Vom Dichten und Performen – Tamino im Interview

In seine Debütsingle „Habibi“ hat der 21-jährige Musiker Tamino derart viel Schmerz und Gefühl hineingelegt, dass ihm die Musikwelt gleich zu Füßen liegt. Wir haben mit dem Musiker auf dem Maifeld Derby über die Einflüsse seiner Herkunft in seiner Musik gesprochen aber auch über Inspirationsquellen und über die Kunst der Literatur.

Tamino heißt mit bürgerlichem Namen Tamino-Amir Moharam Fouad und kommt aus der flämischen Stadt Antwerpen. Der Musiker mit libanesischen und ägyptischen Wurzeln hat sich das Musizieren zu einem Großteil selbst beigebracht – als Ventil der Sprache eines Jugendlichen. Mittlerweile ist die Musik des erst 21-Jährigen gereift und so spielt er mit den Einflüssen der arabischen Pop- und Musikkultur. Seine Debütsingle „Habibi“, was auf Deutsch so viel wie „Meine Liebe“ bedeutet, zeigt die Einflüsse von Nick Cave oder Leonard Cohen.

Wir haben den stilsicheren und für sein Alter schon fast unverschämt reifen Musiker auf dem Maifeld Derby getroffen. Dort hat er auf dem beliebten Parcours d’Amour gespielt. Eine Stage, die an eine Tribüne eines Reitstadions grenzt und die Musiker daher oftmals vor eine große Herausforderung stellt. Damit nicht genug, denn Taminos Gig war zeitgleich mit The Kills und dem Auftaktspiel der deutschen Nationalmannschaft bei der Fußball-WM.

Du hast grade deinen Auftritt auf dem Maifeld beendet. Wie hat dir die Show gefallen? Du hattest es als vermeintlicher Newcomer mit The Kills und dem Deutschlandspiel starke Konkurrenz.

Ja, das war wirklich nicht so leicht. Die Bühne hat auch ein komisches Set-up. Es ist ein komisches Gefühl, dass die Leute deine Beine sehen können.

Auf einer normalen Stage kann man ja auch nicht sehen, wenn Leute gehen, am Parcour d’Amour aber schon. War es komisch die Leute gehen zu sehen?

Ja, absolut, sehr komisch! Ich habe die ganze Zeit meine Augen geschlossen, weil einem natürlich die Leute die gehen viel mehr auffallen, als die die voll dabei sind. Ja, das war schwer, aber ich war trotzdem total begeistert von der Reaktion des Publikums.

Du hast Standing Ovations bekommen!

Ja, die Leute waren super. Es war toll das zu fühlen.

Deine Stimme ist extrem emotional und vielschichtig, ich habe gelesen, dass das auch mit deinem Background zu tun hat? Ist es auch ein Art den arabischen Teil deiner Herkunft auszudrücken zu wollen?

Ich versuche es nicht aktiv. Aber wenn man sich arabische Musik anguckt und sie analysiert, wie zum Beispiel eine Ikone wie Oum Kalthoum, dann reißt sie einem das Herz heraus. Also wirklich alles. Und ich denke nicht, dass das im Moment außerhalb der arabischen Welt viel gemacht wird. Vielleicht ist das eine Erklärung wo der Einfluss herkommt.

Der Booker des Maifeld Derbys hat dich kürzlich mit dem Musiker Hozier verglichen. Wie du, hat auch er vor einigen Jahren auf der Parcours d’Amour-Bühne gespielt. Ein paar Monate später lief sein Song „Take Me To Church“ überall…

Oh, ich mag ihn! Er ist ein sehr sehr guter Sänger. Vor allem sein Hit-Song ist richtig gut. Ich kann den immer hören.

Du spielst ja manche Songs mit deiner Band und manche alleine. Wie ist es im Studio, machst du da alles alleine?

Ich spiele fast alles selbst, aber mein Drummer spielt Schlagzeug. Es gibt bei uns aber auch Drums, die auf dem Computer programmiert sind. Wir haben einen Bassisten, aber ich spiele auch einige der Basslines selbst. Meistens bin ich also tatsächlich alleine mit meinem Produzenten im Studio. 

