Noch bevor die 25-jährige Künstlerin Amber Mark als Teen den Schulabschluss in der Tasche hatte, hat sie mit ihrer Mutter schon auf drei verschiedenen Kontinenten gelebt. Heute produziert und schreibt sie ihre Popsongs in New York, die mit Soul-, House-, Electro- und Bossa Nova-Einflüssen genauso abwechslungsreich wie ihre bisherigen Wohnorte sind.
Während damals andere Kids in ihrem Alter schon einen Schulwechsel als große Veränderung wahrgenommen haben, ist Amber Mark mit ihrer Mutter bereits zwischen Kontinenten umgezogen. Aufgewachsen in New York, Miami, Indien und Berlin, hat die 25-Jährige mittlerweile einen beachtlichen Lebenslauf vorzuweisen. Durch einen Chor kam sie zur Musik, schrieb in ihren Teenjahren Songs in ihrem Schlafzimmer, brachte sich das Produzieren bei und lud die Demos mit Anfang 20 auf Soundcloud hoch. Auf der Plattform, die wahrscheinlich schon die meisten jungen Talente einer Generation sichtbar gemacht hat, wurde so auch Amber Mark entdeckt. Vor zwei Jahren veröffentlicht sie ihre erste Platte „3:33am“, auf der die Künstlerin es schafft die Trauer um den frühen Tod ihrer Mutter sowohl textlich als auch musikalisch in unglaublich hoffnungsvollen und positiv geladenen Popsongs zu verarbeiten. Mit „Conexão“ erschien letztes Jahr die Nachfolger-EP, eine Ode an das Verliebtsein, begleitet von sanften Bossa-Nova-Rythmen.
Wir trafen uns mit Amber Mark vor ihrem Konzert in Berlin, um mit ihr über das Aufwachsen zwischen Kontinenten, Bossa Nova und Kompromisse, die man als DIY-Künstlerin eingehen muss, zu reden.
Heute Abend spielst du ein Konzert in der Kantine am Berghain in Berlin. Als Teenager hast du hier eine Zeit lang in der Stadt gewohnt. Fühlst du dich noch mit der Stadt verbunden, wenn du wieder hierhin zurückkehrst?
Ja, ich fühle mich ein bisschen nostalgisch. Um ehrlich zu sein, als ich gestern herkam war ich ziemlich emotional. Das letzte Mal als ich hier war, war das mit meiner Mom. Sie kommt aus Deutschland und immer wenn ich hier bin, fühle ich allein deswegen schon eine Verbindung. Jetzt gerade bin ich zum ersten Mal seitdem ich 14 war wieder in Berlin. Das ist aufregend, aber auch fast ein bisschen bitter.
Hattest du Lieblingsplätze als du hier gelebt hast?
Ich war 12 als ich hier gelebt habe, also was auch immer ich mochte, es war wahrscheinlich nicht besonders cool (lacht). Meine Mom hat mich öfters zum Mauerpark mitgenommen und da gefiel es mir echt gut. Als Kind mochte ich Parks sehr gerne und dort auf Bäume zu klettern.
Ich habe gelesen, dass du generell viel in deinem Leben umgezogen bist. Zuerst waren du und deine Mom in Miami und New York, in Indien und dann in Berlin. Ich kann mir vorstellen, dass das Umziehen von Kontinent zu Kontinent ziemlich große Veränderungen für dich waren. Was war dein erster Eindruck, als ihr in Indien angekommen seid?
