Sam Vance-Law – Homotopia

Sam Vance-Law gehört zu den Künstlern, die bereits vor ihrem ersten Album auf dem Radar vieler aufmerksamer Musikliebhaber auftauchten. Nun ist die Wartezeit vorüber und sein Debüt „Homotopia“ ist im Musikregal und bei diversen Streamingdiensten zu finden.

Wenn nicht mit offenem Munde vor Bewunderung gegenüber des jungen Kanadiers, dann wenigstens mit offenen Ohren – so sollte man Sam Vance-Law begegnen. Musikalisch betrachtet, entspricht er einem Benjamin Button. Denn wo andere sich in jungen Jahren dem Pop verschreiben und erst im fortgeschrittenen Alter zur Klassik finden, sah es bei ihm umgekehrt aus. Noch mit 16 Jahren galt sein Interesse der klassischen Musik, was sich erst beim Umzug von England zurück nach Kanada änderte. In Edmonton hatten seine neuen Freunde fast nichts mit klassischer Musik zu tun und spielten in Rock-, Pop-, Punk- und Noise-Bands, erzählte uns Sam Vance-Law kürzlich im Interview. Da habe er sich direkt in die Stimmung und die Lieder verliebt. Mit dem ersten Album „Homotopia“ stellt er den Versuch an, auf seine Art und Weise diese zwei musikalischen Welten zusammenzubringen.

Kammermusikalischer Pop mit Ohrwurmfaktor

Der Opener „Wanted To“ der Platte macht direkt deutlich, dass ihm das Zusammenbringen der musikalischen Welten gelingt. Der Song beginnt mit Streichern, harmoniert mit einem Klavier und Sam Vance-Laws sanfter Bariton-Stimme. Mit dem Titel „Homotopia“ gibt er den insgesamt 10 Songs eine Überschrift, die thematisch alle Songs durchziehen wird. So handelt der erste Song davon, mit einem Jungen tanzen zu wollen. Der zweite Song „Let’s Get Married“ beweist zum einen, wieso Vance-Laws Musik gerne als „kammermusikalischer Pop“ beschrieben wird und zum anderen unterstreicht er hier seine eigenen Wurzeln. In England war er nämlich Teil des Choir of New College Oxford und chorische Elemente lassen sich auch in diesem Track finden.

„Prettyboy“ kündigte „Homotopia“ als erste Singleauskopplung an: ein kräftiger Song mit hohem Ohrwurmfaktor aber dennoch mit einem ernsten Unterton. Zunächst heißt es: „All the straight boys want him/And all the pretty girls wanna look just like him/’Cause he’s fine“. Dann aber: „But all the straight boys hunt me / And no the pretty girls don’t mean a thing to me / I’m not fine, not fine.“

 

Yes, I would sleep with myself

Bei „Narcissus 2.0“ wird eine weitere Fassette des Musikers deutlich: Humor. Denn hier modernisiert er die Geschichte aus der griechischen Mythologie des Narziss, der niemand anderen liebte als sich selbst. Schließlich verliebte sich dieser in sein eigenes Spiegelbild. In Vance-Laws Worten heißt dies in der Version 2.0: „Yes, I would sleep with myself, if I were just a bit younger“. „Stat. Rap“ und „Isle Of Man“ machen beide die orchestralen Momente des Albums stark. Mit „Gayby“ folgt die aktuellste Singleauskopplung. Auch hier wieder ein feiner, aber tiefer Song. Im Video dazu spielende Kinder, bunte Hintergründe, Shirts und viele Süßigkeiten von Muffins über Torte und Donuts.

Konstantin Gropper als Mitproduzent

Darauf folgt „Faggot“, dieser Song ist wohl der rockigste und auch wütendste Track auf „Homotopia“. „I Think We Should Take It Fast“ ist ebenfalls einer der drei bereits vor dem Album erschienenen Songs. Interessant ist, dass Sam Vance-Law alles andere als schnell ist, sondern betrunken im Video vielmehr umher torkelt. In der Wahlheimat Berlin scheint er neue Freundschaften geknüpft zu haben, die sich auch im Video nachverfolgen lassen. Denn dort erkennt man Drangsal, der schon im Clip zu „Prettyboy“ dabei war. Außerdem sind unter anderem noch Search Yiu und Wallis Bird als Teile des Casts zu entdecken. Gut vernetzt ist er also, der gebürtige Kanadier.

„Bye Bye Baby“ ist weniger ein Abschied, sondern vermittelt vielmehr ein positives Gefühl, alle Songs direkt noch einmal anhören zu wollen. Hier beweist der Künstler aufs Neue, dass ihm die Vereinbarkeit von klassisch-orchestraler Musik mit Pop gelingt.
Sam Vance-Law definiert sich durch das Inspirieren und Inspiriertwerden und daraus entstehende Zusammenarbeit und Freundschaft. Wo ihn die Freunde in Edmonton zu anderen Genres führten, so geschah es auch in Berlin. Dort lernte er beispielsweise Konstantin Gropper kennen und spielte zunächst Violine bei dessen Band Get Well Soon. Die Begeisterung des musikalischen Schaffens beruhte auf Gegenseitigkeit und verwunderlich ist daher nicht, dass Konstantin Gropper bei „Homotopia“ mitproduzierte.

Im bereits erwähnten Interview mit uns antwortete er auf die Frage, was er den Hörern bezüglich des Titels „Homotopia“ und der Thematik der Homosexualität sagen wolle: „Die Lieder sind Geschichten über die Liebe und Hass und Sex und Familie und Ehe und Fantasien und Hamburgeressen und Tanzengehen und alles, was alle Menschen machen. Natürlich sind es auch Geschichten, die aus einer Perspektive kommen, die ein bisschen anders ist, als in den meisten Popsongs. Aber, egal was ich sage, es gibt nichts Besseres, als einfach reinzuhören.“ Somit sei Sam Vance-Law an dieser Stelle auch hier das letzte Wort gelassen und die Empfehlung gegeben, das Album selbst anzuhören. „Homotopia“ ist nämlich nicht eine Dystopie oder Utopie der erlebten Welt eines homosexuellen Mannes, sondern das Geschichtenerzählen eines Menschen über eine Welt, die jeder kennt und die sich nicht in Schubladen stecken lässt. Schon gar nicht in einen Dualismus, der sich ausschließlich durch die sexuelle Orientierung eines Menschen definiert.

 

Beste Songs: Prettyboy, Gayby
VÖ: 02.03.2018 // Caroline International // Universal Music

Foto: J. Konrad Schmidt

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