Mit Majical Cloudz, viel Frankreich und dem neuesten Streich von Luaka Bop
Es wird kalt in Deutschland. Umso mehr ein Grund, zuhause zu bleiben und die Stereoanlage voll aufzudrehen. Aber was sollen wir denn hören, fragt ihr? Verzagt nicht, eure liebsten Musikredakteure haben euch mal wieder eine kleine Auswahl zusammengestellt. Dabei ist dieses Mal die französische Musik stark präsent, mit dem grandiosen Debütalbum von Feu! Chatterton und neuen Alben von Arlt und the Shoes. Psych Rock, ein Luaka Bop Release und das neue Majical Cloudz Album komplettieren die Alben des Monats. Viel Spaß beim Lesen (und anhören):
Arlt: Deableries
Warum Sing Sing und Éloïse Decazes ihr drittes Album als Arlt Deableries genannt haben, ist nicht so ganz klar. „Deableries“ bedeutet soviel wie „Gespräche zwischen Teufeln“ und geht auf ein Werk eines französischen Schriftstellers zurück, in dem sich Satan und Luzifer unterhalten. Daher solche Songtitel wie „Le Diable“, „L’enterrement“ und „Le cancer“.
Das lose Konzept erklärt aber nicht die Musik: seichte gitarrenbasierte Gedichte, Decazes‘ Gesäusel über Sing Sings Gebrumme, als würden sich Bär und Vogel unterhalten. Die Melodien winden sich ihren Weg in die Gehörgänge. Immer wieder sorgen unerwartete Harmoniewechsel und kleine Dissonanzen dafür, dass Deableries nicht zu seicht wird. Unterstützung hat sich das Duo von Mocke (Gitarre) und Thomas Bonvalet (alles andere) geholt. Für manche Geschmäcker mag das zu viel Gedudel sein, andere nerven die kleinen harmonischen und melodischen Messerspitzen. Mir persönlich gefällt das Wechselspiel der beiden unterschiedlichen, aber sich ergänzenden Stimmen. Wie „Deableries“ klingt das nicht.
Doug Hream Blunt: My Name Is Doug Hream Blunt
Alles an Doug Hream Blunt wirkt wie eine Parodie auf David Byrnes Luaka Bop Label: angefangen mit der Lebensgeschichte des Musikers, der mit minimaler musikalischer Erziehung ein Album aufnimmt, bis zu der Tatsache, dass Byrne ihn Jahre später wiederentdeckt und 2015 eine Compilation von ihm veröffentlicht. Sogar der Name ist dem von ebenfalls involvierten Dean Blunt erstaunlich ähnlich, aber da mehr als einen Zufall zu sehen, wäre schon eine Verschwörungstheorie. My Name Is Doug Hream Blunt jedenfalls ist eine Stunde Afro Funk. Eine sehr unterhaltsame, wenn auch auf die Länge etwas anstrengende Stunde. Beste Songs: „Fly Guy“ und „Carribean Queen“.
Feu! Chatterton: Ici le Jour (a tout enseveli)
„Das Inselchen der Eleganz, die man in der französischen Rockmusik nicht mehr erwartet hatte.“ Das französische Musikmagazin Les Inrocks ist begeistert von Ici le Jour (a tout enseveli), genau wie wir. Zwölf eklektische Songs der Pariser Newcomer Feu! Chatterton, die Television, Destroyer oder David Bowie Konkurrenz machen. Einer der Gründe ist die Musik, die sich zwischen Rock und Chanson bewegt, oder besser: die Energie von Rockmusik in seinen Tausend Formen dem jeweiligen Charakter des Songs anpasst.
Jener wird von Sänger Arthur Téboul stark mitbestimmt, dem zweiten Grund, weshalb Ici le Jour so ein umwerfendes Album ist. Die Energie von Noir Désir steckt in seiner Stimme genauso wie die Theatralik von solchen Chansongrößen wie Jacques Brel oder Serge Gainsbourg, mit denen er immer wieder verglichen wird. Was die Leuchtkraft von Chanson heutzutage angeht, kann man das Quintett mit Stromae in einem Atemzug nennen. Von der Hymne an ein Mädchen namens „Ophélie“, über das explosive „La Mort dans la Pinède“ und das Highlight „Le Pont marie“ bis zum pathetischen Schlusspunkt „Les Camélias – Bic médium – Part 4“: Ici le Jour (a tout enseveli) legt die Messlatte für französischsprachigen Rock und für expressive Musik überhaupt unglaublich hoch. Feu! Chatterton haben mit ihrem Debüt zugleich ein Meisterwerk geschaffen.
Gnoomes: Ngan!
Alle paar Jahre gibt es eine Band, die mit einem rundum gelungenen Album einen Musikstil wieder aufleben lässt, ohne ihm Neues hinzuzufügen. In der Regel trifft das Prog oder Psych Rock, zuletzt mit Requin Chagrins Debütalbum war es Garage Rock. Das war bei A Time of Day von Anekdoten so, bei The Raven That Refused to Sing von Steven Wilson. Und nun bei Ngan! von Gnoomes.
Die russische Band, die wir euch vor ein paar Wochen erst vorgestellt haben, hat mit ihrem Debüt ein fast klassisches Psych Rock Album zustande gebracht. Zwischen den beiden 15-Minuten-Panorama-Jams „Roadhouse“ und „My Son“ stehen zwei kompakte Songs, die dafür das Psychedelische stärker in den Vordergrund bringen. Dabei erinnert „Myriads“ stark an die Musik von Wooden Shjips, mit einem wunderbaren Ende; „Moognes“ macht sich das Verwischen von elektronischen Elementen und verzerrtem Gitarrengeschrammel von Shoegaze zu eigen. Wer Psych Rock mag, wird Gnoomes lieben. Wer nicht, sollte sich zumindest mal die beiden kurzen Songs anhören.
Majical Cloudz: Are You Alone?
Are You Alone? ist Devon Welsh und Matthew Ottos erstes Album seit dem großen Wurf und Kritikerliebling Impersonator und der Tour als Vorband von Lorde. Bereichert mit den Erfahrungen von weltweiter Anerkennung und der Konfrontation mit verständnislosen Lorde Fans machen sie auf ihrem neuen Album – genau das gleiche. Are You Alone? bewegt sich in denselben minimalistischen Popsphären wie der Vorgänger, was bei der Musik ein deutlicher Pluspunkt ist. Welsh singt auf „Are You Alone?“ genauso fesselnd wie auf „Silver Rings“, „Control“ und die erste Single „Silver Car Crash“ ist fast so stark wie „Childhood’s End“. Selbst das Coverdesign ist in seiner minimalen, grau-weißen Ästhetik dem von Impersonator ähnlich, sogar noch besser. Da wirkt die Frage fast schon rhetorisch: Mit der Musik von Majical Cloudz ist man nie allein.
The Shoes: Chemicals
Dieses Album wäre uns fast durch das Netz gegangen. Chemicals ist bereits das dritte Album des französischen Electro Duos the Shoes. Vielleicht habt ihr vor ein paar Wochen das Gif-Video zu ihrem Song „Drifted“ gesehen, der gleichzeitig einer von Chemicals‚ Vorzeigetracks ist. Aber auch die anderen neun Songs können sich sehen lassen, immer anders aber stets dringlich und elektronisch. Da Guillaume Brière und Benjamin Lebeau Produzenten sind, holen sie sich für die Vocals immer nationale und internationale Künstler. Neben dem langjährigen Kollaborateur Esser sind diesmal besonders Petite Noir („Lost In London“) und Blaine Harrison dabei. Diese Chemicals sind alles andere als giftig.