Endlich: Schon im Sommer 2021 gab Caroline Polachek mit ihrer Single „Bunny Is A Rider“ einen Vorgeschmack auf das, was in die Fußstapfen ihres viel gefeierten Debut-Soloalbums „Pang“ treten würde. Mit seinem sanften Groove und Vogelgezwitscher-Samples ist der Song ein blumiger Sommerhit, der damals Lust auf mehr machte. Doch auf mehr musste man eine ganze Weile warten. Nun ist es aber da, das lang ersehnte neue Projekt der Ex-Chairlift Singer-Songwriterin.
„Desire, I Want To Turn Into You“ etabliert Caroline Polachek und Danny L Harle als perfekte Fusion im Writing und der Produktion von Popmusik. Der britische Produzent, unter anderem ein wichtiger Schlüsselakteur der PC-Music-Szene, sorgt in Zusammenarbeit mit Polachek für glasklares Mixing, das stets Raum für gefällige Details gibt. Besonders die feinfühlige Percussion der eher unaufgeregten Tracks des Albums fällt hier auf. Dazu zählen zum Beispiel die Trip-Hop-Nummer „Pretty In Possible“, aber auch das magisch-dunkle „Crude Drawing Of An Angel“.
Anderswo zieht Polachek jedoch alle Register und klingt alles andere als unaufgeregt. Mit dem Opener „Welcome To My Island“ liefert sie den wohl ungeniertesten Popsong ihrer Karriere, nennt den Track selbst ihren „brattiest song to date“. Bratty trifft es gut. „Welcome To My Island“ leitet das Album mit Polacheks unverkennbar johlender Stimme ein. Sie zieht und biegt ihre Vocals bis zum geht nicht mehr, verfällt fast in fieberhaftes Schreien, bevor ein spritziger Synthpop-Beat einsetzt. Selten wird im aktuellen Pop die Stimme derart als Instrument eingesetzt, was nicht zuletzt einer der Gründe ist, warum sich Polachek über die letzten Jahre hinweg als eine der wichtigsten Avantgardistinnen des Genres etabliert hat.
Neben manischen Aufschreien beherrscht Polachek aber auch das Singen derart gut, dass es zu einem der wichtigsten Überzeugungsargumente von „Desire, I Want To Turn Into You“ wird. Ihre Vocals klingen zu jeder Zeit fantastisch, und wie erwähnt, weiß das Polachek/Harle-Double offensichtlich, wie man raffinierten Pop entstehen lässt. Daher überzeugt „Desire“ als Gesamtprodukt, dennoch fühlen sich einige wenige Elemente danach an, als hätte Polachek das volle Potential nicht ausgeschöpft. Der Team-Effort um den Song „Fly To You“ ist hierfür ein gutes Beispiel. Für das Lied rekrutierte Polachek niemand anderen als die gleichgesinnte Pop-Innovatorin Grimes und Trip-Hop-Legende Dido. Trotzdem lässt der U.K.-Garage-Track, was Komposition und Produktion angeht, einiges zu wünschen übrig. Das machen andere aktuell besser, allen voran die Neo-R&B-Vorreiterin Kelela, die ebenso vor kurzem ihr neues Album veröffentlichte.
Dennoch ist „Desire, I Want To Turn Into You“ alles in allem ein Projekt, das Caroline Polachek endgültig als Pionierin des alternativen Pop beweist. Ihre unverwechselbare Stimme und das Feingefühl für ausgeklügelte Produktion lassen ihr zweites Album schon jetzt zu einem 2023er Pop-Phänomen werden.