Dieses Jahr trifft sich das Who is Who der deutschen Musikszene wieder auf dem größten Clubfestival Europas in Hamburg. Musikliebhaber:innen bekommen an vier vollen Tagen die Möglichkeit, Musik satt zu erleben und Newcomer:innen zu entdecken. Das Reeperbahn Festival strotzt vor einem reichhaltigen Programm, das Besucher:innen aus der ganze Welt anzieht. Wie jedes Jahr gibt es einen Länderschwerpunkt, dieses Jahr liegt er bei den USA, welche schon immer eine Vorbildfunktion für das Festival hatten. Schauen wir uns doch gemeinsam ein paar der diesjährigen inter/nationalen Acts genauer an:
bdrmm
Das Post-Punk-Revival ist real. Und na klar, wie so viele Bands aus diesem Spektrum kommt auch bdrmm aus Großbritannien. Shoegazige, sich auftürmende Soundwände treffen hier auf verträumten und facettenreichen Dream Pop. Mit ihrem Debüt „Bedroom“ stürmten die Briten 2020 direkt mal die UK-Charts und auch die Musikpresse überschüttete die Band mit Lob. Auf dem Reeperbahnfestival kommen sie für zwei Auftritte vorbei.
Mittwoch, 18.15 Uhr – Festival Village, Fritz-Kola Bühne
Mittwoch, 23.30 Uhr – Nochtspeicher
Stella Sommer
Hach, wie kann ein Sound nur so anschmiegsam die Seele berühren? Stella Sommer macht Songs, die einer innigen Umarmung gleichen. Wie ein aufrichtiges „Alles wird gut!“ in der schwierigsten aller Zeiten. Das beweist sie nicht nur mit ihrem Projekt „Die Heiterkeit“, sondern auch Solo. Barocker, reduzierter Pop mit Chanson-Gesang, inklusive charmanter Texte, die wie introspektive Tagebucheinträge anmuten. Sie spielt auf dem Reeperbahnfestival in der St. Pauli Kirche. Eine bessere Location hätte man für ihren Auftritt wohl nicht aussuchen können.
Samstag, 19.40 Uhr – St. Pauli Kirche
Heave Blood & Die
Unterhaltsam, Abwechslungsreich. Dynamisch. Technisch versiert. Das sind Schlagwörter, die auf die norwegische Psychedelic Rockband Heave Blood & Die zutrifft. Das Sextett stammt ursprünglich aus Tromsø und changiert spielerisch zwischen Doom Metal, Industrial und Stoner Rock. Es macht Spaß ihnen auf ihrer mittlerweile dritten Langspielplatte bei ihrem extrem einfallsreichen und dabei eigenwilligen Songwriting zuzuhören. Diese Band weiß, wie man eine Atmosphäre voll düster-aufgeladener Spannung schafft.
Samstag, 20 Uhr – Indra
My Ugly Clementine
Letzte Nacht habe ich geträumt wie ich Mira Lu Kovacs erzähle, dass mich ihre Liedtexte sehr abholen. Mit Gründerin Sophie Lindinger und Nastasja Ronck bildet sie das jüngst zum Trio verkleinerte Indie Rock-Gespann aus Wien, neben dem alle Musiker:innen auch in anderen Projekten aktiv sind. Kem Kolleritsch am Schlagzeug ist erst kürzlich aus der Band ausgestiegen aufgrund bandinterner Differenzen. Nun macht die Band in veränderter Form weiter. Ihre feministische Musik mit Haltung und tanzbaren Pop-Hooks charakterisiert die Wiener Supergroup, mit der es sich hoffentlich noch viele Jahre nicht ausgeträumt hat.
Freitag, 23:30 Uhr – Knust
Lola Marsh
Mit ihrem verträumten Indie-Pop versprüht die Band aus Tel Aviv, die von Mulittinstrumentalisten Gil Landau und Sängerin Yael Shoshana Cohen gegründet wurde, warme Harmonien. Cohens Stimme zieht einen sofort in seinen Bann, sie vermag es, das Spektrum menschlicher Emotionen in Gesang zu transportieren und damit zu berühren. Ihre Musik führt zu Entschleunigung und gleichzeitig Hingabe in den Moment. Dass sie dabei Pophits schreiben und in Serien wie „Better Call Saul“ auftauchen, hat ihnen schon Millionen Streams beschert – also eine gute Möglichkeit sie sich beim Reeperbahn Festival auch mal live anzusehen.
