Kate Tempest – The Book Of Traps And Lessons

Niemand verbindet so eindrucksvoll Lyrik und Spoken Word mit kontemporärer Musik. Kate Tempest ist eine der spannendsten, wenn nicht sogar die spannendste Wortkünstlerin unserer Zeit. Mit „The Book Of Traps And Lessons“ erscheint jetzt ihr drittes Studioalbum.

Kate Tempest ist Rapperin, Spoken Word-Künstlerin, Romanautorin und hat schon mehrere Gedichtsammlungen veröffentlicht sowie drei Theaterstücke geschrieben. Die Süd-Londonerin scheint einfach alles, was mit Worten zu tun hat, perfekt zu beherrschen. Und genau die rückt sie auf ihrer neuen Platte noch weiter in den Fokus. Drei Jahre sind mittlerweile vergangen seit Kate Tempest letztem Album. Für „The Book of Traps And Lessons“ hat sie sich mit dem US-amerikanischen Star-Produzenten Rick Rubin ins Studio begeben. Dieser hat unter anderem schon Alben für Größen wie Jay-Z, die Beastie Boys, Kanye West und Lady Gaga produziert.

Umso mehr fällt es in dem Zusammenhang auf, dass Kate Tempests dritter Langspieler einen musikalisch deutlich minimalistischeren Ansatz zeigt als seine Vorgänger. Während sie die Verse vorher meist in einem klar erkennbaren Flow rappte, klingen ihre Stücke diesmal viel konsequenter nach Spoken Word statt nach Rap. Musikalisch getragen werden die Tracks des Albums mal von reduzierten HipHop-Beats, mal von klassisch anmutenden Piano und Streichern, die sich allerdings immer dezent im Hintergrund halten. Es geht diesmal ganz klar um die Texte.

Schon auf den beiden vorab veröffentlichten Singles wird das Cover des Albums publik – Ein altertümliches Buch, golden imprägniert sind der Umriss Großbritanniens und der Titel. Es wirft die Frage auf, wird Kate Tempest den allgegenwärtigen Brexit in den Fokus rücken? Zum Erscheinungszeitpunkt wird Theresa May schon zurückgetreten sein. An ihrer Stelle wird dafür mit Boris Johnson ein populistischer Vertreter des EU-Ausstiegs auf den Brexit-Vollzug pochen. Wenn es auf „The Book of Traps And Lessons“ allerdings um den Brexit geht, dann zwischen den Zeilen. Auf 11 Tracks und 45 Minuten seziert Kate Tempest ihre Gegenwart. Sie schneidet kritisch Großbritanniens Vergangenheit an und setzt sich vor allem mit einem Sammelsurium an Erkenntnissen zu ihrer eigenen Liebesbeziehung und der Verlorenheit auf der Insel auseinander.

Zusammen Allein

Nicht nur narrativ sind die Songs dieses Mal durch einen roten Faden auf dem Album verbunden. Auch musikalisch gehen mehrere Tracks nahtlos ineinander über. So leiten beispielsweise ruhige Pianoklänge den Opener ‚Thirsty‘ ein. Elektronische Synthies und Streicher erschaffen eine verträumt, aber doch beunruhigende Soundlandschaft im Hintergrund.

Düster beschreibt Tempest das nächtliche Umherwandern in den Straßen und zwischen den Bars. Ganz unvermittelt trifft sie die eine Person, zu der sie sich unter den dämmrigen Pub-Lichtern hingezogen fühlt. Doch gleichzeitig fühlt sich sich nicht bereit für eine Bindung: „She touched me on my shoulder and I started / To live. But I wasn’t ready yet. I wanted suckerpunch and numbness / The chase and the conquest of dating by numbers / The safety of keeping my distance and / Feeding my hungers“. Kate Tempest verdeutlicht in ihrem Opener, dass wir uns eigentlich nach Bindungen sehnen, um Leere zu füllen. Auf der anderen Seite uns aber gleichzeitig davor fürchten.

