Drangsal und Lea Porcelain verschwinden in Sound und Nebel, Ibeyi legen einen Power-Auftritt hin und Mac DeMarco eskaliert komplett – wir waren für euch bei einigen Konzerten des diesjährigen New Fall Festivals, die unterschiedlicher nicht hätten sein könnten.
Auch in diesem Jahr bietet die 8. Auflage des New Fall Festivals für Jedermann wieder ein spannendes und vielfältiges Programm. Schön ist das vor allem, weil es das Lieberhaber-Festival Jahr für Jahr schafft, Konzertgänger in neue Locations der Stadt zu großartigen Künstlern zu locken. Fragt man Festival-Besucher wieso sie hier sind ist die Antwort immer dieselbe: Das schöne Ambiente und der Reiz, sich auf Neues einzulassen. Das New Fall ist eine Konzertreihe zum Verlieben und Kennenlernen. Dabei ist es den Veranstaltern ein großes Anliegen Vielfalt und Abwechslung auf die Bühne zu bringen.
Und auch die Nachhaltigkeit spielt eine große Rolle an diesem Wochenende. So suggerieren die Organisatoren ihre Besucher anhand von kostenlosen Nahverkehrstickets, die sich auf jeder Konzertkarte befinden, CO2-arm zu den Veranstaltungen anzureisen. Die Künstler werden mit E-Autos zu ihren Konzerten durch die Stadt gefahren und das angebotene Essen ist regional. Damit will das New Fall ein Zeichen für Nachhaltigkeit setzen. Nebenbei sammelt das Festival seit dem vergangenen Jahr auch Spenden für einen New Fall Wald, der die Stadt Düsseldorfer noch grüner machen soll.
Mac DeMarco: Zwischen intimer Folklore und absoluter Eskalation
Der kanadische Multiinsturmentalist macht im ausverkauften Robert-Schumann-Saal seinem Genre aus 70s-Hippie alle Ehre. Schon von Beginn an merkt man, dass Mac DeMarco ein richtig guter Live-Musiker ist. Stimmlich wie auch Soundtechnisch kommt die intime Folk-Atmosphäre beim Publikum sofort rüber, die den Musiker gebührend feiern. Allgemein besteht die Menge an diesem Abend aus einem jüngeren Publikum.
Das Set von Mac DeMarco ist wie ein Theaterstück in zwei Akten. So beginnt die Show des Multiinstrumentalisten relativ ruhig mit schönen Singer-Songwriter-Stücken des Musikers. Während des Konzertes schwankt die Stimmung aber beachtlich. Auf der Bühne wird es hektischer, immer mehr Redepausen, bestehend aus ironischen rauen Stand-Up-Comedy-Elementen zwischen Mac DeMarco und seiner Band beleben die ruhigere Stimmung. Neben den zahlreichen amüsanten humoresken Einlagen ist das Set aber allgemein gut durchmischt und enthält neben zahlreichen neuen Songs der aktuellen Platte „This Old Dog“ auch viele alte bekannte Nummern.
Was sich im Verlauf des Abends schon anbahnt eskaliert in der letzten Stunde des Konzerts komplett. Irgendwann macht Mac DeMarco im Saal nach einem seiner Songs einen klassischen Mic drop, verzieht sich von der Bühne und kurzerhand übernimmt sein Gitarrist das Mikrofon. Von nun an werden nur noch alte Rock-Klassiker gecovert. Hat man zurerst das Gefühl hier handelt es sich nur um eine kurzweilige Pausenüberbrückung, wird man letztendlich nach 20 Minuten Zeuge, dass das was sich hier auf der Bühne abspielt zur Show dazugehört. Ein Cover reiht sich an das Nächste, während Mac DeMarco seiner Band die Überhand lässt und sich still tanzend im Hintergrund aufhält. Was hier als intimer Folk-Abend begonnen hat eskaliert in eine dullymäßige Cover-Party. Nach und nach verlassen auch die ersten aus dem Publikum den Saal – ein harter Kern bleibt jedoch bestehen, die zusammen mit der Band weiter feiern. So kann man ein Konzert natürlich auch beenden.
Ibeyi: Ritueller Zweigesang trifft auf moderne experimentelle Elektronikas
Das New Fall Festival ist dafür bekannt großartige Künstler an ungewöhnlichen Orten der Stadt auftreten zu lassen. Bei dem Konzert von Ibeyi (Yorùba für Zwillinge) im Robert-Schumann-Saal kommt zusammen was zusammengehört: Der Sound aus Soul, R’n’B und experimentellen Elektronikas der beiden Zwillingsschwestern entfaltet sich durch die großartige Akustik des Saals in seiner Gänze und so sind Naomi und Lisa Díaz auch ohne Mikrofone im Raum glasklar zu hören.
Die Verteilung ist klar: Naomi spielt Percussions und Batas und ist für den Rhythmus zuständig, für den sie auch gerne ihren Körper nimmt, während Lisa mit E-Piano und ihrem Gesang für die Melodien sorgt. Für Songs wie „Mama says“, indem die Schwestern die Trauer der Mutter über den Tod ihres Vaters besingen, nutzt Naomi nicht nur das vor ihr stehende Cajón für den Rhythmus, sondern auch ihre Oberschenkel und ihren Brustkorb.
