Der Countdown läuft: In drei Tagen erscheint mit „Falmenta“ das Debüt von Sea Moya. Wir haben kurz vor der Veröffentlichung mit Elias Foerster über die Produktion und den Umzug der Band nach Montreal gesprochen.
Sea Moya sind wahre Klangakrobaten. Dass Elias Foerster und David Schnitzler auf ihrem Debütalbum „Falmenta“ mit Leichtigkeit diverse musikalische Einflüsse vereinen, ist also nicht weiter überraschend. Beim Hören entdeckt man immer wieder Neues – dieser Gesamteindruck spiegelt sich auch in der heute veröffentlichten Single „Purple Days“ wider. Aber was braucht eine Band, um eine so vielschichtige Platte aufnehmen zu können?
Elias Foerster gibt uns im Interview einen Einblick in die Produktion des Albums am Lago Maggiore und erzählt uns von der neuen Wahlheimat Montreal. Gemeinsam mit seinem Bandkollegen hat er außerdem ein paar Schätze aus der lokalen Musikszene in einer Playlist für uns zusammengestellt.
Eure EP habt ihr auf einem Roadtrip durch die baltischen Staaten wie beispielsweise Lettland aufgenommen, das kommende Album am Lago Maggiore – wie wichtig ist euch die Umgebung, in der ihr Neues aufnehmt und produziert?
Wir lassen uns gerne von unserer Umgebung inspirieren, begeben uns gerne in neue Situationen, um durch den Perspektivwechsel den Kopf frei zu bekommen. Ob die visuellen, kulturellen oder emotionalen Eindrücke eines Ortswechsels eine konkrete Spur hinterlassen, ist schwer nachzuvollziehen. Jedoch waren wir auch in Falmenta wieder überrascht, wie entspannt und konstant unser kreativer Fluss so vor sich hinplätscherte.
Wie kamt ihr denn darauf, das Debüt in einer Hütte am Lago Maggiore aufzunehmen?
Ich legte einen kurzen Stopp bei einem guten Freund in dessen “Rustico” während eines Non-Moya Roadtrips ein. Direkt von dem Ort und der Hütte fasziniert war es sehr einfach, die Band-Kollegen für einen Studio-Trip nach Falmenta zu überzeugen.
Erzählt mal ein bisschen von dem Ort Falmenta. Klingt ja wirklich ziemlich romantisch!
Wo fängt man hier an? Nachdem man die wuselige Uferstraße am Lago Maggiore verlässt und parallel zum wilden Flusslauf das Valle Cannobina bergaufwärts fährt, bekommt man einen ersten Eindruck der Ruhe und Gelassenheit der Region. Je weiter man sich immer schmaler werdende Serpentinen mit immer schmaler und älter werdenden italienischen Karossen teilt, desto klarer wird die Luft und der Kopf. Leicht oberhalb von Falmenta gelegen – die Straße wird hier zum Wanderpfad – steht das “Rustico”, wunderschön an die Bergflanke geduckt. Weinbehangene Terrassen und Balkone, tiefhängende schwere Holzdecken, steinerne alte Wände, rußig, rauchiger Kaminduft – der perfekte Ort, um sich in Musik zu verlieren. Kein Netzempfang und schon längst kein WLAN tragen hier ihren guten Teil dazu bei. Oft über Tage hinweg völlig ohne Kontakt mit anderen Personen, genossen wir doch selten aber umso intensiver den guten Espresso in der einzigen Bar in Falmenta.
Spiegelt sich die dortige Atmosphäre auf der gleichnamigen Platte wider – abgesehen vom Titel?
Die Atmosphäre des Albums ist definitiv mit der Weite und Gelassenheit des Entstehungsortes verknüpft. In einigen Songs wie zum Beispiel „New Past“, „Victoria“ oder „Vineland“ ist dies vielleicht etwas klarer wahrzunehmen als in anderen, jedoch liegt da die Atmosphäre dann evtl. in anderen Details.
Angenommen ihr hättet freie Wahl – wo würdet ihr denn am liebsten mal ein Album aufnehmen?
Haha, da gab es schon viele Ideen. Einen ultimativen Ort gibt es nicht, Indien war definitiv schon das ein oder andere Mal im Gespräch, Mexiko, Westafrika – die Liste könnte zu lange werden, um interessant zu bleiben. Momentan Montreal, Kanada – ist aktuell jedenfalls der Ort, an dem wir uns sehr wohl fühlen.
