Am 8. Juni erscheint das Debütalbum „Das Paradies“ von Tristan Brusch. Die Songs darauf erzählen nicht nur von einer positiven Welt, sondern auch von ihren Schattenseiten – und das ehrlich und unbeschönigt. Im Interview verrät er uns, dass die Themen in seinen Songs direkt aus seinem Leben gegriffen sind, was genau er an Fischen interessant findet und welche Kochkünste in ihm stecken.
Das Album verspricht einen Kirmesbesuch und eine gehörige Portion an akustischer Zuckerwatte. Es zeigt aber auch, dass man es eventuell selbst ist, vor dem man sich in der Geisterbahn erschreckt. Das Karussell des Lebens dreht sich manchmal zu schnell und lässt sich erst recht nicht bremsen, wenn man es sich am meisten wünscht. Tristan Brusch fällt auf und das nicht nur durch seine blonden, lockigen Haare. Vornehmlich auch in musikalischer Hinsicht: Zum einen deutschsprachig mit klugen Texten und zum anderen durch genauso intelligenten Pop und Kompositionen, die in der Form überraschen und einen angenehmen Wiedererkennungswert kreieren. Eine musikalische als auch textliche Bildgewalt, die man in der Plumpheit des Mainstream-Deutsch-Pop-Poeten-Zirkus meist vermisst.
Deine EP hieß „Fisch“ und auch in der Singleauskopplung „Tier“ als Vorgeschmack auf dein Debütalbum „Das Paradies“ gehört zumindest im Video diesem Wasserbewohner die visuelle Bühne. Im entsprechenden Song wird das am Ende besungene „Tier“ gar nicht beim Namen benannt und doch als „Lieblingstier“ bezeichnet. Hast du eine Begeisterung für Fische oder bleibt lediglich das große Bild des Hilflosen, das mit dem Tier einhergehen kann?
Zweiteres. Ich habe sogar noch mehr Lieder über Fische, die ich vielleicht auch irgendwann mal veröffentliche. Immer spielt Hilflosigkeit eine Rolle, neben einem Gefühl von Deplatziertheit. Fische sind außerdem interessant, weil sie im Meer langsam durch Plastikmüll ersetzt werden. Ein überwältigendes und Angst einflößendes Bild. Das Lieblingstier im Lied „Tier“ ist aber natürlich ein anderes.
Maeckes und dessen Quartett-Kombo die Orsons waren so etwas wie dein Sprungbrett in ein breiteres Publikum. Aus der Zusammenarbeit mit Maeckes zu dessen Solo-Album „Tilt“ (2016) entstand die Connection zu Äh, Dings, der nun auch „Das Paradies“ produzierte. Was verdanken die Jungs dir?
Naja, ich habe die Musik für Maeckes letztes Album „Tilt“ komponiert. Maeckes und Äh, Dings haben einen rein intuitiven Zugang zur Musik. Da konnte ich durch gnadenloses Fachwissen punkten. Außerdem habe ich ihnen gezeigt, wie man tolle Penis-Bilder zeichnet und habe auch viel für die Jungs gekocht. Zum Beispiel die Scampi des armen Mannes: Knoblauch mit der Schale im Ofen gegart.
Chanson-Pop, Synthie-Pop, 80er-Referenzen oder Kirmes-Pop. Das alles sind Kategorien, in die man deine Musik einzuordnen versucht. In welchem Genre fühlst du dich am meisten zu Hause?
Da fragst du was. Das ist bei mir phasenweise bedingt und auf keinen Fall identitätsstiftend. Aufgewachsen bin ich vor allem mit klassischer Musik und wenn ich die höre, fühle ich mich sofort sicher und zu Hause.
Betrachtet man die Cover der bisherigen Singleauskopplungen (Loch, Hier Kommt Euer Bester Freund, Tier, Zuckerwatte inklusive das Albumcover von „Das Paradies“), bist du darauf überall selbst zu sehen. Das Gesicht ist bearbeitet, diverse Maskeraden und Verkleidungen. Bist du ein Verwandlungskünstler und spricht das auch für deinen musikalischen Fassettenreichtum?
Ein Verkleidungskünstler bin ich nicht, aber in mir wohnen auf jeden Fall viele Tristans: Ein Schüchterner, ein Verliebter, ein Vorlauter, ein Ernster, ein Zorniger, ein Trauernder, ein Hässlicher – um nur wenige zu nennen. Auf meinem Album feiern sie alle miteinander eine Party.
