Spiel, Satz, Lied – So war es beim Immergutfestival 2018

Sonne satt, Schnickschnackschnuck, ein Konzert des Headliners im Birkenhain, heisere Stimmen von „Don’t Look Back In Anger“ – der gemeinsamen Vorliebe für gute Musik in feiner Gesellschaft konnte auch ein Stromausfall nichts anhaben. In unserem Nachbericht vom Immergutfestival 2018 schwelgen wir noch einmal in Erinnerung und erzählen euch, welche Künster uns besonders gut gefallen haben.

Als am Festivalfreitag auf den Wiesen am Bürgerseeweg in Neustrelitz so langsam eine kleine Zeltstadt entsteht, spürt man nicht nur die Wiedersehensfreude der Besucher, sondern auch die Sonne auf der Haut – das Wetter stimmt. Für viele Gäste ist das kleine Indie-Festival in der Mecklenburger Seenplatte Tradition: Beweisen die Macher doch Jahr für Jahr ihr Gespür für gute Musik – denn große Headliner kann beinah jedes Festival liefern, wertvolle Musiktipps jedoch nur wenige.

Seine Kreativität hat das Team vom Immergutrocken e.V. nicht nur musikalisch wiederholt bewiesen. Unter dem Motto „Spiel, Satz, Lied“ konnten die Festivalbesucher in diesem Jahr ihren sportlichen Ehrgeiz unter Beweis stellen. Bei verschiedenen Disziplinen wie beim Schnickschnackschnucken oder beim Wettsingen auf der Aftershow-Party traten die einzelnen Teams TSV Tennisarm, SV Meniskus und SG Faserriss gegeneinander an. Freund oder Feind? Ein prüfender Blick aufs Festivalbändchen verriet, ob der Zeltnachbar oder die neue Bekanntschaft vom Bierstand auf der richtigen Seite um den Sieg kämpft.

Die musikalische Startaufstellung stammte in diesem Jahr vorrangig aus dem Dunst der deutschen Musiklandschaft: Neben alten Größen wie Kettcar und Olli Schulz, gaben sich auch Die Nerven, Gurr, Ilgen-Nur, Lambert und Das Paradies die Ehre. Im Vergleich zu den vergangenen Ausgaben des Immergutfestivals waren internationale Acts im Programm eher spärlich vertreten. Insbesondere Freunde der Hamburger Schule und deutschsprachiger Texte kamen wohl deshalb am letzten Wochenende auf ihre Kosten.

Der Festivalfreitag begann mit einer Lesung von Anja Rützel, die anschließend die Bühne für Ilgen-Nur Borali und ihre Konsorten frei gab. Die Hamburger Band ist längst kein Geheimtipp mehr: Der Zeltplatz wurde von vielen Musikliebhabern kurzerhand gegen die pralle Mittagssonne vor dem Birkenhain getauscht. „Even the bags under your eyes are nice“, Ilgen! Ebenfalls ein Highlight war mit Sicherheit die Lesung der 11 Freunde. Anekdoten aus dem Fußballjournalismus erheiterten nicht nur Fans der ersten Stunde sowie Abnehmer des bekannten Magazins für Fußballkultur, sondern erheiterten auch die Gemüter von Sportverweigerern. Spätestens mit den witzigsten Fußballverletzungen der Sportgeschichte schlich sich auch ein ehrliches Grinsen in die Gesichter der Fußballhasser: Wenn ein Kicker ausfällt, weil er sich am Frühstückstisch die Daumenkuppe beim Käsehobeln absäbelte, wird das Leid anderer eben zum Spaß der Festivalgemeinschaft.

Mitten im Konzert von Drangsal, der auf der Zeltbühne sein Publikum auch ohne Strom weiterbegeisterte, wurde es plötzlich dunkel auf dem Festivalgelände. Aggregator und Notstromaggegrator hatten den Geist aufgegeben und machten der Fortführung des musikalischen Programms einen Strich durch die Rechnung. Ausharrende Festivalbesucher und Künstler mussten auf einen Ersatzaggregator warten. Um den Frust zu überwinden und die Zeit zu überbrücken, wussten die Mitglieder vom Immergutfestival, was die Herzen begehrt: Freibier. Gemüter wurden besänftigt, eine Lösung wurde gefunden. Das musikalische Programm würde an diesem Abend nur noch im Birkenhain stattfinden können, hieß es vom Veranstalter. Na, ob das die Headliner mitmachen? Ob die Technik das schafft? Die Nerven, Kero Kero Bonito und selbst Ty Segall ließen es sich nicht nehmen, trotz der Umstände für das Festivalpublikum zu spielen. Wie kooperativ sich die Bands zeigten, lies sich auf einem Aushang nachlesen. Wichtig zu ergänzen: Wir sprechen hier von einem Teamgeist, der auf dem Immergutfestival nicht nur Teil des diesjährigen Mottos ist, sondern traditionelles Programm.

