Bandrecycling ohne Frauen – Von problematischen Festival-Line-Ups

Lorde, Taylor Swift, Sia, Beyoncé, die x-te Spice-Girls-Reunion, die auferstandene Avril Lavigne: Frauen lassen in der Musikbranche den Rubel rollen – The presence is female. Bei Festivalveranstaltern scheint das aber noch nicht angekommen zu sein. Wird die kommende Saison auch die bisher langweiligste?

Es fühlt sich wie eine direkt Ohrfeige an, von der man dann doch überrascht ist: In der ersten Bandwelle für die kommende Festivalsaison bietet das Hurricane-Festival keinen Platz für Frauen. Für keine einzige. Stattdessen trifft sich unter den 25 bekanntgegebenen Acts die reinste Testosteron-Parade: Foo Fighters, Mumford And Sons, The Cure – Wow, welches Jahr haben wir? Ist das jetzt das, was die Leute sehen wollen? Und vor allem: ist das die bittere Realität? Dass nur die Festivalbesucher auf ihre Kosten kommen, die in Ballermann-verwandter Stimmung „Fallen Leaves“ von Billy Talent grölen bis ihnen die Kehle platzt? Klar, ein Tränchen bei „Everlong“ zu verdrücken, während fremder Schweiß auf die eigene Schulter tropft, kann rührend sein und ist wohl den meisten von ihnen schon passiert. Aber brauchen die Altherren, die bisher die Plakate schmücken, diese Form der Beweihräucherung überhaupt?

Selbst wenn der grundlegende Gleichberechtigungsaspekt sich hinten anstellt, das zusätzliche Ärgernis bleibt: Es ist nicht so, als sei man 2018/ 2019 alternativlos. Wo sind Florence And The Machine, Robyn, Pale Waves, Cat Power, Snail Mail? Um nur die zu nennen, die sich in diesem Jahr wohl recht weit vorne auf den „Album des Jahres“-Listen treffen werden. Und Hayiti oder Ibeyi? Oder mal eine für ein so großes Festival unkonventionelle Wahl wie die wunderbare Julien Baker? Bei Rock am Ring stehen im kommenden Jahr nach aktuellem Stand zumindest vier Frauen auf der Bühne, drei von ihnen als Teil einer Band mit männlichen Musikern. Die Argumente, die verschiedene Festivalbetreiber immer wieder aufbringen sind hier so kurzfristig gedacht wie einfallslos: Die Altherren der Schöpfung seien nun mal Ticketkauf-Garant, sorgen somit für die Finanzierung des Festivals und auch für eine reelle Chance, „kleinere Acts“, ergo Frauen, zu buchen.

Bandrecycling als Wirtschaftsanker?

Dass die Ticketpreise zusätzlich jedes Jahr steigen, stößt ja sowieso schon bei den meisten übel auf und zurecht zeigen Journalistinnen, wie zuletzt Silvia Silko via Noizz, mit dem Finger auf große Festivalbetreiber. Denn nicht nur legt das bisherige Hurricane-Line-Up offen, dass wir von gebührendem Respekt weiblicher Künstlerinnen noch weit entfernt sind, wenn die Entwicklung so weiter geht, dürften die zukünftigen Ankündigungen so langweilig werden, wie die stundenlangen Bierpong-Sessions auf den Campingplätzen. Denn wo Gleichberechtigung nur eine nette Idee ist, sind Festivalbetreiber scheinbar auch dazu verdammt, sich die immer gleichen Acts Jahr für Jahr wie einen platten Ball hin und her zu schieben. Bandrecycling als Wirtschaftsanker? Immerhin waren die Foo Fighters bereits 2018 bei Rock am Ring Headliner und sollen beim Hurricane nun die gleiche Position besetzen.

Ein Statement ist bisher übrigens nur in der Kommentarspalte von Facebook erschienen. Hier verteidigt sich das in Scheeßel stattfindende Festival: „Zunächst sei einmal klargestellt: das Thema ist nicht nur wichtig und vollkommen berechtigt, wir sind auch seit vielen Jahren am Dialog beteiligt. Wir schätzen Euer Engagement und Awareness in dieser Sache. Mit der Veröffentlichung der ersten Bandwelle ist gerade mal ein Bruchteil unseres Line-Ups am Start. Wollen wir da vielleicht nochmal drüber sprechen, wenn Ihr unser komplettes Line-Up kennt?“ Ein Blick auf das Line-Up 2018 verrät, worauf diese Komplettierung hinaus laufen könnte: weniger als zehn Acts mit Frauen standen auf der Agenda, insgesamt spielten aber 68. Dass es in einer ähnlichen Größenordnung auch anders geht, beweisen übrigens Festivals wie das Melt Festival. Nun, liebe Festivalbetreiber, wir bleiben gespannt worüber wir sprechen werden, wenn eure Line-Ups für 2019 dann komplett sind. Bis dahin können wir zumindest beim eigenen Plattenspieler jeglichen Altherrenrock meiden.

Eine Kandidatin für die großen Bühnen: Florence + The Machine:

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