Wo anfänglich noch VHS-Verliebtheit, Neue-Deutsche-Welle-Vibes und Retroromantik den Ton angegeben haben, schleifen Flut aus Wien jetzt die rauen Nostalgieanhaftungen von ihrer Musik ab und präsentieren mit „Global“ ein diverses, soundtechnisch eigenständiges Debütalbum. Im Interview haben wir mit Sänger Johannes Paulusberger und Schlagzeuger Jakob Herber über ihre eigenwilligen Songentstehungen, ihr Faible für Wettermetaphern und globale Exportpläne gesprochen.
„Wir leben in einer Stadt, die durstig macht. Wir leben in einer Stadt, sind immer am Draht.“ Was klingt wie das catchy Intro einer Kinderserie aus den Neunzigern ist die erste Textzeile auf dem Flut-Debüt „Global“. Sie markiert expositorisch die treffende Eigenbeschreibung für eine junge Band, die trotz scheinbar unstillbarer Liebe an musikalischen Zitaten und dem Drang nach ästhetischer Analogie, einen Schritt weiter gemacht hat. Flut tasten sich mit „Global“ in poppigere Welten vor, lassen ihre kantigen Eigenheiten dabei aber nicht zurück.
„Es sollte schon geupgradet klingen. Da muss man aber natürlich schauen, dass es man seine Authentizität nicht verliert und dann nur noch poppig und geschliffen klingt.“, bemerkt Sänger Johannes. „Wir haben geschaut, dass wir uns jetzt nicht nur an den Achtzigern bedienen, sondern an allen Einflüssen, die aus uns selbst kommen. Wir haben extra wenig Musik gehört im Studio.“ Insgesamt seien die Inspirationen fürs Debüt viel abstrakter geworden, fügt Schlagzeuger Jakob hinzu. Sie hätten nichts mehr einfach aufgegriffen, um es dann auf Flut zu adaptieren.
Zur Erklärung der Veränderung im Flut-Sound fallen im Gespräch mit den beiden Bandmitgliedern immer wieder die Worte „Musik, die aus uns selbst kommt“. Scheint als wollen Flut auf ihrem Debüt mehr Individualität vermitteln. Musikalisch gesehen offenbart sich das auf „Global“ durch eine deutliche Weiterorientierung in Richtung Weltmusik ohne dabei auf die typischen NDW-inspirierten Synth-Pop-Züge der „Nachtschicht“ EP zu verzichten. „Ich glaube schon, dass man Verbindungspunkte zur „Nachtschicht“ EP sehen kann. Der Geist der Band ist der Gleiche geblieben.“, sagt Jakob zur musikalischen Weiterentwicklung der Band.
Den ersten Höreindruck von „Global“ markierte bereits Anfang des Jahres die Single „Agent 08“. Präsent ist hier die Leidenschaft für dunkel-morbide Geschichten über Astronauten, Gangster oder Spione, die direkt an der „Nachtschicht“ EP ansetzt. Doch die drei Minuten voll sauber tanzbarem Disco-Storytelling sind stilistisch gesehen fast schon irreführend. Auf Albumlänge bildet das nämlich nur eine der vielen Flut-Facetten: „Es ist viel in einen Topf zusammen geschmissen worden und von allen Bandmitgliedern einmal groß umgerührt worden.“
Auf der musikalischen Reise ins Innenleben der Bandmitglieder treffen kühle, dramatische Synth-Popballaden („Unterwasser“, „Alles“) auf retro-verliebte, sonnige Feelgood-Disco-Hits („Sommer in Mumbai“, „Cocktailbar“) bis sich die volle Flut-Energie in hymnisch-euphorische Mitgeh-Songs („Schlechte Manieren“, „Kein Land“) entlädt. Das Konzept der unterschiedlichen Facetten geht unter einem Albumtitel wie „Global“ dabei voll auf. Mit dem Begriff hat übrigens auch alles angefangen, wie Schlagzeuger Jakob erklärt: „Es hat einfach diesen Dachbegriff Global von Anfang an gegeben. Dann war auch Eiszeit schon relativ früh da. Das waren einfach so Begriffe, die in der Band herumgeschwirrt sind.“
Begriffe wie „Eiszeit“, „Regen“ oder „Unterwasser“, die sich von Stimmungsträgern oder „Working Titles“, wie Johannes sie nennt, zu Songtiteln gemacht haben. Es ist ein emotionaler Wetterbericht, der sich damit durch „Global“ zieht und für so ziemlich jede Gefühlslage die richtige metaphorische Vorhersage bereithält. „Es hat irgendwie zum Global-Ding gepasst verschiedene Wetterzonen miteinzubeziehen.“, bestätigt Johannes, „Und ich würde sagen, dass ich generell schon ein sehr wetterabhängiger Mensch bin, weil ich generell auch sehr naturverbunden bin. Es hat sich schön angeboten, dass man eine Wetterbeschreibung zu einer Gefühlslage hat.“
Die Songtexte greifen die jeweils passende Stimmung der Musik auf. Entstanden sind sie in knappen fünf bis sechs Wochen – aus einem Gefühl heraus, das ein unscheinbar wirkender „Working Title“ ausgelöst hat: „Es ist lustigerweise oft so gewesen, dass ein ‚Working Titel‘ am Anfang festgestanden ist, zum Beispiel ‚Schlechte Manieren‘. Das Lied heißt jetzt so, obwohl es nur einen ‚Working Title‘ gibt ohne einen Text oder so. Und dann hat man halt einen Text dazu geschrieben und dann sieht man schon wo’s hingeht.“
Eine gesunde Randomness gepaart mit einem gewaltigen Feingespür für musikalische Trends – Flut gehören damit aktuell nicht nur zu den interessantesten, deutschsprachigen Bands, sondern definitiv auch zu den sympathischsten. In andere Länder außerhalb von Deutschland, Österreich oder der Schweiz zu exportieren, ist trotz des überregionalen Albumtitels „Global“ erst einmal kein Ziel der Wiener. Johannes erklärt dazu: „Die Grenzen des deutschsprachigen Raums sind für uns eigentlich okay, weil vielleicht verstehen einen insgesamt nicht so viele Leute, wie wenn man Englisch singt, aber die wenigen verstehen einen halt besser.“ Außerdem bleibt ja auch immer die Option, tief in die Kitschkiste zu greifen und Singles einfach in einer schlechten englischen Version zu veröffentlichen. Jakob und Johannes lachen. „So im Vorbeigehen habe ich auch manchmal englische Versionen ins Mikro eingesungen.
Wenn irgendwo ein Mikrophon rumgestanden ist und irgendwer im Studio hatte das Lied laufen, dann habe ich immer kurz englisch drüber gesungen oder auch südtirolerisch.“ Flut gehören mit ihrem Debüt „Global“ jetzt vollständig zur Kategorie Band, die definitiv durstig nach mehr macht.
Flut auf Tour
09.10. Berlin – Privatclub
12.10. Wiesbaden – Schlachthof
13.10. Nürnberg – Pop Festival
20.10. Steyr – Röda
25.10. Bern (CH) – Gaskessel
26.10. Schaffhausen – TabTap
27.10. Aarau – KIFF
16.11. Lustenau – Carini Saal
17.11. Linz – Kapu
28.11. Wien – Wuk
30.11. Graz – PPC
01.12. Wolkersdorf – Outback
21.12. Salzburg – Rockhouse
Das Video zu „Schlechte Manieren“ seht ihr hier: