Der Neid wird zum Hass, der Freundeskreis bleibt klein: Es scheint nicht leicht im deutschen Rap ein Star zu sein. Könnte man meinen, wenn man zum Beispiel Yung Hurns neuer Single „Sie Schauen“ zum kommenden Album 1220 Glauben schenken möchte.
Es ist ja nichts Neues, wenn Rapper*innen von der Unaufrichtigkeit und der Verlogenheit ihrer seit dem letzten Hit frisch gewonnenen Bekanntschaften erzählen: Kanye widmete seinen 2007er Kracher „Stronger“ niemand geringerem als seinen Hatern und hat mit diesen seitdem auch immer wieder Wichtiges zu besprechen. Drake, seit diesem Jahr offiziell von Gottes Plan gelenkt, wird nicht müde zu betonen, wer von Day 1 dabeigewesen ist und, ganz wichtig, wer eben nicht. Auch im Deutschrap stellt Trettmann zusammen mit dem stolzen Albino-Alligatoren Besitzer Gzuz im 2017er Radiohit „Knöcheltief“ fest, man habe die bleichen Füßlein nur noch mit „den Echten“ in den warmen Sand der Westindies gerieben. Die grob gezählt vierhundert Interviews, in denen Fler in den letzten zwei Jahren neben der Beruhigung seines unabdinglichen Bedürfnis, darüber aufzuklären, wer zu Rap gehören darf und wer sich von den Versace Trägern jetzt endlich schleunigst ficken gehen sollte, klar gemacht hat, das große Geschäft sei dreckig, man dürfe nur nach sich selbst schauen, überall lauern die gierigen Snitches, und auch wirklich fast jeder ließe dich hängen, machen klar: Yung Hurn erfinde, gelinde gesagt, mit „Sie Schauen“ das Rad nicht neu, sondern greift ein beliebtes Narrativ auf, dass er sich in nicht mal zwei Minuten Song zu eigen macht.
Während im Jil Sander Shirt der Insta Feed durchsgescrollt wird und die Freunde von den Händen abgezählt werden können, säuseln ein paar wenige Synthies über die Drums und Yung Hurn macht sich nicht die Mühe, in mehr als einer Strophe zu erzählen, warum denn jetzt alle Hater zu ihm und seinen Jungs und Mädels herschauen. Wie in den bereits erschienenen Songs zu 1220 „GGGut“, „MHM“ und „Ok Cool“ reduziert sich der Wiener auf ein textliches Minimum, während die Beats der einzelnen Songs homogen arrangiert werden, es riecht förmlich nach einem stilistisch kohärenten Album. Nach einem Album, auf dem das Thema Authentizität im Bekanntenkreis sicher nicht mit „Sie Schauen“ auserzählt sein wird. Gut so, denn solange sich in Rap- und Popmusik weiterhin fröhlich über sich selbst beklagt wird, bleiben die Fans ganz sicher nicht auf der Strecke. Also eben die, die von Tag Eins dabeigewesen sind, versteht sich.