Wie genau lief die Produktion des Debüts für euch ab?
Wir hatten die Möglichkeit zwei zeitliche Blöcke in Falmenta zu verbringen. Beide Male schleppten wir unser Studio- und Musikequipment den Wanderpfad ins Häuschen. Nach anfänglicher Anstrengung wurden wir mit der Freiheit belohnt, ohne Einschränkung aufnehmen zu können. Im Herbst hatten wir ein großes Sammelsurium an rohen Ideen aufgenommen. Manchmal entstanden die Ideen live als Band in einem Raum, oft verteilten wir uns auch auf verschiedene Räume, Balkone oder Terrassen und arbeiteten parallel an verschiedenen Songs. Es war interessant hier verschiedene Konstellationen auszuprobieren. Über den Winter konnten wir dann die Ideen etwas filtern und sortieren, um dann im Frühjahr mit konkreten Ideen die Platte zu finalisieren.
Hat sich in eurer Art und Weise des Aufnehmens seit der Produktion eurer EP „Baltic States“ etwas verändert? Wenn ja, was?
Durch die wachsende Erfahrung und Selbstsicherheit im Aufnahmeprozess waren wir definitiv schneller, effektiver und auch mutiger bei den Aufnahmen. Einige Aufnahmen der ersten Jam Sessions in „Falmenta“ haben es so tatsächlich auf die Platte geschafft, weil wir weniger perfektionistisch auf die Umsetzung achteten, als mehr den Charakter und die Attitüde der Momente einfangen wollten.
In eurem Sound werden viele verschiedene Einflüsse, bspw. aus Krautrock und elektronischer Musik, vereint. Wie kreiert ihr dieses vielschichtige Klangbild? Habt ihr bereits von Beginn an eine bestimmte Vorstellung von dem Endergebnis?
Hier ist unsere Herangehensweise sehr unterschiedlich. Manchmal war es sehr schön und spannend sich als Band einfach in einer ausladenden Improvisation näher zu kommen. Oft entstehen die Ideen, welche Kombination an Stil-Elementen man miteinander verkochen könnte, auch vorher im Kopf und man versucht sich einfach daran. Was jedoch letztendlich dabei rauskommt, kann sich von der Grundidee auch drastisch entscheiden.
Inwiefern wurdet ihr von Freunden und anderen Künstlern bei der Produktion unterstützt?
Es war sehr schön noch einige Gastmusiker und Freunde mit auf die Platte zu holen: Andi Haslacher am Saxophon im Song „Victoria“, Tilman Ruetz an den Percussions, welcher daraufhin live bei uns einstieg und nun mit nach Montreal gezogen ist und Drums spielt. Dazu hatten wir eine eineinhalbstündige Session mit Thanya Iyer hier in Montreal, die uns ihre wunderschöne Stimme und Synth-Welten für „Blown“ geliehen hat. Ansonsten machen wir vieles selbst wie Mixing und Artworks.
Verspürt ihr bei der Veröffentlichung eures Debüts einen gewissen Druck? Welche Gefühle kommen beim Gedanken an das baldige Release zusammen?
Ein Debüt-Album ist natürlich immer ein Debüt-Album (hmm ja), jedoch bremsen wir uns immer bewusst, wenn es um Erwartungen von unserer Seite geht. Wir sind sehr froh endlich die Songs in die Welt zu geben. Wen und wie viele Leute das dann tatsächlich erreicht, ist natürlich spannend und aufregend, jedoch nicht der Kern der Sache.
Heute erschien die neue Single von Sea Moya. Hier könnt ihr euch „Purple Days“ anhören:
Inwiefern hat euer Umzug nach Montreal die Musik auf „Falmenta“ beeinflusst?
Dadurch, dass der Recording-Prozess schon komplett abgeschlossen war vor dem Umzug, ist der Einfluss von Montreal auf der Platte eher gering. Der Mixing-Prozess wurde in Kanada abgeschlossen, was hier und da vielleicht eine Note hinterlassen hat. Und dann natürlich das Feature mit Thanya.
Was war denn eigentlich der ausschlaggebende Punkt für euch, um nach Kanada zu ziehen?