Einer deiner meistgeklicktesten Songs auf Youtube ist ein Cover von „I bet that you look good on the dance floor“ von den Acrtic Monkeys. Stört es dich, dass ein Cover so viele Clicks hat und nicht einer deiner eigenen Songs?

Ich habe nicht wirklich viele meiner Songs auf Youtube. Und das Cover ist schon eine Weile online, meine neuen Sachen noch nicht so lange. Und es machst mir auch nichts auch.

Hast du mal in die neue Platte der Arctic Monkeys reingehört? Wenn ja, was ist dein Eindruck? 

Ja und ich mag es teilweise. Aber vielleicht muss ich mich einfach noch daran gewöhnen. Aber ich bin ein großer Fan der Texte, ich war schon immer ein großer Fan ihrer Lyrics!

Ich finde nur auf die Lyrics bezogen, ist es ihr bestes Album.

Ich muss glaube ich nochmal richtig reinhören, aber Alex Turner überrascht mich immer wieder. Er hat das gleiche Talent wie Bob Dylan. Bob Dylan war 21, als er einige seiner besten Songs geschrieben hat und ich glaube er hat gar nicht so viel darüber nachgedacht. Es ist einfach ein Talent.

Du hast einen langen Weg hinter dir, was deine Musik angeht. Angefangen hast du ja mit einer Punk Band…

Ja, das stimmt. Ich habe angefangen Songs zu schreiben, als ich 14 war. Mein erster Song war ein schlechtes Liebeslied für ein Mädchen. Typisch (lacht). Damals mochte ich das wirklich.

Wie kam es zu der Veränderung von Punk zu dem was zu jetzt machst?

Stück für Stück. Mit 14 drehten sich meine täglichen Emotionen vor allem um Wut und Ungerechtigkeit. So „Scheiß auf die Welt“. Man hasst alles, wenn man 14 ist. Da versteht man, dass die Welt nicht fair ist. Und als jemand, der Musik macht, war es für mich klar, dass sich diese Gefühle in lauten Gitarren und Zerstörung und so Zeug äußern. Als ich älter wurde habe ich angefangen die Welt etwas differenzierter zu sehen, mit einer neuen Brille. Also hat sich auch meine Musik verändert. Aber das war nie eine Entscheidung, sondern ein natürlicher Prozess.

Woher nimmst du heute deine Inspiration?

Hauptsächlich aus Büchern. Ich liebe es zu lesen. Nachdem man ein Buch oder auch nur eine Seite gelesen hat, bleibt etwas hängen, also ist es wirklich eine tolle Inspirationsquelle.

Ibeyi haben erzählt, dass Damon Albarn von Blur mal gesagt habe, dass man sich in einen Raum voller Bücher einschließen soll, wenn man Inspiration für Musik sucht. Nicht mit anderer Musik. Ist das nicht ein interessanter Aspekt, dass ein Musiker mit derart vielen, musikalischen Projekten sich seine Inspiration in der Literatur holt?

Interessant! Ich finde das super logisch. Ich meine, sicher hört er auch sehr viel Musik. Wenn man sich zum Beispiel sein afrikanisches Projekt ansieht, wird klar, dass er sehr viel afrikanische Musik gehört haben muss und dort war und natürlich ist das auch super inspirierend. Aber ich finde was er sagt macht Sinn, denn Literatur hängt viel mehr mit dem Geist zusammen und die Weisheit in einem Buch entsteht durch Jahre langes Denken. Der Schriftsteller schreibt es dann in einem Buch auf und alles wird nochmal perfektioniert und das ist verrückt. Das hat man manchmal auch mit Musik, wenn man sich Leonard Cohen anhört zum Beispiel.

Stört es dich, dass du Musik machst, während Bücher so viel mehr Weisheit transportieren?

