Interview mit Klaus Johann Grobe

„Früher war alles besser“ gibt es bei mir definitiv nicht.

Vor Interviews fragt man sich immer: „Wie sind die so drauf?“ Haben die Musiker schon Starallüren oder sind sie locker geblieben? Sevi und Dani von Klaus Johann Grobe sind so locker, wie sie als Musiknerds nur sein können. Die beiden Schweizer – live unterstützt vom Bassisten Stephan, der auch bei diesem Interview dabei ist – sind am Ende ihrer Tour zum Debütalbum Im Sinne der Zeit und haben sich vor ihrem Konzert am Samstagabend die Zeit genommen, mit mir über Texte, the Grateful Dead und die Metaebene zu reden.


Hallo ihr beiden und danke, dass ihr euch die Zeit genommen habt, mir ein paar Fragen zu beantworten. Könntet ihr euch unseren Lesern kurz vorstellen?

Sevi Landolt: Ich bin Sevi, ich spiele Orgel und Synthesizer und singe. Quasi 50 Prozent vom Hauptteil der Band.

Daniel Bachmann: Ich bin Dani und spiele Schlagzeug und singe. Also die anderen 50 Prozent.

Stephan Brunner: Ich bin Stephan, der Bassist, und normalerweise gar nicht bei Interviews dabei.

„Klaus Johann Grobe“ – gibt es den Herrn wirklich, oder wolltet ihr einfach nur einen Bandnamen, der besonders nach deutscher Siebziger Musik klingt?

Sevi: Den gibt es nicht, das ist schon ein Fantasiename. Wir wollten nicht bewusst nach dieser deutschen Siebziger Jahre-Protestmusik klingen. Wir hatten uns schon für den Namen entschieden und da passte dann so vieles, dieser Gedanke neben vielen.

Wie kam der Name zustande?

Sevi: Das war Herumspinnen, Namen jonglieren. Dann kam plötzlich die Idee, man könnte ja eigentlich irgendeinen Namen nehmen. Wir wussten aber damals nicht mal, dass es Grobe als Nachnamen tatsächlich gibt.

Dani: Theoretisch könnte es den Klaus Johann Grobe geben.

Sevi: Wir warten immer noch auf die Facebook-Anfrage.

Ihr werdet oft als Krautrock Band bezeichnet, dabei habt ihr in Interviews gesagt, dass ihr gar nicht so sehr auf Krautrock steht, wie es euch immer angedichtet wird. Wie steht ihr zu dem Begriff?

Dani: Wir passen da im Moment gerade rein, weil Krautrock in aller Munde ist und es kommt wahrscheinlich nicht von ungefähr, dass man uns damit in Verbindung bringt. Aber wir haben auch ganz viele Sachen, die wir machen, die überhaupt gar nichts mit Krautrock zu tun haben. Wir finden es nicht doof, wenn jemand auf Krautrock kommt, aber wir würden uns auch nicht auf die Stirn schreiben „Wir machen Krautrock.“

Sevi: Viele Leute haben das Gefühl, wir wären direkt inspiriert davon. Es ist aber ehrlich gesagt einfach ein sehr kleiner Teil in einer Riesenschlange von Inspirationen. Wir hören schon beide auch Krautrock, aber unterm Strich sind wir gleichzeitig mehr und viel weniger als Krautrock. Das ist ein Schnipsel, den man so nennen kann und darf, aber ich denke, wenn jetzt Leute ans Konzert kommen und da Krautrock erwarten, dass sie dann wahrscheinlich ein bisschen enttäuscht wieder gehen würden. Oder ihren Horizont erweitern.

Was würdet ihr als eure wichtigsten Einflüsse bezeichnen?

Sevi: Wir sind ja schon ein bisschen Musiknerds. Es gibt eigentlich keine Tabus in keinem Genre. Wirkliche Inspiration – finde ich schwierig zu sagen. Wir mögen Musik von früher, auch soundästhetisch. Das hört man ja auch. Es ist ein bisschen Siebziger, Achtziger, diese Zeitperiode, mit Popgefühl und auch einem Hang zu Komischem. Humor und musikalisch lustige Sachen, das finden wir super. Das ist eigentlich mehr die Inspiration als Bands oder Genres.

Dani: Wir sind letztens in England gewesen und waren dort Platten kaufen. Im Plattenladen hat der Besitzer dann ein Stück von the Grateful Dead laufen gelassen. Das war bei uns eigentlich immer ein weißer Fleck. Das eine Stück, da haben wir uns gleich angeschaut und waren beide kopfnickend da und haben irgendwie gelacht. Seitdem ist jedes zweite Stück, das wir im Bus hören, dieses eine Lied von the Grateful Dead.