Untermalt wird die Musik der Beiden zusätzlich durch Projektionen, in denen Ibeyi ihre Kerbotschaften auf der Bühnenwand abbilden. Zusätzlich zu den kurzen Textpassagen finden auch Video-Snippets von Naturgewalten ihren Weg auf die Leinwand, die die kulturelle Distanz und die Wurzeln der Díaz-Schwestern wiederspiegeln. Doch nicht nur die projizierten Bilder tragen die Geschichte des Frauenduos über ihre Musik in die Welt hinaus, auch die Gesangparts auf Yorùba unterstreichen zusätzliche die französisch-kubanischen Wurzeln von Ibeyi. Durch die eigentliche tote Sprache, bei der es sich um eine nigerianische Stammessprache handelt, erzählen Lisa und Naomia Díaz die Geschichte ihrer Ahnen und verbinden durch experiementelle Elektronia-Sounds und traditionelle kubanische Gesänge die Vergangenheit mit der Gegenwart.
Die Unterschiede zwischen den Beiden Zwillingsschwestern arbeiten sich erst während des Konzerts heraus. So bleibt am Ende des Abends ein Bild von Ibeyi im Kopf, das an Ying und Yang erinnert – zwei sehr unterschiedliche Schwestern, die sich perfekt ergänzen und zusammen Eins ergeben.
Drangsal & Lea Porcelain verschwinden im Nebel
Nur wage nimmt man die Umrisse von Lea Porcelain auf der Bühne des Capitol Theaters in Düsseldorf wahr. Außer einzelnen Stroboskopen, die im Nebel aufflackern, liegt fast alles in kompletter Finsternis. So kommt man nicht drumherum sich komplett auf die brachialen Soundkollagen des Duos einzulassen. Die Auftritte der Beiden Offenbacher sind rar, doch wenn sie eine Show spielen kann man sich der dichten Sound-Atmosphäre, die durch pulsierende Lichter hervorgehoben wird, nicht entziehen. Mit ihrer Stil-Mischung aus Post-Punk, Indie, Garage und Krautrock samt hypnotische Gitarrenparts, melancholischen schweren Melodien und verschrobene Synthies heizen Lea Porcelain dem Publikum gebührend ein und bereiten sie perfekt auf die folgende Show von Drangsal vor.
Dieser Bericht sollte als Lobeshymne anfangen. Lob auf Max Gruber alias Drangsal, der es mit seiner Bandbreite aus 80er Jahre-Elementen, New Wave und einer großen Prise NDW immer wieder schafft der Vergangenheit neues Leben einzuhauchen und dabei seinen ganz eigenen Stil unterbringt. Drangsal, der es schafft live sogar noch besser zu klingen als auf Platte. Was man am Sonntagabend im Capitol Theater in Düsseldorf jedoch auf der Bühne vorfindet, ist Drangsal samt Band, die einfach richtig Bock haben zu spielen. Eine Euphorie, die wie ein Funken auf das Publikum überspringt – besser könnte man das New Fall Festival nicht zu Ende bringen.
Gut gelaunt hüpft die Band schon im Vorfeld tänzelnd über die Bühne und stimmt ein letztes Mal ein paar Instrumente ein, bevor es kurz darauf losgeht. Mit „Jedem das Meine“ eröffnet Max Gruber den Abend und zeigt schon von der ersten Minute an, wie brachial Pop-Musik sein kann. Dazu gibt es schummriges Licht, viel Nebel und der über alles schwebende und grell beleuchtete Blitz von Zores, das insgesamt für die richtige Stimmung sorgt.
Ganz zur Freude der Fans ist das Set des Musikers vollkommen ausgewogen zwischen „Harieschaim“-Klassikern und neuen Songs des aktuellen Albums „Zores“. Besonders zu den bekannten Bangern wie „Love Me Or Leave Me Alone“, „Der Ingrimm“ oder auch „Arche Gruber“ nimmt die Show richtig Aufwind. Daneben gibt es auch immer wieder schöne komödiantische Anekdoten aus Drangsals Kosmos. So erzählt der Herxheimer, dass er zuletzt bei einem Konzert in der Schweiz nicht in den Club kam, weil er eine Jogginghose trug. Die Logik dahinter: Wer Jogginghose trage, der sei Hartz-IV-Empfänger. Seine Jogginghose trage er nun aus Protest! Genau für diese Anekdoten neben seiner Musik lieben ihn seine Anhänger. Auch der Eurovision Song Contest bekommt an diesem Abend erneut einen Seitenhieb und einen fetten Mittelfinger von der Menge für die unprofessionelle Behandlung. Auch wir finden: Denn Sie wissen nicht was Ihnen entgeht!
Musikalisch zeigt Drangsal sein ganzes Können und entfaltet dabei seine gesamte Sound-Bandbreite, sodass man sich perfekt in der Musik des Herxheimers treiben lassen kann. Highlight ist neben bekannter Hits des New Wave/Post-Punkers vor allem die akustische Performance von „Eine Geschichte“. Nur mit leichter instrumentaler Begleitung kommt die komplette Stimmgewalt von Max Gruber zur Geltung. Aber auch das in die Länge gezogene Gitarren-Intro zu „Weiter nicht“ hat es in sich. Bevor Drangsal samt Band ihr Publikum jedoch gehen lässt, wird ihnen mit „Turmbau zu Babel“ und „Allan Align“ nochmal richtig eingeheizt, bevor sich Max Gruber mit einer unglaublich guten Cover-Version von Klaus Lages „1000 und 1 Nacht“ verabschiedet.