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Warum die besten Indie Platten dieses Jahr aus Deutschland kommen

Ein komplettes Genre bricht in Deutschland mit den vorgegebenen Normen.

Indie ist UK. Diese Faustformel schien jedenfalls Jahrzehnte lang bei Experten und Liebhabern des Genres zu gelten. So gilt Morrissey mit The Smiths beispielsweise als Godfather eben dieses Genres, das seine Klimax Mitte der 00er Jahre hatte. Arctic Monkeys, Kaiser Chiefs, Bloc Party, die Liste ist schier ewig lang und dabei stößt man immer wieder mal auf Trittbrettfahrer. Hierin besteht dann auch gleich der erste Makel des ach so großen Auftritts der britischen Bands. Bereits zu Zeiten des großen Hypes gab es etliche Bands, die schnell produzierte Alben auf den Markt geschleudert haben, um ein möglichst großes Stück vom saftigen Indie-Kuchen abzubekommen. Ein Beispiel hierfür sind The Paddingtons, eine Band, die eigentlich nur wegen eines gewissen Pete Doherty überhaupt in den Fokus der Musikzeitschriften gelangte. Mit ihrem Junkie-Look ahmten sie deutlich ihre großen Vorbilder von The Libertines nach. Mit diesem Konzept gingen ihnen überraschenderweise bereits beim zweiten Album namens No Mundane Options, das 2008 erschien, die Ideen aus. Nur Skinny Jeans und Gitarrenriffs reichen auf Dauer eben doch nicht.

Es ist die oft angesprochene Starrheit, die den Briten langsam aber sicher zum Verhängnis wurde. Lange wurden Bands wie Bloc Party oder The Rakes von den großen Musikzeitschriften NME oder dem Q Magazine durchgeboxt. Im letzten Jahr stellte der kaiserliche Daumen namens New Musical Express dann jedoch den Verkauf ein und beschloss, die Zeitschriften stattdessen an Tube Stations in Großbritannien zu verschenken, um so wieder eine größere Masse zu erreichen. Dieser Plan geht momentan aber nur durch Mainstream-Themen auf und so bleibt natürlich weniger Platz für das Pushen von neuen typisch britischen Acts. Eine reines Indie-Magazin ist der NME also schon lange nicht mehr. Ein anderer Punkt ist, dass viele ehemalige Helden der Szene auch schlichtweg zu einer Blaupause von sich selbst geworden sind. Bestes Beispiel hierfür sind The Strokes, die eigentlich seit Jahren keinen nennenswerten Song mehr aufgenommen haben und doch noch immer vom Schall und Rauch vergangener Tage vor sich hin vegetieren. Die ganzen Reunions der Big Names vergangener Tage wollen wir in dem Zusammengang gar nicht erst thematisieren. Die Gigs sprechen oft schon für sich. Die Wahrscheinlichkeit, dass The Stone Roses den Text hier lesen werden, ist leider sehr gering.

Deutsche Bands haben in der Hinsicht eine völlig andere Ausgangslage als ihre britischen Artgenossen. Der Druck, „The Next Arctic Monkeys“ oder die nächsten großkotzigen Gallagher-Brüder zu sein, ist schlichtweg nicht vorhanden und so wird das kreative Sichtfeld nicht von vornherein bewusst oder unbewusst von den Medien gesteuert. Indie hatte in Deutschland nie den Stellenwert wie in den UK. Man musste als Band nicht unbedingt eine Top 5 Platzierung mit dem nächsten Album erreichen. Es wird der Eindruck geweckt, dass Indie in Deutschland nicht forciert Teil des Mainstreams sein musste.

Außerdem grenzen sich deutsche Bands durch den immer häufigeren Gebrauch der deutschen Sprache immer mehr vom einstigen britischen Vorbild ab und schaffen dadurch ihren eigenen Mikrokosmos. Es ist dieser Mut, nicht irgendeiner Szene zugehörig sein zu müssen, der deutsche Bands momentan so stärkt. Zwar spielt sich musikalisch viel in Berlin ab, doch geschieht der Durchbruch vieler Indie-Bands nicht, weil sie aus Berlin sind oder wie Berlin klingen. Der geographische Bezug existiert, wenn überhaupt, eher auf persönlicher Ebene.

Diese Dezentralisierung der gesamten Szene spielt dem kompletten Genre sehr in die Karten. Es ist halt wie damals in der Schule: War man mit den coolen Kids in einer Klasse, wollte man doch irgendwie dazugehören und eignete sich meist ungewollt Ähnlichkeiten an. Ein solches Phänomen ist selbst heute in Großbritannien noch sehr stark ausgeprägt, findet sich aber in dem Ausmaß in Deutschland kaum bis gar nicht wieder. Die Acts kommen aus Landau, Köln, Hamburg, Düsseldorf und so weiter. Man kennt sich zwar, respektiert sich, gerät aber eben nicht so schnell in Versuchung, bei den anderen Bands abzukupfern.

Zu verdanken haben wir dieses tolle Indie-Jahr aber nicht nur neuen, frischen Bands, sondern auch Bands, die schon länger im Geschäft sind, es aber immer wieder schaffen sich neu zu erfinden oder wenigstens nicht auf der Stelle zu treten. Get Well Soon haben dieses Jahr bewiesen, dass Konstantin Gropper einfach nicht in der Lage ist, eine beschissene Platte aufzunehmen. Die Jungs von Stabil Elite haben gezeigt, dass sich die vierjährige Wartezeit auf Spumante gelohnt hat. Was Wanda, Bilderbuch und Die Nerven im letzten Jahr bereits angedeutet haben, wurde 2016 durch eine Vielzahl an neuen Bands bestätigt. Mit Woman und Sea Moya stehen dazu noch weitere hoffnungsvolle Bands in den Startlöchern. Deutscher Indie lebt!


Auf der folgenden Seite stellen wir euch die besten deutschen Indie-Platten des Jahres vor.


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