Fließend geht der Song über in „Keep On Moving“, in dem Kate Tempest beunruhigend die alles verzehrende Einsamkeit in der Stadt beschreibt „And push two lonelinesses together and create / More / Loneliness“. Instrumentierungen, die an traditionell nordafrikanische Musik erinnern, treiben den Song voran, bis mit einem Beat, der an einen Knall erinnert, der nächste Song „Brown Eyed Man“ beginnt. In dem klagt Kate Tempest vor allem Rassismus und Polizeigewalt gegen Geflüchtete und People of Colour an. Eine Brücke wird direkt geschlagen in „Three Sided Coin“, in dem sie hinterfragt, warum  Großbritannien seine Kolonialgeschichte immer noch nicht aufgearbeitet hat. „We set from this place / For murder and murder /And then we squared it away like it did not occur“. Währenddessen schafft ein TripHop-Beat eine düstere Untermalung.

In einer Falle?

Neben gesellschaftskritischen Tracks setzt sich Kate Tempest auf dem Album vor allem mit der Liebe zu ihrer Partnerin auseinander. Nicht auf eine rosarot verherrlichende Art wie man es von so vielen Texten der Popmusik gewöhnt ist. Sondern mit all ihren Zweifeln und persönlichen Blockaden, die man erstmal meistern muss. In „I Trap You“ wird die Frage aufgeworfen, ob man statt „I Love You“ nicht eher „I Trap You“ sagen sollte. Denn so schön wie eine anhaltende Liebe auch sein kann, ist sie nicht immer auch eine Einschränkung? Trotzdem hat Kate Tempest mit „Firesmoke“ auf dem Album auch eine Liebeshymne an ihre Partnerin, begleitet von einem minimalistischen HipHop-Beat, geschaffen.

Happiness™

Doch nicht nur in Beziehungen geht es Kate Tempest darum sich darauf rückzubesinnen, was man eigentlich will und braucht. In „Hold Your Own“ stellt sie klar, dass Konsum nicht als Ersatz für Zufriedenheit oder Ausgeglichenheit herhalten kann. Warum immer neue Menschen mit immer neuen Dingen beeindrucken, wenn einen die Schwermut am Ende sowieso immer wieder einholt? „Happiness™ the brand is not happiness“ stellt Tempest klar und ruft uns auf die inneren Dämon nicht mit Konsum zu übermalen, sondern zu lernen mit ihnen zusammenzuleben.

„All this stuff / Is blocking us“ stellt Tempest im letzten Track „Peoples Faces“ klar. Und schafft es am Ende trotz dem düsteren Bild, das sie auf der Platte über das Leben im Jahr 2019 mit Rassismus, Materialismus, Bindungsängsten und sich stetig ändernden Städten schafft, positiv abzuschließen. „I love people’s faces“ ist der letzte Vers auf der Platte und zeigt, dass Tempest trotz allem Verdruss positiv geblieben ist.

Kate Tempests Worte ziehen einen in einen Bann und sind derart ehrlich gewählt, dass man es selbst so von ihr nicht erwartet hätte. Überraschend ist, dass sich die Platte dieses Mal musikalisch so sehr zurückhält. Gerade, wenn man bedenkt, dass Produzent Rick Rubin sich soundtechnisch auf seinen vorherig produzierten Werken nicht in Zurückhaltung geübt hat (unter anderem „Artpop“ von Lady Gaga oder „Yeezus“ von Kanye West). Aber genau darum geht es auf Kate Tempests dritten Album. Sie hat eine Menge zu sagen und dafür will sie die volle Aufmerksamkeit.

Beste Songs: Firesmoke, Holy Elixier
VÖ: 14.06.2019 // American Records / Republic Records

Das Lyric Video zu „Firesmoke“ seht ihr hier:

Alle Fotos: Julian Broad

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