Als wir in Indien gelandet sind, waren dort Massen an Menschen am Flughafen und um ehrlich zu sein, es hat nicht besonders gut gerochen. Der Flughafen war nicht so toll. Aber ich war total fasziniert von Indien. Ich hatte noch nie eine Kultur wie diese erlebt, obwohl ich vorher schon so viel davon gehört habe. Meine Mom hat sich immer sehr stark mit indischer Kultur auseinandergesetzt, besonders mit der Kultur Nordindiens. Sie war selbst auch Buddhistin und ich bin als Kind mit buddhistischen Mönchen um mich herum aufgewachsen. Das war also nichts komplett Neues für mich. Was mich eher aus der Fassung gebracht hat, war zum Beispiel wie Leute mit dem Kastensystem gelebt haben. Was ich in Indien wirklich gerne mochte, waren kleine Ausflüge, die ich mit meiner Mom unternommen habe. Ich war total gerne in den Bergen als Kind. An die Gerüche in Indien musste ich mich trotzdem erstmal gewöhnen. Und generell die Fliegen und dass du nicht einfach Wasser aus dem Wasserhahn trinken kannst. Das zu lernen war für mich eine ganz neue Erfahrung. Mit neun Jahren wusste ich noch nicht, dass Menschen so leben, also war es auch eine sehr wichtige Erkenntnis für mich in dem Alter.
Bist du dort auch zur Schule gegangen?
Meine Mom hat mich zuhause unterrichtet.
Dadurch dass du so oft umgezogen bist, war die Erfahrung hart für dich, die Leute, die du kennengelernt hast, immer wieder hinter dir zu lassen?
Ja, den Teil daran habe ich wirklich gehasst. Aber einige Menschen sind zum Glück in meinem Leben geblieben seitdem ich ein Kind war. In jedem Sommer in der Monsunzeit in Indien bin ich zurück nach New York gegangen und habe meine Familie dort besucht. Aber Freunde, die ich auf unseren Reisen getroffen habe und zu denen ich auch eine Bindung aufgebaut hatte, musste ich oft hinter mir lassen. Und das war manchmal etwas frustrierend. Besonders als Kind immer wieder neu anfangen zu müssen. Aber es war auch aufregend und hat mir wahrscheinlich beigebracht mit neuen Situationen umzugehen und mit Menschen zu socialisen.
Lass uns ein bisschen über deine Musik reden. Deine aktuelle EP aus dem letzten Jahr trägt den Titel ‚Conexão‘ und das ist Portugiesisch für Verbindung. Alle deine Lyrics sind ansonsten ja auf Englisch. Warum hast du dich für den Portugiesischen Titel entschieden?
Weil die Platte, die ich mir vorgestellt habe, sich viel um Bossa Nova Vibes gedreht hat. Als Kind habe ich echt viel Bossa Nova gehört. Meine Mom war ein Riesenfan von João Gilberto und der ganzen Gilberto Familie, Stan Getz und anderen Bossa Nova Künstler*innen. Als Kind habe ich mich total in dieses Genre verliebt und dann in der Highschool sogar Portugiesisch Unterricht gehabt, weil ich lernen wollte wie man in Portugiesisch singt. Leider habe ich meine Lehrerin gehasst, sie hat das quasi für mich ruiniert (lacht). Ich habe den Unterricht dann immer geschwänzt, weil ich dachte das wird Zeitverschwendung. Den Titel „Conexão“ habe ich gewählt wegen der Vibes der Genren auf der Platte. In „Conexão“ geht es darum, sich wieder zu verlieben, die Höhen und Tiefen, die damit zusammenhängen und die Sinnlichkeit. Und ich fand schon immer, das Bossa Nova ein sehr romantisches Genre ist und wollte es gerne in meine Musik einbinden. Also dachte ich mir, das ist perfekt um das zu treffen, worüber ich reden will.
Ich finde, wenn ich mir deine Songs anhöre, haben sie generell immer einen sehr positiven und oft auch hoffnungsvollen Vibe. Selbst wenn du über Themen redest, die eigentlich sehr tragisch sind. Wo nimmst du deine positive Energie her?