Auf den ersten Blick verbindet man dich mit Spaß und Verrücktheit. Trotzdem bestehen deine Songs nicht nur aus Fun und Humor, sondern sind klug und beschäftigen sich trotzdem oder gerade deshalb auch mit Themen wie Depression oder Feminismus. Wie wichtig ist es für dich, die vermeintliche Grenze zwischen Ernsthaftigkeit und Humor durch dein musikalisches Schaffen künstlerisch aufzubrechen?
Wieso können Fun und Humor nicht klug sein? Vielleicht ist Humor viel klüger als Depression, zumindest weiser. Ich besinge halt Themen, die mir in meinem Leben begegnen und die mich berühren. Da ist nichts Ausgedachtes in meinen Texten, die eben alle meine Lebensbereiche behandeln. Andere Künstler fokussieren sich vielleicht mehr auf bestimmte Themen und arbeiten sich daran ab. Das ist meiner Meinung nach nicht besser oder schlechter als meine Art zu texten. Allerdings bin ich durch mein Spektrum nicht so schnell greifbar. Man braucht ein wenig Zeit um zu kapieren, worum es mir geht oder was für ein Typ ich bin. Vielleicht sogar ein wenig Mut, aber wenn du dich traust, verschütt’ ich mich dir.
In deiner aktuellsten Singleauskopplung „Zuckerwatte“ singst du: „Und ich sage dir / Ich bin diese eine, verbotene Tür / Es duftet nach Zuckerwatte, Rauch, verschüttetem Bier“. Worauf könntest du in einer Party- oder Freizeitsituation am einfachsten verzichten: Zuckerwatte, Zigaretten oder Bier?
Das ist leicht: Auf gar nichts will ich verzichten.
Mit deiner EP warst du auf diversen Bühnen live unterwegs, spieltest aber auch viele Supportshows für beispielsweise Mine & Fatoni. Jetzt mit „das Paradies“ steht erneut eine eigene Tour an, aber auch einige Festivaltermine. Worin besteht bei dir der Reiz von Festivalgigs und worauf freust du dich am meisten, wenn du selbst auf Tour bist?
Wo soll ich beginnen? Auf Tour zu sein ist auf so viele Arten so wunderbar: Wenn du siehst, wie ein junger Mensch stumm alle Texte mitsingt, wenn dir die Leute hinterher erzählen, was ihnen die Lieder bedeuten, jeden Tag unterwegs zu sein, wenn sich auf der Bühne der Schalter im Kopf umlegt und du dich ganz in der Musik verlierst, tonnenschwere Verstärker schleppen, ewige Warterei auf und nach dem Soundcheck, Tankstellenessen und nicht zuletzt der Lagerkoller, der sich ungefähr 20 Minuten nach Tourbeginn mit der Crew einschleicht. Fühlt sich an wie Klassenfahrt mit Konzerten.
Wie definierst du für dich das Paradies und wie ironisch sind die biblischen Anspielungen durch den Titel und auf deinem Albumcover die Schlange und der Apfel gemeint?
Das Paradies kann sein: Ein Versprechen und eine Hoffnung, ein Ort nach dem Tod, ein Ort hier auf der Welt, ein Zustand oder auch einfach der Name für einen Puff oder ein Fahrgeschäft auf der Kirmes. Die Symbolik auf dem Cover ist nicht wirklich ironisch. Die Bilder kommen zwar aus der Bibel, kann man aber auch jenseits von Religion verstehen. Die Bibel ist ein so krasses Buch, da steckt so viel drin wie wir geprägt sind, ob jetzt gläubig oder nicht. Kann man mal lesen!
Tristan Brusch live:
15.06.2018-18.06.2018 – Mannheim, Maifeld Derby
08.08.2018 – Mainz, Schon Schön
09.08.2018-11.08.2018 – Haldern, Haldern Pop Festival
18.10.2018 – Köln, Veedel Club
19.10.2018 – Hannover, Lux
20.10.2018 – Bremen, Lagerhaus
22.10.2018 – Dortmund, FZW Club
23.10.2018 – Frankfurt, das Bett
24.10.2018 – Nürnberg, Club Stereo
25.10.2018 – München, Zehner
26.10.2018 – Stuttgart, Kellerklub
27.10.2018 – Heidelberg, Halle 02
29.10.2018 – Hamburg, Nochtwache
30.10.2018 – Berlin, Musik & Frieden
31.10.2018 – Leipzig, Naumanns
Fotos: Ashley Armitage