Nachdem das Roskilde im letzten Jahr sein 50. Jubiläum gefeiert hat, gibt es 2023 einen Neuanfang: „We call it UTOPIA“ schreiben sie und wollen in den nächsten 50 Jahren mit dem Festival eine bessere Zukunft gestalten.
Utopien haben etwas reizvolles und spannendes. Sie fühlen sich nach Sehnsucht und Aufbruch an. Sie sind träumerisch und gleichzeitig radikal. Immer wohnt ihnen etwas tragisches inne – das Wissen, dass sie per Definition nicht realisierbar sind – und trotzdem versucht man so nah es geht an sie heranzukommen. Gerade in einer Welt, die geprägt ist von Chaos, Krieg in Europa, Inflation, Klimakrise und einer ganzen Generation an jungen Menschen, die den Glauben in die Zukunft verloren hat, wie das Roskilde schreibt, braucht es Utopien: „With UTOPIA, we want to promote new visions of the future and bring dreams to life! This will be done through art, partying and communities and through the way we create things and interact at the festival.“
Auf das Line-up des Festivals bezogen heißt das: Acts zu buchen, die vor allem die jüngeren Besucher interessieren. Klingt banal, aber wenn man sich vergleichbar große Festivals in Europa anschaut, stellt das Roskilde damit eine Besonderheit dar – und wird dafür stets kritisiert. Denn statt alten Legenden stehen junge aufstrebende Acts in den Headliner-Spalten des Festivals und sorgen wiederum dafür, dass das Festival im Vergleich zu vielen anderen ausverkauft ist. Statt Foo Fighters, Guns N’ Roses oder Kings of Leon sind das unter anderem Lizzo, Rosalía, Lil Nas X und Kendrick Lamar.
Rosalía spielt am Freitag im Arena Zelt, das zum Glück zu allen Seiten hin offen ist, ansonsten würde es aus allen Nähten platzen. So kann man selbst von weit hinten noch staunen, wie perfekt sie nicht nur für ihre Fans spielt, sondern auch für die Kameras, die das Konzert auf die Bildschirme werfen. Dabei wirkt es mal wie ein sehr persönliches TikTok-Video, hochkant gefilmt, mal wie ein perfekt duschchoreografiertes Musikvideo im Querformat – ohne dabei den Live-Aspekt auf den Augen zu verlieren.
Das gleiche Zelt macht auch Loyle Carner einen Tag später voll. Seinen song „Still“ kündigt er mit den Worten „Fuck that toxic masculinity! If you wanna love, than love. If you wanna dance, than dance“ an. Der Titel von seinem Album „Not waving but drowining“ ist zu seinem wichtigsten und liebsten Lied geworden, weil er sich darin fragt, was für ein Mann er gerne sein möchte. Und Lizzo freut sich einen Tag später enorm darüber, nach vier Jahren erneut beim Roskilde aufzutreten. „Welcome to Roskilde, bitch!“ ruft sie von der Hauptbühne. Begeistert auch von den ganzen Fahnen und Schildern, die hochgehalten werden, entdeckt sie praktischerweise eins mit einem Heiratsantrag und eins mit Adoptivwunsch. Erst heiraten und dann adoptieren, stellt sie daraufhin klar. Sonst wäre ihr neues Adoptivkind ja Amerikaner – und sie wäre doch viel lieber Dänin, erklärt sie.
2023 bietet das Roskilde ein Programm das die junge Zielgruppe ernst nimmt und ihnen diverse Vorbilder präsentiert – und das nicht nur musikalisch. Wenn es also ein Festival schafft, eine Utopie herbeizuführen, dann das Roskilde.