Über Heimat – NALI im Interview

NALI wächst in Berlin-Wilmersdorf auf, zweisprachig. Deutsch und Englisch – manchmal vergisst er in unserem Gespräch ein deutsches Wort und macht dann einfach auf Englisch weiter, weil er es kann. Als Sohn einer nigerianischen Filmemacherin und eines deutschen Schauspielers bekommt er beide Seiten mit. Die Wut, den Hass auf Menschen, die „anders“ sind als der Rest, aber auch das Privileg wie ein Weißer behandelt zu werden.

„So how are you? Your daddy was here. He told me that you’ll make some film here. 
Make yourself comfortable. You’re welcome.“ sagt der Mitarbeiter des Restaurants, in dem wir sitzen und klopft mir auf die Schulter.

Die kennen deine Familie hier?

Ja die kennen sich. Der Laden hat vor 2-3 Jahren aufgemacht. Ich geh hier gerne hin, das erinnert mich ein wenig an Nigeria. Meine Mutter kommt ja daher und mittlerweile merkt man bei mir schon eher, dass ich nicht so ganz Deutscher bin. Als ich ein kleines Kind war, sah ich aus wie jeder 0815 white boy. Wenn dann das ein oder andere mal in meiner Freundesgruppe ignorante Sprüche gefallen sind, habe ich mich schon ein bisschen awkward gefühlt.

Ich kann mich noch daran erinnern: in der Schule, so 3. Klasse und ich warte mit einem Kumpel draußen und dann kommt meine Mum mich abholen und er sagt: „That’s your mom?! Oh…“ You know what I’m saying?

Gab’s Phasen in deinem Leben, wo du nicht wusstest, wer du wirklich bist?

Ich glaube das macht jeder durch in der Pubertät. Es ist normal, dass du irgendwann ein Identitätskomplex hast. Ich hatte einfach Glück, dass meine Mum so einen guten Job gemacht hat, mich darüber zu informieren, wo ich herkomme oder wo sie herkommt. Ich hatte einfach gute Eltern, gute Familie um mich herum, gute Freunde. Leute, die mir zugehört haben, die sich für mich interessiert haben. Deswegen habe ich diese Zeit easy überstanden.

Das kriegt nicht jeder hin – wie war das in deinem Umfeld?

Ich habe bei vielen Freunden miterleben dürfen, wie sie anders behandelt werden. Von Schülern, Lehrern, Polizisten. Ich habe solche Probleme nie am eigenen Laib erfahren. Aber, und ich glaube das ist einzigartig an meiner Perspektive, dass ich es verstehe. Ich wurde von einer afrikanischen Frau geraised, aber gleichzeitig von der Welt wie ein Weißer behandelt.

Jetzt warst du wieder in Nigeria. In Lagos hast du ja auch dein Musikvideo zu „Abendrot“ gedreht, wie war das?

Das war der spaßigste Videodreh, den ich je hatte. Die Leute haben mir die Stadt gezeigt während wir geshootet haben. So habe ich Lagos noch nie kennengelernt. Jedes mal als ich da war, habe ich mich immer an die Pläne meiner Mutter gehalten. Wo sie hinging, bin ich mit.

Jetzt war das allererste Mal, dass ich in dieser Stadt war mit so Leuten, die mich nicht wirklich kannten. Wir waren am chillen und haben geshootet und ich hab mich so gefühlt, als würde ich zum ersten Mal diesen Ort so richtig kennenlernen. Aus der Perspektive eines Einmischen. Das war ein krasses Gefühl, weil ich so willkommen war.

Zurück nach Deutschland. Du bist auf eine internationale Schule gegangen – auch mit KazOnDaBeat.

Also als ich Kaz kennengelernt habe, in der 7. oder 8. Klasse – das war schon special. Sowas gibt’s nur einmal im Leben. Eine Person, mit der man so eng befreundet ist, die man genau in diesem Moment kennenlernt, wo man vom Kind zu einem jungen Erwachsenen wird. Man findet diesen einen Freund und sagt so: We conquer the world together. Dafür bin ich unglaublich dankbar in der Schulzeit. Dieser internationale Raum, wo man so viele Leute kennengelernt hat, aus verschiedensten Backgrounds. Genau das hat mir die Chance gegeben mich normal zu fühlen. Alle kamen irgendwo her, jeder hatte seinen Background – das war halt total normal.

