waren es insgesamt 10 Songs. Dann dachte ich „Why the fuck not?“

Welche Bedeutung hat das Medium „Album“ im Jahr 2019 noch?

Da unterhalte ich mich tatsächlich mit vielen Leuten drüber. Es gab so Leute aus der Industrie, die zu mir meinten: „Mach lieber Singles.“ Vermutlich weil es besser für die Streamingzahlen ist. Ich hab bisher nur eine EP („Halt mich wach“) und „Ride On“ von 2016, was für mich aber eher ein Mixtape ist.

„Alles was ich habe“ fühlt sich jetzt mehr an, wie ein Debütalbum. Und das wollte ich auch. Außerdem habe das Gefühl, dass die Leute sowas auch gerne haben wollen und man gut damit Arbeiten kann. Dass man sich ein Konzept überlegt und alles darum herum aufbauen kann. Ich glaube also nicht, dass das Album jemals aussterben wird. Danach mach ich wahrscheinlich aber auch erstmal wieder Singles (lacht).

Dadurch, dass ein Album auch meist etwas Zusammenhängendes ist, kann man es ja auch gut als Ganzes vermarkten.

Voll! Es hat auf jeden Fall auch einen roten Faden. Dazu kommt, dass ich noch an einem kleinen Trauma leide, weil ich so lange nichts released habe. Damals hatte ich noch ein Management, mit dem ich nicht so gut connected habe. Ich wurde immer eher gebremst, Sachen zu releasen, obwohl ich immer viel fertig hatte.

Deshalb habe ich mir seit der EP geschworen, dass ich so viel wie möglichen releasen möchte. Wenn ich die übrigen sieben Songs weiter einzeln veröffentlicht hätte, dann wäre das über einen Zeitraum von zusätzlichen sechs bis sieben Monaten gewesen. Das wollte ich nicht.

Du sagtest, „Alles was ich habe“, fühlt sich für dich wie dein Debütalbum an. Wodurch zeichnet sich dein neues Album im Vergleich zu deiner bisherigen Musik aus?

Naja, ich bin halt in erster Linie besser geworden! (lacht) Ich denke, insgesamt habe ich mich einfach weiterentwickelt. Sei es textlich, als auch musikalisch. Außerdem habe ich mit den richtigen Leuten zusammengearbeitet, was eine extrem große Rolle spielt.

Auch glaube ich, dass ich noch mehr meinen eigenen Sound gefunden habe. Die Musik vor der EP klang zwar schon nach mir, aber jetzt habe ich meinen Sound gefunden; so wie ich bin und auch sein will. So blöd das auch klingen mag.

Warum der Switch auf Deutsch?

Also erst einmal, weil ich angefangen habe, deutsche Musik zu konsumieren; speziell Deutschrap. Das habe ich vorher nicht getan. Dazu hat mein ganzes enges Umfeld deutsche Musik gemacht. Irgendwann hatte ich dann einfach Bock und dachte, ich probier es. Dabei habe ich gemerkt, dass ich mich viel wohler damit fühle und dass ich mich natürlich, weil es eben meine Muttersprache ist, viel besser ausdrücken kann. Im Englischen war ich immer so ein bisschen eingeschränkt. Das bin ich jetzt gar nicht mehr.

Du hast vorhin ja schon angesprochen, dass Rip Swirl die Hauptproduktion des Albums gemacht hat. Wie ist diese Zusammenarbeit zustande gekommen?

Luka (Rip Swirl) spielt in der Love Hotel Band von Yung Hurn. Da wiederum spielt auch noch ein anderer Freund von mir mit. So habe ich also von ihm erfahren und mir seine Sachen auf Soundcloud angehört. Danach hab ich ihm geschrieben, ob er mal Bock hat, was zu machen. Dann haben wir uns kennengelernt und letztes Jahr „Alles anders“ zusammen gemacht. Das hat so nice geklappt, weil er ein extrem entspannter Typ ist, aber eben auch immer alles on point macht und sehr zuverlässig ist.

Inzwischen haben wir uns sehr gut angefreundet und hängen richtig viel rum. Deshalb war es dann für mich selbstverständlich, dass ich mit ihm das Album machen will und er hatte zum Glück auch Bock! Ich bin ihm da auch unendlich dankbar. Wir waren dann auch viel bei ihm im Studio, ohne, dass ich ein Budget hatte. Also alles auf Freundschaftsbasis.

Du hast bewusst auf ein Label verzichtet und machst alles in Eigenregie. Warum hast du dich dafür entschieden und was sind die Vor- und Nachteile?

Ich bin jetzt schon länger im Musikbusiness unterwegs, habe auch teilweise mal hinter den Kulissen gearbeitet. Ich find es auch geil und will in der Industrie bleiben; immer und egal wie. Aber teilweise ist es auch fucked-up, wie es im Show-Biz vermutlich überall ist. Man kriegt super viel Bullshit erzählt, das habe ich über die Jahre gelernt. Am Anfang, als ich neu in Berlin war und mich Labels etc. eingeladen haben, war ich richtig hyped. Meistens ist es aber das selbe Gelaber. Man merkt, dass ganz viele sich quasi nach einem Handbuch orientieren. Aber natürlich auch nicht alle, ich habe auch viele gute Leute kennengelernt und ich will es nicht pauschalisieren.

Außerdem dauert es immer ewig. Wenn ich das Album jetzt über ein Label hätte veröffentlichen wollen, hätte ich zuerst einmal schauen müssen, mit wem quatsche ich. Dann hätte man sich getroffen und wenn überhaupt was zustande gekommen wäre, dann hätte es lange gedauert, bis es released worden wäre. Das wollte ich auf keinen Fall. Also habe ich gesagt, mache ich das Self-Release.

Bei einem Self-Release steht dann ja vermutlich aber auch entsprechend viel Mehrarbeit dahinter.

Es geht eigentlich. Also momentan mache ich super viel selbst, da ich gerade auch kein Management habe. Das wollte ich aber auch so, weil ich mir gedacht habe, das kann ich selbst alles handeln. Hier und da gibt es so Dinger, wo ich denke: „Ah, shit! An das habe ich jetzt gar nicht gedacht!“ Aber ich habe natürlich auch ein Team an Leuten, die mir helfen und Rat geben. Ich bin also nicht komplett auf mich allein gestellt.

An sich ist es ja auch easy, etwas zu releasen, wenn man es nur digital macht. Ich habe einen Vertrieb und die gucken, dass die Songs für Playlists gepitcht werden, was momentan ja so das Wichtigste ist. Ansonsten find ich es einfach gut, dass man alles selbst in der Hand hat. Ich darf releasen was und wann ich will. Das ist ein sehr gutes Gefühl!

Nicht nur professionell, sondern auch privat bewegst du dich in dem Kreis um Drangsal, Die Nerven, Mia Morgan etc. Sowohl Max (Drangsal) als auch Mia (Morgan) sind auf deinem neuen Album als Featuregäste vertreten. Wie ist es für dich, in diesem (hauptsächlich der Gitarrenmusik zugeschriebenen) Kreis derjenige zu sein, der eher Musik in Richtung R&B macht?

Da habe ich ehrlich gesagt noch nie so drüber nachgedacht. Ich fühle mich sehr wohl in dieser Gruppe, ich meine, das sind alles gute Friends. Ich finde alles geil, was die machen und fühle es zu 100%.

Entsprechend habe ich mir auch noch nie Gedanken darüber gemacht, dass ich innerhalb meiner Crew am meisten von dem Fokus auf Gitarrenmusik abweiche. Letztendlich ist das aber auch okay so! Ich meine, Max und Mia sind ja trotzdem auf meinem Album und konnten mir ihren Input geben. In beiden Fällen ist es eine sehr schöne Kombination geworden. Dieser Mix ist  für mich etwas sehr bereicherndes. Dadurch gibt es immer frischen Wind.

In deinem Podcast „Kein Thema“ redest du in der Episode mit Mia unter anderem auch über psychische Problematiken. Auch auf deinem Album beschäftigst du dich teilweise mit dieser Thematik. Mit welchen Herausforderungen hat man diesbezüglich als aufstrebender Indiemusiker zu kämpfen?

Es ist schon schwierig, klar. Ich habe natürlich auch noch einen anderen Job haben müssen, mit dem ich mir mein Geld verdient habe. Das hindert einen natürlich aber immer ein bisschen daran, sich komplett auf die Musik zu konzentrieren.

Dann auch das, was ich vorhin schon angesprochen habe. Dass einem in der Musikindustrie immer viel versprochen wird. Gerade, wenn man neu in dieser Branche ist und man erstmal alles glaubt, was einem erzählt wird. Da war es schon schwierig, zu lernen, nicht jedem direkt alles abzukaufen. Letztendlich war es aber schon immer mein Traum, davon leben zu können und das kann ich jetzt. Deshalb geht es mir ziemlich gut gerade! Die psychische Verfassung hängt natürlich nicht nur mit der Musik zusammen oder wie ich mich künstlerisch verwirkliche. Aber es spielt sicherlich eine Rolle.

Inwiefern ist deine Musik für dich ein Medium, mit diesen Themen umzugehen?

Meine Musik hilft mir da extrem. Wie so eine Art Eigentherapie. Ich glaube das geht den meisten Artists so. Für mich war meine Musik bisher die beste Therapie. Besser als die Therapeuten, die ich bislang hatte. (lacht)

Was müsste sich im System ändern, dass es junge, aufstrebende Künstler*innen einfacher hätten?

Also es gibt ja schon Förderungen und zum Beispiel auch die KSK (Künstlersozialkasse). Aber insgesamt habe ich schon das Gefühl, dass komplette Newcomer*innen es schwerer haben, sowas zu bekommen, als welche, die schon etwas erfolgreicher sind. Es gibt zum Beispiel so Richtlinien, wie viel du aus künstlerischen Tätigkeiten verdienen darfst und wie viel aus anderweitigen Jobs. Das ist dann auch tricky, wenn du dein Geld verdienen musst, aber mit der Musik noch nicht ausreichend reinkommt. Gleichzeitig darfst du aber aus den anderen Tätigkeiten nicht mehr verdienen. Vielleicht könnte man es dahingehend ein bisschen umstrukturieren.

Insgesamt stellt sich ja in diesem Zusammenhang auch die Frage nach der Kausalität. Also, ob Künstler*innen durch ihre generelle psychische Konstitution dazu neigen, anfälliger für psychische Probleme zu sein oder ob das System, also die Außenfaktoren da die Hauptrolle spielen.

Ich finde, das ist in etwa die selbe Frage, warum es zum Beispiel auch bei Freundeskreisen teilweise so ist, dass viele aus der Gruppe psychische Struggles haben. Da ist es glaube ich so, dass es ja auch eine Ebene ist, wo man connected. Wenn man sich gegenseitig versteht und weiß, wie jemand fühlt. Aber ich kann dir natürlich auch nicht beantworten, ob entsprechende Menschen dann eher Musik machen oder ob man durch die Außenfaktoren innerhalb der Musikbranche letztendlich auf diese Art belastet wird.

Wer Search Yiu live sehen will, hat die Chance dazu am 27. September im Musik & Frieden in Berlin, zu seinem ersten Headline-Konzert.

Hört hier „Würde für dich sterben“ vom neuen Album von Search Yiu:

Fotos: Iga Drobisz
Design: Dion Schlesiger

 

 

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