Immergutrocken e.V.: „The situation is: our powerblock broke down and we cannot continue any shows on the tent and main stage:“
Ty Segall Tour Manager: „So we’ll play the small stage.“
Immergutrocken e.V.: „If that’s okay with you?“
Ty Segall Tour Manager: „Fuck it. Yeah, let’s do it.“

Beeindruckend war jedoch nicht nur die Flexibilität und das Verständnis von Headliner Ty Segall. Auch Die Nerven, eigentlich für die Zeltbühne angekündigt, lieferten im Birkenhain eines der besten Konzerte des Festivalwochenendes ab. Mit „Barfuß durch die Scherben“, „Niemals“, „Angst“ und Co. stellten die Jungspunde ein Best-Of ihrer bisherigen Veröffentlichungen zur Schau.

Erleichterung dann am Samstag: Der Strom funktioniert wieder! Nach einer Abkühlung in einem der umliegenden Seen schallte pünktlich ab 16:15 Uhr wieder Musik über das Festivalgelände. Sam Vance-Law durfte nach der längeren, ungeplanten Pause am Vorabend als erster Act wieder die große Waldbühne bespielen. Der charmante Kanadier eroberte im Handumdrehen die Herzen des Publikums. Es sei das beste Konzert, was er bisher mit seinem Debüt als Popmusiker gespielt hätte – „Okay, es waren ja auch nur drei oder vier bisher“, fügt er hinzu. Und nicht nur seine eigenen Songs dirigiert Sam Vance-Law mit Bravur live, sondern auch „My Old Man“ von seinem alten Freund Mac DeMarco. Gut, dass wir uns bereits auf die Tour im Herbst freuen können. Zu schnell war dieser Auftritt wieder vorbei.

Die musikalische Neuentdeckung lieferte uns an diesem Wochenende definitiv Pom Poko. Verhielt sich das Publikum zunächst ruhig, entstand nach einer Zeit des Bekanntmachens eine zutiefst begeisterte Stimmung im Zelt. Sängerin Ragnhild Fangel entpuppte sich auf der Bühne als wahres Energiebündel und als echte Anheizerin. Es dauerte nicht lange, bis der Holzboden zum punkigen Sound der Norweger in der Zeltbühne zu beben begann.

Überraschend war auch der Auftritt von Olli Schulz. „Naja, den schauen wir uns an, aber mal sehen“, vernahm man vereinzelt. Immerhin war er früher noch ein waschechter Musiker. Heute kennen die meisten ihn nur noch aus dem Fernsehen oder aus seinem Podcast mit Jan Böhmermann. Mit seinem Konzert auf der Waldbühne hat Olli jedoch bewiesen, dass er im Herzen trotzdem noch ganz der Alte ist. Und das Publikum wohl auch. Textsicher wurden „Und dann schlägt mein Herz“ und andere Hymnen in die Nacht hinausgegrölt.

Mit Kettcar kehrte nach dem lauten Konzert von Gurr schließlich eine ruhige Atmosphäre ein. Alte Hasen stehen da auf der Bühne, und stellen ihr Können unter Beweis, obwohl es längst niemand mehr von ihnen erwartet. Denn Kettcar sind live gut, und waren es auch auf dem Immergutfestival. „Schön, dass im Publikum auch einige U30-Fans stehen“, freut sich Marcus Wiebusch. Und das Publikum freut sich auch. Sind es doch gerade Songs wie „Landungsbrücken raus“, die den Musikgeschmack in der Jugend maßgeblich beeinflusst haben.

Das Festivalwochenende klingt zu elektronischen Klängen von Makeness und Ada im Birkenhain sowie zur Aftershowparty im Zelt aus. So schnell wie das letzte Maiwochenende da war, ist es auch schon wieder vorbei. Allerdings nicht, ohne dass alle Feierwütigen noch einmal wehmütig „Wonderwall“ und „Don’t Look Back In Anger“ singen. Danke, liebes Immergut!

Fotos: Anne Breitsprecher

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