Donnerstag, 19:40 Uhr – Gruenspan
The Mysterines
Alternative inspiriert durch Grunge der 1990er wie Nirvana und Hole wird von The Mysterines zu neuem Leben erweckt. Gitarrengetrieben, mit starken Basslinien und schwermütigem Gesang von Band-Leaderin Lia Metcalfe. Deren Vater war selbst Sänger der Band Sound of Guns, sie wuchs also quasi auf Tour auf und zu ihren Kindheitserinnerungen gehört eine Begegnung mit Nick Cave, der vor ihren Augen einen Luftballon kaputt machte. Sie nahm sich daran das beste Beispiel und gründete früh ihre erste Band, um die Dinge selbst in die Hand zu nehmen. Mit The Mysterines und dem Debüt „Reeling“ zeigt uns das englische Quartett seine düstersten und gleichzeitig lebensbejahendsten Seiten.
Mittwoch, 23 Uhr – Molotow
Stone
Post-Punk scheint gerade so en vogue zu sein wie kaum ein anderes Genre. Diese junge Band aus Liverpool treibt es wie einst die Beatles auf die Bühne, um ihre Energie zu teilen – und von der haben die vier mehr als genug. Die Gitarrenseiten werden abgebeizt, Sänger Finley Power spuckt Prosa, die den Nerv der Anfang Zwanzigjährigen trifft. “So you got your eyes on your ex-girl’s social media – That’s fine mate but I promise it ain’t healing ya.” ist aus ihrer Single „Leave it Out“, mit der Stone 2020 ihren ersten Durchbruch hatten, dann kam Corona, nun ist die Zeit gekommen endlich live zu performen und den Schweiß auf und vor der Bühne zu verspritzen.
Mittwoch, 20 Uhr – Molotow
Real Lies
Stolz können wir sagen, dass wir die Reise der Londoner Lads bereits mehrere Jahren verfolgen. Ein Blick in das Archiv zeigt: unser erster Artikel über das Electronic-Duo stammt aus dem Jahr 2015. Nun folgt der erste Gig in Deutschland. Real Lies, das bedeutet: atmosphärischer Afterhour-Schwebezustand mit einem ordentlichen Schuss Pathos. Wir verweisen an dieser Stelle gerne auf unsere Liebeserklärung an die Band. Hingehen, ein Muss!
Samstag, 23.30 Uhr – Nochtwache
HighSchool
Goth-Pop, Coldwave oder doch Post-Punk? HighSchool reiht sich irgendwo dazwischen ein. Die Band aus Melbourne in Australien veröffentlichte 2021 – mitten in Corona – ihre Debüt-EP „Forever at Last“ und schreibt damit den düsteren und melancholischen Soundtrack zum gesellschaftlichen Leben. Und dennoch schafft HighSchool es, eine wohlige Wärme zu kreieren. Empfohlen sei hier die Single „New York, Paris und London“, die in Twee-Pop-Manier zum Tanzen anregt. Auf dem Reeperbahn Festival spielt die Band gleich drei Konzerte. Und es besteht die Möglichkeit, dass wir bei jedem dabei sind. How could we not?
Donnerstag, 22.25 Uhr – Molotow/Backyard
Freitag, 16.30 Uhr – Molotow/Backyard
Samstag, 21.30 Uhr – Resonanzraum
Brenda Blitz
Wenn sie in einer Stadt ein Konzert spielt, sucht sie vorher via Instagram coole Leute, die mit ihr auf der Bühne tanzen wollen und auf Festivals werden die Wasserpistolen ausgepackt. Brenda Blitz verwandelt die Bühne zu einem schillernden Spektakel. Ihre Deutschpop Songs sprechen aus den Seelen der Generation Z. Seit 2019 produziert die junge Künstlerin ihre Musik und bereichert unsere Playlisten mit Songs wie „Durchsichtig“ oder „Energievampir“. Wer Brenda Blitz noch nicht Live gesehen hatte sollte auf dem Reeperbahn Festival die Chance dazu definitiv nutzen.
Freitag, 19:55 Uhr – Thomas Read 2ND Floor
Fieh
Fieh machen Neo-Soul aus Oslo. Als achtköpfiges Gespann sind die Norweger gut aufgestellt, um R&B ein modernes Gewand zu geben. Mit Vorbildern bei The Roots, Erykah Badu und Solange transportieren sie Funk in unsere Zeit, einen von der Sorte, der durch hohes Tempo mitreißt, und scheuen dabei nicht vor Experimenten und Orchestration. Nicht nur Fiehs Sound auch ihr Look trifft den Nerv des aktuellen Verständnisses von Vintage und pleased damit sicherlich nicht nur Gen Z. „Cold Water Burning Skin“ ihr zweites und aktuelles Album war für den norwegischen Grammy nominiert, den Spellemannprisen.