Seitdem Kaz und ich gesagt haben: Jetzt ziehen wir durch, ist unser bond so stark. Wir haben gemeinsame Ziele. Wir sehen uns nicht so oft, aber wir arbeiten ja auch zusammen, das macht die Sache mit dem Treffen leichter.
Und Kaz ist eine Person, er weiß einfach. Er weiß wie, was, wo, wann.
I’m so proud of him.

Wie ist es denn zur Zusammenarbeit mit Samon Kawamura in deinem neuen Album gekommen?

Hat sich bisschen von selbst ergeben. Ich hab das erste Beat Pack gekriegt und ich war so: damn, this is exactly what I wanna do. Dann habe ich mir richtig Mühe gegeben gute Songs aus diesen Beats zu machen und hab’s ihm so geschickt. Er hat dann ziemlich zügig ’nen Mix zurückgesendet und ich wusste dann relativ schnell: Ok das wird was.

Der Typ ist ja Monsterproducer, Platinproduzent, der hat, was weiß ich schon alles gemacht. Ich wusste einfach, ich muss das machen, weil es mich so endviel weiterbringt. Wir haben uns im Studio in Kreuzberg getroffen. Ihm wars wichtig, dass, wenn wir einen Release zusammen machen, wir uns auch richtig kennenlernen. Er ist ein älterer Typ, etwa 40, mega interessiert zu hören, wo ich herkomme, was in der New Wave abgeht. Meinte: Stell mir mal Kaz vor, stell mir mal XAVER vor. Not even aus dem cultural interest shit – einfach, weil er ein richtiger Musiker ist. Der produziert mainly HipHop und hiphop is new youth culture. So he knows – he needs to be in touch with the youth, aber auf so eine ehrliche Art und Weise.

Wie meinst du das?

Es ist total was anderes wenn du mit einem 40 jährigen Produzenten arbeitest. Die Konversationen… da kann man nicht einen kiffen und dann sagen ok, let’s go, sondern es geht so um die erwachseneren Dinge.
Like morals, Interessen. Heutzutage nennt man das wahrscheinlich Deeptalk. Über Sachen reden, die uns wirklich wichtig sind oder die uns sehr am Herzen liegen. Wir haben uns sehr viel über Weltschmerz unterhalten.

Das fand ich voll sweet, als er so gesagt hat, dass er sich Sorgen um unsere Generation macht. Wir sind alle ein bisschen so: Where is this all going? Is there even hope?

NALI veröffentlicht dritte Single "Abendbrot" und kündigt neues Album an

„Ich glaube HipHop wird in Deutschland noch nicht zu 100% ernst genommen als die Kunstform, die sie eigentlich ist.“

Gibt es denn noch Hoffnung für unsere Generation?

Ich glaub es sieht auf jeden Fall nicht gut aus, aber die Hoffnung aufzugeben wäre einfach langweilig. Und ein bisschen arrogant. Zu behaupten, es gäbe keine Hoffnung heißt verstehen zu können, was vor sich geht. Und das würde ich nicht unterstützen, weil, ich habe keine Ahnung was hier passiert.
Meistens habe ich das Gefühl, dass Leute sehr schnell andere Perspektiven sofort smashen wollen. Es ist so viel einfacher irgendwas zu hassen, als zu versuchen es zu verstehen.

Du hast dich sehr lange geweigert auf Deutsch zu rappen, geht doch in die ähnliche Richtung, oder?

Ja, ich hab es mir leicht gemacht. Etwas, was ich nicht verstehe einfach abzustoßen und zu sagen: das ist whack und deswegen muss ich’s nicht machen. Irgendwann habe ich aber gemerkt, dass es eine Chance sein kann, das weiter zu machen, was mir gefällt. Ich kann immer noch auf Englisch rappen, aber keine Ahnung. Das bringt mich nicht so viel weiter wie Deutschrap. Wenn ich Deutschrap rausbringe merk ich, Leute sind there for that, die freuen sich drauf. Wenn ich englische Musik rausbringe, bekommt das keiner mit.

Woran liegt das?

Wenn du als Deutscher englische Mukke rausbringst heißt es sofort: „Oh warum machst du das auf Englisch, hältst du dich für was besseres?“.
Im Deutschrap fällt es den Leuten schwer Sachen ernst zu nehmen. Wenn du dir anguckst, was alles so richtig groß ist, das sind alles Sachen, wo sehr viel Humor mit verbunden ist. Ich glaube HipHop wird in Deutschland noch nicht zu 100% ernst genommen als die Kunstform, die sie eigentlich ist. Das ist irgendwie schade.

Die 3. Videosingle von „Asche“, dem neuen Album von NALI: