Prêt à écouter 8: Ariel Pink

I fink u freeky and I like you a lot

Das Schicksal von Steve Moore ist ein Paradebeispiel für die Art, in der das Internet und seine Memes Einfluss auf die reale Welt nehmen. Der Schlagzeuger, der durch ein Youtube-Video als Mad Drummer oder „drummer at the wrong gig“ bekannt wurde, hat durch seine 15 Minuten Webfame weltweit Anerkennung von Schlagzeugmagazinen und Drummern bekommen und trat auf einem Drum Festival sogar als Headliner mit Mike Portnoy auf. Grund dafür, dass das Video vor fünf Jahren viral ging, war sein akrobatisches Gehabe, das im Kontext des eher unspektakulären Classic Rock Songs von ZZ Top lächerlich exzessiv wirkte. Gleichzeitig war es irgendwie bewundernswert, mit welcher Energie Moore als Drummer einer Coverband volksfesttaugliche Pop/Rock Hits in „over the top performances“ verwandelte.

Einen ähnlichen Effekt hat ein Konzert von Ariel Pink. Zwar war der Drummer am vergangenen Freitag nicht unnötig virtuos – im Gegenteil, er wirkte stellenweise wie ein Aushilfsdrummer, der zwar die komplizierten Rhythmen der Songs kennt, aber die einfachen Übergänge schludrig dahinspielt. In seiner Gesamtheit war der Auftritt der siebenköpfigen Band aber so übertrieben, dass man als Zuschauer erst kopfschüttelnd gelacht hat und dann doch ziemlich begeistert war. Ariel Rosenberg (so Pinks bürgerlicher Name) hat nämlich im Laufe des Abends mehr als einmal die Grenze zwischen Kitsch und Kunst übertreten.

Im Nachhinein ist der Kontrast zur Vorband dadurch umso stärker. Jack Name treten als zwei Musiknerds auf, die ihre eigenwilligen Songs ohne Atempausen herunterspielen. Einer sitzend, einer stehend, geht zwar der Showgehalt gegen Null. Musikalisch ist das dafür geradezu hypnotisierend, zwischen Shoegaze, weirdem Electropop und extrem verzerrten Gitarrensoli. Auf ihre eigene Art sind Jack Name auch ein bisschen over the top, aber deutlich ernster als der Hauptact.

Pink in Siegerpose // © Philipp Fischer.
Pink in Siegerpose // © Philipp Fischer.

Ariel Pink startet hingegen ohne Umschweife mit den Hits: Mit „White Freckles“, „Four Shadows“ und „Lipstick“ reproduzieren er und seine Band den energetischen Anfang von pom pom, Pinks letztem Album, auf der Bühne. Zwischen Haunted Graffiti Songs und dem Cover von „Baby“, das seit ein paar Jahren zu Pinks Repertoire gehört, spielen sie im Laufe des Konzerts die restlichen Ohrwürmer der unglaublichen starken ersten Hälfte von pom pom, die alle mit viel Theatralik und trotzdem oder gerade deshalb sehr ansteckend dem Publikum dargeboten werden.

Gerade live merkt man, dass jenes Album trotz der fast schon irrwitzigen Eklektizität sein eingängigstes ist. Einer der Höhepunkte ist „Dinosaur Carebears“, das mit der Aneinanderreihung von Orientalischem, Post-Punk, Zirkusmelodie und entspanntem Dub musikalische Schizophrenie live zum berauschenden Mindfuck macht. Wenn er stattdessen bei Songs wie „West Coast Calamities“ wie eine unzufriedene Kreuzung zwischen Freddy Mercury und Ian Curtis ins Mikro jammert, funktioniert das weniger gut. Von den Hautend Graffiti Songs kann einzig das minimalistische, aber gesanglich umso beeindruckendere „Nostradamus & Me“ überzeugen.

Nach „Netherlands“ ruft das Publikum zehn Minuten lang nach einer Zugabe, doch die bleibt ihm verwehrt. Der nur in Bikini, Gürtel und Cowboyhut gekleidete Drummer erhält beim Abgang von der Bühne nochmal einen fast so großen Applaus wie Pink selbst, der mit seiner exzentrischen Art das Gegenteil von Deerhunter Bradford Cox ist. Den Spitznamen, den das Internet ihm gegeben hat, ist nicht etwa Mad Singer, sondern sogar King of the Freaks. Gleichzeitig wird er für seine kontroversen Meinungen der Frauenfeindlichkeit bezichtigt. Das Konzert im Karlstorbahnhof zeigt mal wieder, dass man Kunst und Künstler trennen muss. Ariel Pink mag ein provokanter Freak sein, als Songwriter und Entertainer sorgt er jedoch vor allem für eine Sache: gute Laune.

Setlist:

White Freckles
Four Shadows
Lipstick
Gettin‘ High in the Morning
Nostradamus & Me
Dinosaur Carebears
Bright Lit Blue Skies
Only in My Dreams
Put Your Number in My Phone
West Coast Calamities
One on One
One Summer Night
Baby
Menopause Man
Not Enough Violence
Netherlands


 

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