Sevi: Das da heißt „Eyes of the World“, falls das jemand nachhören will.

Einflüsse und Hörgewohnheiten sind nicht immer das gleiche: Was hört ihr zur Zeit am liebsten?

Sevi: Ich find das schwierig auseinanderzuhalten. Wir schreiben die Songs getrennt, treffen uns dann und machen sie zusammen fertig. Ich kann das nur von mir sagen, aber ich glaube, das ist bei dir ähnlich: Wir mögen gewisse Standards. Ich finde das extrem lustig, diese Musikstandards, die man einfach so macht. „Da gehört jetzt ’ne Bridge rein“ oder im Refrain geht man rauf auf was immer für ein Akkordwechsel das dann ist. Und so gibt es schon vielleicht Musik, die man sehr gerne hört, die aber nicht direkt einfließt. Dann fließt eher das Trashige, vielleicht Direkte ein. Ein komischer Drumbreak oder ein kitschiger Akkord, den man bewusst schon vorher gehört hat.

Es wird, wenn es um Musik geht, ja immer über Revivals, musikalisches Recycling und wiederkehrende Genres geredet. Gibt es eurer Meinung nach noch neue Musik?

Dani: Wir machen ja neue Musik.

Stephan: Neue Musik wird es immer geben. Ich kenne die Frage und finde es immer seltsam, das zu fragen.

Sevi: Aber ich finde, momentan ist schon der Hang zu dieser Retro-Schiene da. Gerade bei nicht ganz so bekannten Bands, da orientiert es sich schon extremst zurück. Was ich insofern schade finde, als ich das Gefühl habe, dass diese Leute oft den Humor ein bisschen vermissen lassen. Weil sie sich dann zu fest an etwas orientieren, das es schon gab, anstatt zu sagen: „Gut, dann nehmen wir jetzt halt dieses seltsame Instrument und spielen diesen Part damit.“ Das vermisse ich ein bisschen. Wirklich, wirklich neue Musik finde ich aber schon auch schwierig. Schwierige Diskussion.

Stephan: Ich finde halt, man macht Musik nicht neu, sondern es ist nur etwas, das man mitgenommen hat von irgendwo. Entsprechend wird es auch immer neue Musik geben und es wird auch immer eine Kopie vom Alten sein.

Würdet ihr euch als in der Vergangenheit hängen geblieben bezeichnen?

Dani: Ich befasse mich viel mit dem, was war, aber trotzdem bin ich ja im Jetzt. Hängen geblieben finde ich doch ein bisschen hart.

Sevi: Ich lebe auch extrem gern im Jetzt. Ich mag schon all diese komischen, technischen Errungenschaften, die so umstritten sind. Dieses Internet. Das praktiziere ich auch fleißig. [lacht] Ich glaube nicht, dass wir einen nostalgischen Blick zurück haben.

Dani: Also „früher war alles besser“ gibt es bei mir definitiv nicht.

Bei den Sprechpassagen von „Traumhaft“ und „Schlaufen der Zukunft“ muss ich immer an Hörbücher denken; „Koordinaten“ klingt wie eine Hommage an Raumpatrouille Orion. Wie wichtig sind euch die Texte?

Sevi: Wir sind eigentlich in diese Band so ein bisschen reingerutscht. Wir haben das gar nie so intensiv machen wollen, wie wir das jetzt eigentlich machen. Wir dachten, das sei mehr sowas Vorrübergehendes. Das fing eigentlich bei uns beiden mit Textphrasen an. Sehr vom Rhythmischen her und mehr wie ein Instrument behandelt, wo der Text ein bisschen Mittel zum Zweck war. Wir wollten natürlich nicht nur „I love you, I love you, I love you“ singen, also schon mit was dahinter. Aber nicht so richtig durchgedacht, mehr auf der Metaebene. Das hat sich in der Zwischenzeit geändert. Da finden Dinge im Text statt, die wir erlebt haben, die uns wichtig sind oder die wir verschlüsselt ansprechen wollen. Ich glaube, es ist mittlerweile ein wichtiger Bestandteil, auch vom Feedback der Leute her.

Dani: Als ich angefangen habe, Musik zu machen, hätte ich nicht gedacht, dass ich mit der Sprache was zu sagen habe. Ich bin nicht so der Geschichtenerzähler. Wenn man zusammen sitzt und ein Bier trinkt, liebe ich das, wenn Leute einen dann zehn Minuten packen können und alle sitzen mit offenem Kiefer hier. Das war ich noch nie. Mir wurde erst im Nachhinein klar, dass ich was zu sagen habe. Ich bin kein Autor oder Schriftsteller. Da ist man reingerutscht, dass man plötzlich Sachen niederschreibt und sich jemand die anhört oder sich Gedanken dazu macht. Wenn ich es jetzt selber anhöre oder lese, finde ich aber doch, das passt zu mir.

