Miss Kenichi – The Trail

The Trail beginnt, wie man sich ein stereotypes Indie Folk Album einer weiblichen Solokünstlerin heutzutage vorstellt: mit einem Akkordeon, das klingt, als verlasse man die heimische Farm für immer. „Tale of Two Rivers“ bleibt über seine drei Minuten formlos, bis kurz vor Schluss noch eine Snare-Drum ohne Bezug zum Tempo des Songs vorbei schleicht, als liefe zwei Blocks weiter eine Marschkapelle vorbei. Die Snare könnte jetzt wirkungsvoll das Gänsehaut-Outro auslösen, oder als Übergang zum nächsten Lied dienen – aber es bleibt bei dieser kleinen Andeutung.

Solche Haken finden sich ein paar Mal auf The Trail, dem dritten Album von Katrin Hahner aka Miss Kenichi. „Whatever“ ist nur wenig länger als 100 Sekunden, die Drohung „tomorrow disaster will come“ wird musikalisch nicht wahr gemacht. The Ghost“ enthält ein in seiner Freiheit dem Opener ähnliches Interlude, gefolgt von einem Song namens „Interlude“; während jenes Mittelteils taucht urplötzlich und nur für einen Augenblick diese gedämpfte Gitarre auf, die man eigentlich von organischem oder live gespieltem Electro kennt. Auch auf „Broken Bell“, das über seine vier Minuten ansonsten etwas langatmig daherdümpelt, deutet eine Gitarre Unheil an und verschwindet dann nichtssagend, einer vereinzelten dunklen Wolke nicht unähnlich. Hahner wehrt sich dagegen, ihren Hörern nach dem Mund zu spielen, indem sie ihre ansonsten sehr klassischen Songs mit Überraschungen spickt. Dieses Spiel mit den Erwartungen ist der beste Aspekt an The Trail.

Was die Musik angeht, könnte es ruhig etwas öfter gespielt werden. Die Hälfte der Songs, etwa Bobby Bacala“ oder der Titeltrack, ist für die Länge zu eintönig. Manchmal muss man sich an den kleinen Höhepunkten erfreuen: „The Night“ wird durch Holzbläser aufgelockert und auf „Who Are You“ retten Cameos von Synthesizer und klirrendem Klavier sowie eine effiziente Fermate das Lied. Bis auf bei „Who Are You“ und „The Ghost“ sind diese Elemente allerdings zu subtil, dass man nicht bisweilen die Lust daran verliert.

An anderen Stellen hängt es vom Gesang ab, ob man sich ein Lied anhört oder überspringt. Auch daran muss Miss Kenichi noch ein bisschen arbeiten, wie „Dream“ zeigt. „There’s dust in your cup / ‚cause the well has been dry since / the ground closed its chest / holding it inside.“ Es sind oft vor allem die Lyrics, die angestaubt wirken. Der Stil ist nett, doch die Bildsprache sehr altmodisch und das wird auf „Dream“ auch durch den Gesang nicht wirklich besser. Das Outro „Big Log“ schlägt in eine ähnlich folk-typische Kerbe, doch da stimmen sowohl die Vocals als auch die Musik. Ihre besten Momente („Whatever“, „Who Are You“) hat Hahner, wenn sie die Freiheit nutzt, die die Stimme als Instrument bietet. Solche Momente, wie auch die musikalischen Überraschungen, sind zwar hier und da vorhanden, doch sind sie leider zu selten, um The Trail alleine zu tragen.

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Beste Tracks: The Ghost, Tale of Two Rivers, Whatever

VÖ: 14.11. // Sinnbus Records

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Schaut euch hier das Video zu „The Ghost“ an:


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Fichon

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