Ich weiß nicht, ich fühle mich eigentlich gar nicht so positiv. Vielleicht schreibe ich deswegen so, weil ich eigentlich gar nicht so drauf bin (lacht). Mit „3:33am“ habe ich eigentlich nur versucht das zu verarbeiten, was ich gerade durchgemacht habe. Ich brauchte etwas, das mir dabei hilft und mich wieder hochzieht. Deswegen sind viele der Songs so upbeat geworden und keine traurigen Balladen. Ich wollte, dass es wird, wie wenn man tanzt, aber gleichzeitig dabei weint. Diesen Mix der Emotionen, den man manchmal einfach nicht versteht. Wenn du traurig bist und gerade eine harte Zeit durchmachst, aber auch hoffnungsvoll in die Zukunft schauen kannst. Das ist das, wo ich gerne hinwollte. Auch wenn ich über Liebe schreibe. Eigentlich wollte ich das ja nie machen, weil ich es immer ein bisschen cheesy finde. Und wenn, dann sollte es kein trauriger Liebessong sein, sondern wie bei „Love Me Right“ etwas self-empowerndes.
Wenn wir in deinem Ansatz Musik zu machen ganz an den Anfang gehen – Was war dein erster Bezug zur Musik? Wie hat quasi alles angefangen?
Mit der Musik, die meine Mom hörte als ich ein Kind war. Ich denke, das hat auch meine Wahrnehmung ziemlich beeinflusst. Künstler*innen wie Earth Wind & Fire, Stevie Wonder, Sade und Ella Fitzgerald – besonders sie war ein Riesenvorbild für mich. Eigentlich wollte ich als Kind immer Tänzerin werden, aber als Teenager habe ich dann angefangen, in einem Chor zu singen, als ich nach Berlin gezogen bin. Das war quasi mein Einstieg in die Musik. In New York habe ich dann ein Jahr lang eine High School für darstellende Künste mit Gesang im Hauptfach besucht. Und als wir nach Miami gezogen sind, bin ich einer Band beigetreten und habe bei den Auftritten gemerkt, dass ich genau das machen will – als Künstlerin performen. So kam ich dann auch zum Songwriting und habe als Teen angefangen, ein bisschen mit einem Produktionsprogramm zu experimentieren, „Garage Band“ hieß das. Als ich dann meinen Abschluss hatte, habe ich mein Produktionsgame geupgraded und mit „Logic“ gearbeitet. So bin ich dann so richtig zum Produzieren gekommen. Bis dahin hatte ich immer nur geschrieben, konnte die Songs aber nicht zu Ende produzieren. Dann, so mit 19, 20, 21 Jahren habe ich meine selbstproduzierten Songs auf Soundcloud hochgeladen und dann hat alles richtig angefangen.
Du hast ja eben schon erwähnt, dass Sade als Kind für dich eine deiner Idole war – Wie cool war es, als sie dir gesagt hat, dass ihr deine eigene Version ihres Songs „Love Is Stronger Than Pride“, die auch auf deiner aktuellen EP erschienen ist, gefällt?
Das war sehr surreal! Ich konnte es echt nicht glauben. Jemand, der bei meinem Label arbeitet hat das möglich gemacht. Die beiden sind immer noch Freunde und er hat sie damals bei seinem Label unter Vertrag genommen. Wir haben also ein Cover von dem Song gemacht, es allerdings umgeschrieben. Und wenn du das so veröffentlichen willst, brauchst du aber erstmal die Genehmigung der Künstlerin. Er meinte, er geht am Mittwoch sowieso mit Sade essen, dann kann er ihr auch gleich den Song vorspielen. Am nächsten Tag kam dann eine Nachricht von ihm, Sade würde meine Version lieben und wünscht mir allen Erfolg für meine Musik. Und mir ist der Mund runtergeklappt, dass sie überhaupt weiß, wer ich bin. Ich fühle mich, als ob ich lügen würde, wenn ich die Story erzähle, weil es sich so surreal anfühlt.
Du hast mir ja grade von deinen Anfängen als Produzentin erzählt, hast du deine beiden EPs auch komplett in Eigenregie produziert?
