Das Paradies – Goldene Zukunft

Wie das Sprechen mit Schildkröten und das Paradies zusammenpassen, zeigt Florian Sievers mit seinem Soloprojekt und nun veröffentlichten ersten Album „Goldene Zukunft“. Eigentlich ist Sievers ein Teil des Duos der Talking to Turtles. Mit seinem nun angeeigneten Künstlernamen entscheidet er sich auch für die deutsche Sprache.

Wie hoch kann man eigentlich die Erwartungen allein schon mit der Benennung des Albums mit „Goldene Zukunft“ und die Entscheidung für den Künstlernamen „Das Paradies“ stecken? Es ist ein großes Versprechen, das am Ende wohl mehr als eingelöst wird. Wer Sievers Stimme durch Talking to Turtles, seiner Band gemeinsam mit Claudia Göhler, kennt, weiß vom träumerisch-vertrauten Charakter der Musik des Künstlers. In deutscher Sprache gelingt es dem Leipziger, dieses Gefühl ebenfalls auszulösen.

„Das große Versprechen“ lautet auch der Name des ersten Songs. Er ist einer der Stücke, die weder als Single noch auf der EP im Voraus der Veröffentlichung erschienen. Anders als ein erwartbar positiver Track, werden beide Seiten eines Versprechens deutlich: Denn darin steckt keine Garantie für die Einhaltung, Versprechen kann man einlösen oder eben auch brechen. Der Namensgeber für das Album folgt auf der zweiten Position. „Goldene Zukunft“ begibt sich, wie fast alle Songs, sehr leichtfüßig durch das Register des eingängigen Pops, ohne schnell langweilig zu werden. Musikalisch kann das Paradies auf den Zug von Bands wie die Höchste Eisenbahn definitiv mit aufspringen. Dieser Eindruck bewahrheitet sich auch, wenn man bei den Tourdaten entdeckt, dass Sievers die alten Hasen der Band Element of Crime supporten darf. Bands, die ihre Songs mit klugen Zeilen würzen. Leichtfüßiger Pop definitiv, aber einer, der von eventuellen Scherben weiß und die nötige Vorsicht mitbringt und trotz definitiv vorhandener Verletzlichkeit nicht verletzbar ist.

Kritik am Pop ist auch aus „Es gab so viel, was zu tun war“ herauszuhören. Hier heißt es nach einer fast absurd hohen Aufzählung von Personen-Namen: „… dass die Welt nicht noch mehr Lieder mit zwanzig Namen braucht.“ Die bereits erwähnte EP „Die Giraffe streckt sich“ beinhaltete nicht nur den titelgebenden Song, sondern auch diese Tracks: „Discoscooter“, „Hier bist du sicher“ und „Wann strahlst du?“. „Goldene Zukunft“ und „Du, die anderen und ich“ wurden als erste Töne des Soloprojekts bereits 2017 veröffentlicht. Die dazugehörigen Videos spielen im gleichen Setting und zeigen den Künstler in einem Blumenhaus, ausgestattet mit Gitarre in einer Live-Session. Darauf kann man sich definitiv auch freuen.

Es sind die bildkräftigen Zeilen, in denen Sievers die schönsten Metaphern kreiert, denen man auf dieser Platte so gerne zuhört. So heißt es beispielsweise bei „Ein schönes Unentschieden“: „Eine weiche Stelle zwischen Licht und Schatten, ein schöner Ton schwingt sich zwischen den Zeilen auf, du füllst dein Nicken in Flaschen auf und schüttelst.“ Aber auch für soetwas wie große Zweifel findet er in „Dürfen die das“ ehrliche Worte: „Wenn wir wollen, trauen wir dem Dürfen nicht. […] und wenn wir uns trauen, trauen wir dem Wollen nicht“.

Die Platte endet mit dem Song „Das Universum weiß es auch nicht“ und bringt ebenfalls die in anderen Tracks thematisierte Unsicherheit auf oder zumindest die Legitimation, dass man sich nicht immer entscheiden muss. Denn auf der ganzen Platte findet sich eine Leichtigkeit, ohne zu ignorieren, dass manche Zeiten trotzdem nicht einfach sind. Fast schon tröstlich kommt dann dieses Album daher, das durchaus schön ist und es daher auch okay ist, gleich zwei Songs mit diesem Attribut zu betiteln.

In das Debüt „Goldene Zukunft“ und sein Soloprojekt steckte Sievers ganz viel DIY-Herzblut. Sogar am Produzieren und Mischen probierte er sich: Am Ende bekam er jedoch Hilfe von Simon Frontzek, der final an diesen Arbeiten beteiligt war. Eine musikalische Teststrecke des Künstlers, die stets an Professionalität zunahm. Aus anfänglichen Versuchen und Herantasten an die deutsche Sprache, entstand die EP „Die Giraffe streckt sich“ und nun das Ergebnis von 11 Songs in Form der Platte „Goldene Zukunft“.  „Ich bin das Schlimmste, was euch passieren kann.“, lautet die erste Zeile der Veröffentlichung und während der Löwenanteil der Songs zwischen zwei oder mehreren Optionen oszillieren, kann diese Aussage definitiv negiert werden:

Mit dem Debüt schenkt uns Sievers einige schöne Stückchen Deutsch-Pop, die so ehrlich sind, wie die Worte der besten Freundin oder des besten Freundes nur sein können. Das kann manchmal wehtun, doch klaren Worten folgt bestenfalls ein genauso klarer Blick. Dieser lässt einen dann auch erkennen, ob alles gold ist, was glänzt. Wenn ja, ist es schön und wenn nicht hat man den perfekten Soundtrack für den kommenden Herbst und da sind wenigstens die bald fallenden Blätter golden.

 

Beste Songs: Wann strahlst du?, Du, die anderen und ich, Dürfen die das

VÖ: 24.08.2018 // Grönland / Rough Trade

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