Die Lust ins Ausland zu ziehen, sich in eine andere Kultur einzuleben und mal wieder als blankes Blatt Papier durch die Straße zu laufen, bestand bei uns persönlich jeweils schon länger. Unser Hörverhalten zielte meist eher auf Musik außerhalb Deutschlands ab. Am Vorabend der Cologne Music Week saßen wir dann zusammen bei ein paar schmackhaften Getränken und kamen auf die Idee nach Kanada zu ziehen, kannten und hörten damals einige Bands aus Montreal, registrierten uns für den Visa-Antrag und dann ging alles recht schnell.
Wie unterscheidet sich die Musikszene von Deutschland und von Kanada? Welches Land würdet ihr heute eher als eure musikalische Heimat bezeichnen?
Wir genießen die Hilfsbereitschaft, den gegenseitigen Support und die DIY-Attitüde in Kanada sehr. Bisher haben wir wenig ‘sich unter Musikern kritisches Beäugen’ oder dergleichen mitbekommen. Das hatten wir tatsächlich in Deutschland manchmal anders erfahren, auch wenn man hier definitiv nicht generalisieren kann und darf! Was die DIY-Kultur angeht, kenne ich den Ansatz in Deutschland doch eher aus Punk und Hardcore, oder experimentellen Elektronik-Subkulturen. In Montreal findet man den Ansatz quer durch alle Stilistiken, Szenen und Altersklassen. Ob man beim Neighborhood Porch Fest durch die Straßen läuft und an jeder Ecke hat der Papa mit Tante und Onkel seine Veranda in eine Bühne verwandelt und leiert sich Bluesrock aus den Fingern, oder man per SMS-Anfrage den Ort und die Zeit des monatlichen Afro Future Electronic Happenings mitgeteilt bekommt, um die Nacht in irgendeiner Industrieanlage im Strobo zu baden – der Ansatz ist ähnlich. Einfach machen. Klingt alles so negativ auf Deutschland bezogen, soll es gar nicht, haha. Letztendlich freuen wir uns derbe darauf in Deutschland zu spielen, Essen im Club zu bekommen, Soundcheck zu bekommen haha. „Heimat“ ist momentan ein Begriff, den wir wenig unterstützen möchten, auch wenn das an sich traurig ist. Wir fühlen uns gerade in Kanada musikalisch sehr wohl, letztendlich ist die musikalische Heimat unserer Generation aber doch eher das Internet und dadurch die ganze Welt.
Wie würdet ihr eure neue Heimatstadt Montreal als Ort zum Musikmachen beschreiben?
Montreal ist sehr gut zu uns, wir sind super herzlich in die Szene aufgenommen worden und dafür sehr dankbar. Wenn man sich etwas raus wagt und Leute anquatscht, kommt man hier schnell in Kontakt mit anderen Bands und Künstlern aller Couture, kann Konzerte spielen, mit anderen Musik machen, etc. Jamsession und Beatmaker-Treffs, College Radios und Open Artspaces bieten alle Möglichkeiten sich schnell einzubringen und Teil der Szene zu werden. Love it.
Welche Bands aus Montreal legt ihr uns ans Herz?
Ihr solltet definitiv die neue Platte (‘Wait For Love’) von Cam Maclean anhören – super Songs und guter Typ! Natürlich solltet ihr euch mit Thanya Iyer befassen, wir sind alle maximal Fans geworden, ihre Konzerte sind übertrieben gut. So frei und trotzdem emotional berührend, eigen und doch zugänglich, ihre Mischung aus Jazz, Soul und Indie ist extrem gut. Guter Einstieg ist das sehr schöne Video zu „Daydreaming“. Future States sind Label-Kollegen und gute Freunde, die ihr definitiv auch auschecken solltet!
Und was sollten wir unbedingt mal machen, wenn wir nach Montreal reisen?
Esst kein Poutine, auch wenn das hier “Nationalgericht” ist. Das ist völliger Quatsch, es sei denn man ist nachts um vier auf einem extrem lange erscheinenden Heimweg und hat den entsprechend geschmacksunsicheren Zustand. Viel besser sind da die Bagels bei St. Viateur Bagel, das indische Essen bei Chand’s Palace, die Chocolatines bei Mamie Clafoutis. Ansonsten lohnt sich der klassische Touri-Aufstieg auf den Mont Royal definitiv, um einen Rundblick über Downtown zu bekommen. Was man auch unbedingt machen sollte in Montreal: Einfach Leute auf der Straße oder im Plattenladen (zum Beispiel 180G oder La Rama) fragen, was so los ist, da flattert auf jeden Fall die eine oder andere Einladung rein.