„Conexão“ und „3:33am“ am habe ich beide komplett selbst produziert, ja. „Love Me Right“ hat ein paar Trap-Drums am Ende, die nicht von mir stammen, aber das ist das Einzige. Jetzt habe ich angefangen, mit anderen Musikproduzent*innen zusammenzuarbeiten und das ist eine komplett neue Erfahrung für mich. Es fühlt sich ziemlich anders an und macht mich auch ein bisschen nervös. Meine neuen Singles „Mixer“ und „What If“ habe ich nicht selbst produziert, aber ich versuche gerade da die Mitte zwischen beidem zu finden. Mein Herz hängt immer noch daran, alleine in meinem Schlafzimmer meine Songs zu produzieren. Andere Menschen beim Musikmachen um mich herum zu haben, macht mich nervös. Aber Produzent*innen sind so viel schneller als ich (lacht). Wofür ich Stunden am Keyboard brauche, weil ich nicht wirklich weiß, wie man Keyboard spielt, spielen sie das ein und es ist fertig.
Sehr viele Leute kommentieren unter deinen Videos, dass die Ästhetik und der Sound sie an die Soul-, Funk- und Disco-Ära erinnert. Ziehst du daraus Inspiration?
Es kommt auf den Song an. In „Mixer“ auf jeden Fall, der Haupteinfluss für das Video war „Saturday Night Fever“. In der ersten Szene läuft der Hauptprotagonist Tony Manero mit einem Eimer Farbe die Straße lang und checkt dabei alle Frauen aus. Ich wollte die Rollen umdrehen, sodass eine Frau alle Männer auscheckt, während sie die Straße runterläuft. Bei den anderen war der Bezug gar nicht so direkt, bei „Love Me Right“ zum Beispiel. Ich liebe Blumen und habe sehr viele Blumen in das Video einbezogen.
Du denkst dir also auch alleine die Konzepte für deine Videos aus?
Ja, auch wenn ich glaube die Leute, die mit mir an den Videos arbeiten würden es wertschätzen, wenn ich ein bisschen schneller wäre. Es braucht immer eine Weile bis ich weiß, wo das Video visuell hingehen soll und am Ende wird es doch komplett anders. Außerdem muss man, wenn man mit anderen Personen zusammenarbeitet, auch immer ein paar Kompromisse eingehen. Die Person, die Regie führt ist ja auch ein*e Künstler*in mit eigenen kreativen Vorstellungen. Also musst du sichergehen, dass du auch die richtige Person für die Zusammenarbeit auswählst, sodass eure Ideen und Vorstellungen am Ende zusammenpassen.
Jetzt gerade lebst du ja schon eine Weile in New York. Ist es so, dass du den Drang verspürst, weiterzuziehen, weil du in deinem Leben ja so viel umgezogen bist? Oder im Gegenteil, gerade eher glücklich bist, für eine Weile an einem Ort zu bleiben?
Jetzt gerade reise ich wahrscheinlich viel mehr als vorher in meinem Leben. Aber ich bin glücklich, meine Base in New York zu haben und würde es tatsächlich genießen, dort ein bisschen mehr Zeit verbringen zu können (lacht). Wenn ich mal einen Monat am Stück in New York sein kann ist das schon etwas Besonderes. Aber wenn ich eine lange Zeit einfach nur an einem Ort bleiben würde, würde mir das sicher sehr schnell zu viel sein und ich würde wieder weiterreisen wollen. So oft wie ich mich auch übers Reisen beschwere, eigentlich mag ich es ziemlich gerne (lacht).
In deinen Videos präsentierst du ja jedes Mal einige Looks. Hast du eigentlich ein Style Idol?
Nein, tatsächlich nicht. Irgendwie wird mir diese Frage ziemlich oft gestellt. Ich überlege grade, aber wenn ich ein Vorbild habe, dann ändert es sich die ganze Zeit. Mal trage ich gerne casual sporty Kleidung und ein andermal wird es richtig fancy. Meine Inspiration ändert sich eigentlich ständig.
Bei „Put You On“ musste ich ziemlich an den Film „Clueless“ denken.
Guter Punkt! Bei „Put You On“ wollten wir einen Oldschool New York Vibe in das Video bringen. Also auch auf die Neunziger Ästhetik eingehen, die gerade so beliebt ist.