Sevi: Ich glaube, was bei den Texten wie auch bei der Musik und dem gesamten, leicht seltsamen Projekt, das es ist, immer mitschwingt, ist das, was du vorhin Metaebene genannt hast. Es kommt immer auf den Moment an, dass man merkt „das ist gut“ oder „das ist jetzt komisch.“ So ein unausgesprochenes Ding, das das Ganze zusammen hält. Das zieht sich durch die Texte, die Musik und die Konzerte und das können wir gar nicht so richtig benennen.

Seid ihr nebenher noch in anderen Projekten aktiv?

Dani: Ja, ganz neu: How Long Wolf heißt die Band, da bin ich als Live-Schlagzeuger dabei. Wir haben bis jetzt zwei, drei Proben gemacht, im Oktober geht es auf Konzerte. Aber Klaus Johann Grobe beansprucht schon viel Zeit. Ich würde mich jetzt nicht in tausend Projekte gleichzeitig reinstürzen wollen. Das ist alles gerade ganz neu und aufregend, da bleibt nicht viel Zeit für anderes.

Also habt ihr schon weitergehende Pläne mit Klaus Johann Grobe?

Sevi: Die Tour ist gerade am Ausklingen, das Album kam ja vor einem Jahr ungefähr raus. Jetzt ist schon neue Songs schreiben angesagt, aufnehmen im Spätherbst/Winter und dann eine neue Platte. Und dann mal gucken, keine Ahnung, ob die Leute das dann noch mögen. [lacht]

Mit dem Debütalbum habt ihr euch eine gewisse musikalische Identität erspielt. Wollt ihr auf dem neuen Album eine neue Richtung einschlagen, oder gefällt euch der Sound so, wie ihr ihn gerade macht?

Dani: Das ist wieder diese Metaebene. Das passiert einfach. Für uns alle ist wahrscheinlich sehr wichtig, dass es sich in irgendeiner Form weiterentwickelt. Auch wenn die Musik vielleicht sehr repetitiv ist: Wir mögen das nicht, wenn sich Sachen wiederholen. Der gleiche Witz funktioniert nicht nochmal. Aber es ist ja auch nicht so, als müssten wir uns neu erfinden und was total anderes machen. Es klingt dann so, wie es klingt. Ich meine, es ist schon sehr viel gegeben mit der Art, wie wir es machen. Schon nur die Instrumentation, die werden wir nicht komplett verändern nur wegen so etwas. Dann macht man halt Orgelmusik. Die Orgel werden wir nicht rausschmeißen. Synthesizer wird es auch noch geben.

Sevi: Als wir mit dem Label gesprochen haben, war uns das auch wichtig. Wir haben von Anfang an gesagt: „Ihr dürft uns nicht auf was festnageln. Wenn wir zu euch kommen, dann kann es halt sein, dass die nächste Platte komplett anders klingt oder fast genau gleich. Das ist uns auch wichtig, diese Freiheit zu haben und uns nicht einfach so an ein bewährtes Rezept zu halten. Wie es rauskommt, das können wir auch noch nicht sagen.

Wie sieht euer Songwriting-Prozess aus? Ist das ein Miteinander oder…

Dani: …ein Gegeneinander! [lacht]

Sevi: Wir wohnen in verschiedenen Städten, da tüftelt eigentlich jeder so mit seinem Zeug herum und das verschickt man dann, wenn das mal konkreter ist. Dann hört man sich das an und meistens greift das dann wieder, und wir sagen „Das machen wir genau so.“ Teilweise gibt es das dann, dass man sagt, das funktioniert so noch nicht und dann geht es zusammen weiter. Also ab einem gewissen Stadium sitzen wir zusammen hin und tüfteln die Orgel- und Schlagzeugparts aus.

Dani: Und machen Bridges.

Zum Abschluss: Wie sieht für euch ein perfekter Freitagabend aus?

Sevi: Es gibt ja verschiedene Freitagabende, die alle zu kombinieren wäre glaube ich der blanke Horror. Ich mag ganz gern, wenn es gemächlich vor sich geht. Also erstmal ankommen, ein bisschen alleine sein vielleicht. Ein bisschen Musik hören. Und dann im Abendsonnenschein eine Handvoll – nicht mehr – Freunde treffen und ein paar Bier. Etwas essen und Musik im Hintergrund. Dann bringt vielleicht jeder noch eine eigene Platte mit. Das ist auf der nicht-romantischen Ebene der perfekte Abend.

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„Schlaufen der Zukunft“:


Fichon

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