France With Benefits #3

Do you parlez deutsch? Si! Sabina // © Sylvain Gripoix.
Do you parlez deutsch? Si!: Sabina // © Sylvain Gripoix.

Sabina

We are here, in Paris / l’amore è raro.

(„Long Distance Love“)

Wenn man beim ersten Lied deines Solodebüts schon nicht umhin kommt, an Nico zu denken, ist das prinzipiell kein schlechtes Zeichen. Sabina Sciubba ist auf dem Papier zwar keine Französin, aber ihre Musik passt hier trotzdem perfekt rein. Als Deutsch-Italienerin zwischen Rom, Berg (in Bayern) und Frankreich aufgewachsen, hat sie 2003 in New York die Band Brazilian Girls mitgegründet, die womöglich einen Grammy-Award abgesahnt hätten, wäre nicht Daft Punks Alive 2007 gewesen. Nach drei erfolgreichen Brazilian Girls-Alben veröffentlichte die Musikerin, Schauspielerin und Künstlerin 2014 ein Soloalbum als Sabina, Titel: Toujours. Auf den zwölf Songs vermischt sie kunstvolles Erzählen und unklassifizierbare, aber nicht weniger kunstvolle Chansons. Das ist es auch, was den Vergleich mit Sängerinnen wie Nico, Brigitte Fontaine oder Jane Birkin ermöglicht. Auf Toujours finden sich jene verschiedenen Persönlichkeiten wieder – die deutsche Stimme eines amerikanischen Art Rock-Meilensteins, die Duchesse der experimentellen Chanson, das britische Gegenstück zu Serge Gainsbourg – vereint in einer Musik-Poetin.

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Neben ihrer markanten Stimme ist Sabinas Trumpf die Tatsache, dass sie fünf Sprachen spricht. Schon auf den Alben ihrer ersten Band wechselte sie mühelos von Englisch zu Französisch, von Deutsch zu Italienisch und zu Spanisch. Mit jeder Sprache kommt der ihr eigene Rhythmus in die Musik. Wenn Sabina sich jetzt in jedem Lied nur einer Sprache bedienen würde, wäre das kein großes Ding. Aber in „Cinema“, „Long Distance Love“, „Non Mi Aspettare“ und den meisten anderen Songs auf Sabinas Soloalbum fließen die Zungen ineinander und vermengen sich zu einer ganz eigenen Sprache.

Beim Hören von „Sailor’s Daughter“ – einer Ballade über die Suche nach dem eigenen Vater, die bei mir Gänsehaut erzeugt und manchmal sogar Tränen in die Augen treibt – stellt sich darüber hinaus ein ungewöhnlicher Effekt ein: In den Strophen erzählt sie auf Deutsch, im Refrain wird auf Englisch gesungen. Die Sprachmelodie, die Betonung mancher Wörter lassen einen aber kaum vermuten, dass es sich um eine Muttersprachlerin handelt. „Und es drängt mich, ihn zu lieben, was er auch tut, wer er auch sei.“ Über die eigene Art zu kommunizieren erschafft sie eine besondere Verbindung des lyrischen Ichs zum ihr unbekannten Vater. „Und ich hör ihn singen in Sprachen, die nur ich versteh.“ Sabinas Lieder, anders als die meisten Songtexte, leihen der Sprache jene Magie, die sie in den besten Werken großer Poeten hat.

Toujours ist ein Grower. Wirkt es am Anfang noch zerstreut und zusammenhangslos, wird nach und nach ein roter Faden hörbar. Mit den Brazilian Girls hat Sabina musikalische Grenzen eingerissen. Dieses Ziel erfüllt auch Toujours zu einem gewissen Maße, aber vor allem bringt Sabina es fertig, Grenzen zwischen den Sprachen einzureißen, ohne dass der Gesang zu einem reinen Melodieinstrument verkommt. Der rote Faden ist die Identität schaffende Sprache. Dadurch wird sie gewissermaßen zu einem Gegenentwurf zu Paul Austers Peter Stillman Sr., der die babylonische Ursprache entdecken will, indem er seinen eigenen Sohn von jeglichem Kontakt mit Sprache fernhält. Anstatt wie Stillman die babylonische Sprachverwirrung als Folge des Sündenfalls und somit als Bestrafung zu sehen, zieht die Weltbürgerin Sabina ihr Kapital aus der Sprachenvielfalt. Und die eklektische Musik unterstreicht das noch. Mehr kann man sich als Sängerin kaum wünschen.

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„Sailor’s Daughter“:


Wie immer gilt: Bildet euch eure eigene Meinung!

Klô Pelgag | Sable Noir | Sabina


Fichon

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