Nein, ich mag Musik im Moment sehr. In Musik kommen so viele Dinge zusammen, die ich mag. Theater… Ich habe mit Theater angefangen, also liebe ich es auf der Bühne zu stehen. Ich liebe es zu performen. Ich denke auch nicht, dass ich ganz ungeschauspielert bin, wenn ich auftrete. Musik ist schauspielern und singen und man macht etwas, das mehr als nur Songs ist. Es sind so viele Dinge in einem Song. Du hast die Melodie, den Rhythmus, den Text, der mir besonders wichtig ist. Lyrics können auch eine gewisse Weisheit transportieren. Bücher geben einem den vollen ‚Mindkick‘, in einem Song kriegt man vielleicht nur ein Kapitel. Ich mag es wirklich. Vielleicht schreibe ich irgendwann mal ein Buch. Ich bin nicht sicher, ob ich talentiert genug bin, aber vielleicht, wenn ich weiser geworden bin, schreibe ich mal ein Buch.

Man kann ja Songs auch wie Gedichte betrachten. Also auch eine Form der Literatur…

Ich sehe in Songs keine Gedichte. Vielleicht kann man manche Songs einfach lesen und die Aussage bleibt, vor allem bei Songs von Leonard Cohen. Aber die meisten Songs sind keine Gedichte. Sogar Bob Dylan Songs nicht. Die meisten Songs will ich nicht nur lesen. Es ist anders als einfach ein Buch mit Gedichten zu öffnen. Und ich liebe es Gedichte zu lesen. Aber zum Beispiel das Talent von Kendrick Lamar zeigt sich in der Kombination aus den Lyrics mit dem Flow und dem Rhythmus. Er zeigt sein Talent im Song. Wenn ich den Songs nicht kennen würde, könnte ich den Text lesen und denken „ja das sind ein paar gute Reime“, aber man braucht die Musik damit es richtig funktioniert. Man braucht den Flow, die Performance. Ein Gedicht braucht das nicht. Es gibt auch Ausnahmen, wie Leonard Cohen. Seine Gedichte sind so gut, die hätten Songs sein können. Das Reimschema ist so gut, die hätten Songs werden können.

Du bist aus Antwerpen, richtig? Wie ist es so dort Musik zu machen? Es ist immer wieder bemerkenswert wie viele gute Musiker aus so einem kleinen Land wie Belgien kommen.

Oh ja, Antwerpen ist eine sehr gute Stadt zum Leben und es gibt viele gute Musiker, das sagen meine Freunde von Außerhalb auch immer. Ich glaube es ist egal, wie klein ein Land ist, wichtig ist seine Geschichte und ich finde Belgien hat eine Vergangenheit in der viele Künstler einfach gemacht haben, worauf sie Bock hatten. Außerdem ist der Surrealismus etwas, das in der Geschichte der belgischen Kunst immer wieder aufgetaucht ist. Ich denke, das beeinflusst die Musik die in Belgien gemacht wird.

Ich mag es, dass belgische Musik oft so DIY klingt.

Ja auf jeden Fall! Ich denke es geht vor allem um die Songs. Wenn der Song gut ist, ist der Rest auch gut.

Die letzte Frage, ist eine klassische Abschlussfrage: Hast du Pläne für die Zukunft?

Ja, in der nahen Zukunft ist mein Leben für die nächsten paar Jahre verplant. Teil des Plans ist es einfach mal alles laufen zu lassen. Aber mein Album kommt auch Ende des Sommers raus. Normalerweise macht man die typischen Sachen mit einem Album, aber es kann immer sein, dass etwas Außergewöhnliches passiert und man außergewöhnliche Sachen machen kann, man weiß nie. Wir werden sehen. Ich habe letztes Jahr ein paar besondere Sachen gemacht auf die ich auch ein bisschen stolz bin. 

Das noch titellose Album von Tamino soll im Spätsommer erscheinen. Bis es soweit ist, kann man ihn beispielsweise beim Haldern Pop oder auf dem Reeperbahn Festival live erleben.

„Habibi“ von Tamino:

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